Die Haferwurzel kommt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum, wo sie seit der Antike als Heilpflanze und Gemüse eingesetzt wurde. Sie hat einen süßlich-nussigen Geschmack, der ein wenig an Austern erinnert. Die Wurzeln enthalten reichlich Inulin, Magnesium und Kalzium und eignen sich sehr gut als Kost für Diabetiker.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Tragopogon porrifolius
- Volksnamen: Bocksbart, Purpur-Bocksbart, Lauchblättriger Bocksbart, Hafermaukel, Haferwurzel, Austernpflanze, Habermark, Milchwurz, Markwurz, Weißwurz
- Familie: Korbblütler (Asteraceae)
- Verbreitung: Ursprünglich Mittelmeerraum, bereits in der Antike auch in Mitteleuropa kultiviert.
- Verwendete Pflanzenteile: Wurzel, Triebe, Blüten
- Inhaltsstoffe: Inulin, Schleimstoffe, Phenole, Kalium, Kalzium, Magnesium und Carotinoide, Vitamin B1 und B2, Nicotinamid und Vitamin C
- Anwendungsgebiete: Diabetes, Störungen der Verdauung, des Stoffwechsels oder des Mineralstoffhaushalts (diätisches Lebensmittel), Blasenbeschwerden, Verstopfung, Gallen- und Lebererkrankungen.
Haferwurzel – Eine Übersicht
- Alle Teile der Haferwurzel sind essbar, und zu Heilzwecken wird sie in der Regel verzehrt.
- Als Gemüse dient besonders die lange Wurzel. Diese lässt sich wie Schwarzwurzeln zubereiten.
- Die Haferwurzel ist ein gutes Wintergemüse, da leichter Frost die Wurzeln sogar süßer macht.
- Der hohe Anteil an Inulin macht die Haferwurzel zu einer ausgezeichneten Speise für Diabetiker.
- Die Haferwurzel galt in der Vergangenheit als so gesund, dass ein Sprichwort sagt: „Habermark macht die Buben stark.“
- Schwarzwurzel lässt sich leichter anbauen, erträgt stärkeren Frost und liefert einen größeren Ertrag. Deswegen verdrängte sie die Haferwurzel weitgehend. Nur auf Bio-Bauernhöfen und auf gut sortierten Wochenmärkten lässt sich dieses gesunde Gemüse erwerben.
- Haferwurzel hat einen außergewöhnlichen Geschmack (wie süßliche Austern) und liefert wertvolle Vitamine und Mineralstoffe.
Inhaltsstoffe
Haferwurzel enthält unter anderem folgende gesunde Inhaltsstoffe:
- Inulin (Ballaststoff),
- Schleimstoffe,
- Phenole (Flavonoide),
- Kalium,
- Kalzium,
- Magnesium,
- Carotinoide,
- Vitamine: Vitamin B1und B2, Nicotinamid (Amid des Vitamins B3), Vitamin C.
Haferwurzel – Medizinische Effekte
Traditionelle Anwendungen lassen sich nur zum Teil durch wissenschaftliche Studien als wirksam belegen. Bekannt sind aber einige Wirkungen der enthaltenen Stoffe, wie Vitamine, Phenole und Mineralstoffe.
Besonders für Diabetiker ist Haferwurzel eine geeignete und gut verträgliche Speise: Das in hohem Ausmaß vorhandene Inulin hat keinen Einfluss auf den Blutzucker. Der Mehrfachzucker Inulin wird nicht im oberen Magen-Darm-Trakt von den Verdauungsenzymen gespalten und gelangt somit bis in den Dickdarm zur weiteren Verwertung.
Im Darm wirkt Inulin als Ballaststoff und fördert die Aufnahme von Mineralstoffen – vor allem Kalzium und Magnesium. Dies ist sogar besonders wirksam, da Haferwurzel auch diese beiden Mineralstoffe liefert. Als glutenfreie Pflanze kann Haferwurzel zudem von Menschen verzehrt werden, die unter Glutenunverträglichkeit leiden.
Eine Studie (2020) zeigte bei einem Extrakt der Haferwurzel deutliche Effekte gegen zellschädigende Oxidationsprozesse, die Krebs und Erkrankungen des Blutkreislaufs auslösen können (antioxidativ). Des Weiteren wurden signifikante Wirkungen gegen Brustkrebszellen erkannt sowie eine Aktivität gegen pathogene Bakterien.
Bereits 2015 hatte eine in-vitro und in-vivo Studie eines libanesischen Wissenschaftsteams die Wirkungen der Haferwurzel gegen Krebs und schädliche Oxidationsprozesse belegt und zudem einen leberschützenden Effekt festgestellt.
