Die Gewöhnliche Hauswurz ist eine extrem robuste Gebirgspflanze. Dort gedeiht sie außerhalb jeglicher Konkurrenz an Orten, wo andere Pflanzen nicht überleben. Kälte erträgt sie ebenso wie Hitze und Trockenheit. Aus den aufgeschnittenen Blättern tritt dicklicher Saft aus. Dieser – wie Gel auf die Haut aufgetragen – hilft gegen leichte Wunden, Insektenstiche sowie Verbrennungen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Sempervivum tectorum (Gewöhnliche Hauswurz)
- Volksnamen: Steinrose, Gewöhnliche Hauswurz, Echte Hauswurz, Jupiterbart, Ohrpeinkraut, Donnerwurz, Dachwurz, Dachzwiebel, Dach-Hauswurz, Alpen-Hauswurz, Hausampfer, Hauslaub, Hauslauch, Wetterwurz, Zidrinwurzn, wilder Rhabarber, Scherzenkraut
- Familie: Dickblattgewächse (Crassulaceae)
- Verbreitung: Gebirge Europas und Kleinasiens wie die Pyrenäen, Alpen und Karpaten.
- Verwendete Pflanzenteile: Die Blätter beziehungsweise der aus diesen gewonnene Saft
- Inhaltsstoffe: Tannine (Gerbstoffe), Bitter- und Schleimstoffe, Ameisen- und Apfelsäure, Vitamin C, Kalium, Harz und Flavonol-Glykoside wie Kaempferol-3-O-rhamnosyl-glucoside-7-O-rhamnosid.
- Anwendungsgebiete: Insektenstiche, Spinnenbisse, Verbrennungen, Hautwunden, Geschwüre, Furunkel, Ekzeme, Hühneraugen, Warzen, Hämorrhoiden, Ohrenschmerzen und Entzündungen im Ohr
Hauswurz – Eine Übersicht
- Die Echte Hauswurz wächst in Extrembiotopen im Gebirge. Dort überlebt sie in Hitze, Kälte und Trockenheit und benötigt nur sehr wenig Erde.
- Hauswurze sind extrem vielfältig in Wuchsform, Größe der Rosetten und Farben der Blätter. Auch die Sonneneinstrahlung beeinflusst die Färbung.
- Sempervivus bedeutet „immerlebend“. Dies bezieht sich darauf, dass die Pflanzen an äußerst ungünstigen, extremen Standorten gedeiht und ihre Blätter auch im Winter behält.
- Hauswurze sind „Selbstversorger“. Sie wachsen in Felsspalten und ernähren sich unter anderem von ihren eigenen abgestorbenen Pflanzenteilen.
- Dickblattgewächse speichern Wasser und müssen kaum gegossen werden. Im Gegensatz dazu vertragen sie Staunässe und nährstoffreiche Böden nicht.
- Die mittelalterliche Heilkundige Hildegard von Bingen hielt Hauswurz für ein Aphrodisiakum mit Wirkung bei Mann und Frau. Hauswurz in Ziegenmilch sollte Impotenz bei Männern heilen.
- Für Inhaltsstoffe der Hauswurz sind hingegen andere Wirkungen belegt: Sie ziehen Gewebe zusammen und fördern so die Wundheilung, bremsen Entzündungen und halten pathogene Mikroben fern.
Inhaltsstoffe
Hauswurz enthält Tannine (Gerbstoffe), Bitter- und Schleimstoffe, Ameisen- und Apfelsäure, Vitamin C, Kalium, Harz und Flavonol-Glykoside wie Kaempferol-3-O-rhamnosyl-glucosid-7-O-rhamnosid.
Eine Studie von 2012 identifizierte zehn Flavonol-Glycoside und sechzehn Phenolsäuren.
Hauswurz – Medizinische Effekte
Die in der Hauswurz enthaltenen Inhaltsstoffe hemmen Entzündungen, erfrischen, kühlen und senken Fieber. Der Saft aus der Hauswurz zieht Gewebe zusammen, weicht die Haut auf, löst Krämpfe und beschleunigt die Wundheilung.
Die enthaltenen Gerbstoffe wirken antioxidativ, sowie gegen Viren, Bakterien und Pilze. Sie machen Eiweiße für Bakterien unerreichbar, indem sie Hautzellen verschließen. Durch diese Verdichtung kann die Haut sich regenerieren.
Das undurchlässige Gewebe erschwert den Eingang für mögliche weitere Krankheitserreger. Damit werden Wunden vor Infektionen geschützt. Gerbstoffe desinfizieren also Wunden, lindern auch Blutergüsse und bauen eine Hautbarriere gegen Keime auf.