Eine Studie von 2014 bemerkte: Haferwurzel sei reich an Flavonoiden und Phenolen und entfalte deutliche Aktivität gegen zwei sehr aggressive Formen von Knochenkrebs. Im Ergebnis wird Haferwurzel als eine natürliche Quelle für Antioxidantien beschrieben, die gegen viele Krankheiten wirksam seien und sich möglicherweise einsetzen ließen in Ernährung, Kosmetik und der pharmazeutischen Industrie.
Kalzium und Magnesium in der Haferwurzel
Regelmäßiger Verzehr von Haferwurzeln unterstützt dabei, einen Kalziummangel zu verhindern: Kalzium ist wichtig für die Blutgerinnung, für funktionierende Nerven und Muskeln, um Entzündungen abzuwehren und Allergien einzudämmen sowie für die Gesundheit von Herz, Nieren und Lunge.
Das enthaltene Magnesium ist ebenfalls lebensnotwendig für die Muskelkontraktion, die Verständigung zwischen Nerven- und Muskelzellen und für die Herzaktivität. Zudem wirkt Magnesium, wie auch Kalzium, am Aufbau von Knochen und Zähnen mit.
Magnesium hat teil an der Bildung der DNA und RNA und dem Aufbau der körpereigenen Proteine. Ohne Magnesium werden wir schlapp, wir fühlen uns müde, und alltägliche Aufgaben erschöpfen uns schnell. Daher sind magnesiumreiche Nahrungsmittel, wie Haferwurzel, wichtiger Bestandteil für die mittel- und langfristige Gesundheit.
Medizinische Anwendungen
Haferwurzel wird in erster Linie als diätetisches Lebensmittel verwendet. Aufgrund ihrer Inhaltsstoffe wirkt der Verzehr von Haferwurzel abführend und harntreibend.
Die Darmflora wird gefördert, da die Aufnahme von Haferwurzel hilft, dass sich „gute“ Darmbakterien ansiedeln und schädliche Bakterien vermindert werden. Das Essen von Haferwurzeln hilft zudem, genug Magnesium und Kalzium aufzunehmen, liefert B-Vitamine und Carotinoide.
Medizin- und Kulturgeschichte
Haferwurzel galt bereits in der Antike als gesundes Gemüse, das Krankheiten vorbeugt. Der griechische Arzt Dioskurides empfahl sie vor fast 2000 Jahren als Nahrung, um Leber und Galle zu stärken. Leberschützende Effekte sind inzwischen wissenschaftlich belegt. Albertus Magnus im Mittelalter und Hieronymus Bock in der frühen Neuzeit empfahlen sie ebenfalls als sehr gesunde Pflanze.
Bereits im 19. Jahrhundert wurde sie in Deutschland von der Schwarzwurzel verdrängt und um die Wende zum 20. Jahrhunderts fand sie sich nur noch regional und in kleinen Mengen. Eine Renaissance erlebt die „Austernpflanze“ heute ebenso in Biogärten, in denen alte Gemüsesorten angebaut werden sowie in der Haute Cuisine, die sich am außergewöhnlichen Geschmack zwischen Wurzelgemüse, Austern und Lakritze begeistert.
Haferwurzel in der Küche
Das Aroma der Haferwurzel ist nussig, etwas süß und zugleich leicht säuerlich. Der Milchsaft erinnert an Austern – daher stammt auch der Name Austernpflanze. Bisweilen wird der Geschmack mit Lakritze vergleichen.
Im Großen und Ganzen lässt sich der Geschmack mit der verwandten Schwarzwurzel vergleichen: Diese schmeckt aber nicht nach Austern, sondern vielmehr nach Spargel. Die Wurzeln werden im ersten Jahr vor der Blüte gegessen. Im zweiten Jahr, wenn die Pflanze blüht, sind die Wurzeln holzig geworden.
Zubereitet wird Haferwurzel ganz ähnlich wie die Schwarzwurzel. Sie hat dabei den Vorteil, nicht geschält werden zu müssen. Schwarzwurzeln hingegen müssen geschält werden, was eine recht mühsame Tätigkeit ist.
Mit der Schwarzwurzel teilt die Haferwurzel auch den stark färbenden Saft. Dieser verfärbt sich im Kontakt mit Sauerstoff braun und hinterlässt ebensolche Flecken auf der Haut und dem Gemüse selbst. Da Sie die Wurzeln aber nicht schälen müssen, sondern nur mit einer Bürste säubern, verschmutzen Sie ihre Haut weniger als bei Schwarzwurzel.
Haben Sie vor, die Haferwurzeln zu schälen? Dann sollten Sie Handschuhe tragen und die geschälten Wurzeln schnell in ein Wasserbad mit einem Schuss Zitrone legen, um Verfärbungen zu vermeiden. Dies hat lediglich ästhetische Gründe: Die wertvollen Stoffe bleiben auch in den verfärbten Wurzeln enthalten.
Die Wurzeln werden in gesalzenem Wasser rund 15 Minuten gekocht. Sie können das Gemüse ebenso roh essen, pürieren, dünsten, braten, fritieren oder panieren. Haferwurzeln passen sehr gut zu Karotten, Kartoffeln und Pastinaken, aber auch zu Äpfeln, Nüssen, Fisch oder Fleisch.
Kennzeichen
Die Haferwurzel kommt aus dem Mittelmeerraum und wurde dann auch in Mitteleuropa als beliebtes Gemüse heimisch. Sie ist ein Verwandter des Wiesen-Bocksbarts. Dieser blüht aber gelb, während die Blüte der Haferwurzel in violett strahlt.
Haferwurzel bevorzugt einen sonnigen Standort mit lockerem Sandboden. Sie ist ein Starkzehrer und entzieht dem Boden viele Nährstoffe. Die Pflanze blüht erst im zweiten Jahr im Sommer. Ihre Blüten öffnen sich dann morgens und schließen sich mittags.
Die Blüte dauert nur wenige Tage, dann bildet sich eine Hülle in Form eines „Schnabels“. An dieser entsteht der Fruchtstand, der ähnlich aufgebaut ist wie die Pusteblume des Löwenzahns und viele Samen enthält.
Für Küche und Medizin entscheidend ist die Pfahlwurzel. Sie wird rund 30 Zentimeter lang, ist innen weiß und außen schmutzig gelb.
Haferwurzel und Schwarzwurzel
Im 16. Jahrhundert wurde die Garten-Schwarzwurzel aus Spanien nach Mitteleuropa eingeführt und verdrängte hier sukzessive die Haferwurzel. Auch in Deutschland wurde die Haferwurzel ab dem 19. Jahrhundert kaum noch angebaut, denn die Verwandte verträgt nicht nur Frost besser, sondern bringt auch einen größeren Ertrag.
Besonders die Kältetoleranz bewirkte, dass sich mehr und mehr Bauern für die Schwarzwurzel entschieden: Am Ende des 16. bis ins 17. Jahrhundert erreicht die Kleine Eiszeit ihren Höhepunkt. Extremer und langanhaltender Frost wurde zur Regel – der Anbau von Pflanzen, die diesen aushielten war eine Frage des Überlebens.
Der höhere Ertrag und die Frosttoleranz bedeuten aber mitnichten, dass die Haferwurzel im Vergleich zur Schwarzwurzel nur Nachteile hätte. Sie verfügt im Gegenteil über einen einzigartigen Geschmack: Das austernartige Aroma der Haferwurzel gilt besonders bei Gerichten mit Fisch und Meeresfrüchten als etwas Besonderes. In der Zubereitung ist ein großer Vorteil, dass Haferwurzel nicht geschält werden muss. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nuraniye Eruygur, Esra Ucar, Mehmet Ataş et al.: Determination of biological activity of Tragopogon porrifolius and Polygonum cognatumconsumed intensively by people in Sivas, in: Toxicology Reports, Volume 7, Seiten 59-66, 2020, ScienceDirect
- Karl Hiller, Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Erster Band A bis K. Heidelberg-Berlin, 1999
- Fuad Al-Rimawi, Suzi Rishmawi, Sharehan A. Ariqat et al.: Anticancer Activity, Antioxidant Activity, and Phenolic and Flavonoids Content of Wild Tragopogon porrifolius Plant Extracts, in: Hindawi / Evidence-Based Complementary and Alternative Medicine, Volume 2016, Article ID 9612490, 2016, Hindawi
- Clara Tenkerian, Mirvat El-Sibai, Constantine F. Daher, Mohamad Mroueh: Hepatoprotective, Antioxidant, and Anticancer Effects of the Tragopogon porrifolius Methanolic Extract, in: Hindawi, Volume 2015, Article ID 161720, 2015, Hindawi
- Walter Wurzer (Hrsg.): Die große Enzyklopädie der Heilpflanzen, Klagenfurt, 1994. [Titel des Originals 1977: „Le erbe“, Übertragung aus dem Italienischen]
Wichtiger Hinweis:
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