Indem sie Gewebe zusammenziehen, reduzieren sie Blutungen. Das Zusammenziehen hilft auch gegen Krampfadern, da es das Erweitern der Venen verringert. Die zusammenziehenden Effekte der Gerbstoffe sind mitunter auch geeignet, um folgende Beschwerden zu behandeln: Entzündungen von Schleimhäuten (in Magen, Darm, Speiseröhre, Gaumen und Mund), blutende Wunden sowie Folgen von Frost und Verbrennungen.
Eine Studie (2003) hielt fest: Komponenten der Hauswurz zeigen deutliche antioxidative Effekte. Wesentlich sind Inhaltsstoffe im Saft wie Kaempferol und Kaempferol-3-Glucosid. Auch die enthaltene Apfelsäure zeigte im Versuch deutliche Wirkungen gegen Oxidationsprozesse in den Zellen.
Eine Studie (2015) untersuchte traditionelle Anwendungen der Hauswurz in der Volksmedizin Südserbiens. Zu diesen Anwendungen zählen:
- Ohrenschmerzen,
- Warzen,
- Krebs,
- Bauchschmerzen,
- Entzündungen im Mundraum,
- Senken des Blutzuckers.
Die höchste Evidenz wird für Effekte gegen Ohrenschmerzen angegeben, die durch mikrobielle Entzündungen verursacht werden. Die Wissenschaftler:innen wiesen an medizinisch wirksamen Substanzen besonders Flavonol-Glykoside nach, und darunter als Hauptstoff Kaempferol-3-O-rhamnosyl-glycoside-7-O-rhamnoside. Unter den organischen Säuren war Apfelsäure dominant.
Der Saft zeigte, der Studie zufolge, versprechende Aktivität gegenüber Mikroben, die Ohrenentzündungen verursachen. Daher wird der ethnopharmakologische Einsatz von Hauswurz-Saft gegen Ohrenschmerzen in der Studie für gerechtfertigt angegeben.
Medizinische Anwendungen
Werden Blätter mit der Schnittkante auf die Haut gelegt, hat dies eine kühlende Wirkung. Diese Art der Anwendung wird bei den folgenden Beschwerden eingesetzt:
- Prellungen,
- Quetschungen,
- Stauchungen,
- Verbrennungen,
- Krampfadern,
- Insektenstiche,
- Geschwüre (Augen- und Hautgeschwüre),
- Furunkel,
- Warzen,
- Gicht.
Ein traditionelles Hausmittel gegen Hühneraugen, Warzen, Insektenstiche, Sonnenbrand (Verbrennungen ersten Grades) und Hautwunden ist einfach zuzubereiten: Frische Blätter der Hauswurz werden zerkleinert und mit einem Tuch eine halbe Stunde auf die betroffene Stelle gedrückt. Bei Entzündungen im Ohr werden frische Blätter der Hauswurz ausgedrückt und der Saft wird direkt auf die betroffene Stelle geträufelt. Damit der Saft nicht herausfließt wird das Ohr mit Watte verschlossen.
Anstatt des Safts der frischen Blätter lässt sich auch Hauswurz-Öl ansetzen. Dafür füllen Sie ein Glas mit Hauswurz-Blättern und Olivenöl. Sie verschließen das Glas und lagern es rund 14 Tage an einem dunklen Ort. Dann gießen Sie das Öl ab, entfernen die Pflanzenstücke und tragen es auf rissige, trockene oder verletzte Haut auf.
Hauswurz wird in der Volksmedizin auch innerlich genutzt. Hierzu kochen Sie einen Tee, wobei als Faustregel gilt: Rund zehn Gramm frische Blätter in ein Liter kochendes Wasser geben, alles etwa zehn Minuten ziehen lassen. Es wird empfohlen jeweils eine kleine Tasse Tee im Abstand von zwei Stunden zu trinken. Dies gilt als Mittel gegen Durchfall, was plausibel ist, da das Zusammenziehen weniger Flüssigkeit in das Darmlumen lässt.
Bei Entzündungen in Mund und Rachen können Sie den Tee auch stärker konzentrieren und dann lauwarm gurgeln. Gegen Fieber ist in Südosteuropa eine Anwendung mit Hauswurz-Wasser bekannt. Hier schneiden Sie zwei Blätter an und geben diese in einen Liter kaltes oder lauwarmes Wasser. Der Sud zieht rund 30 Minuten, dann können Sie ihn trinken.
Unerwünschte Nebenwirkungen
Hauswurz wird seit Jahrhunderten als Heilpflanze eingesetzt, ohne dass schwere Nebenwirkungen beziehungsweise Vergiftungen bekannt sind. Für sie gilt indessen das gleiche wie für alle Pflanzen, die reich an Gerbstoffen sind: Wenn eine Überempfindlichkeit gegen Tannine besteht, sollte auf eine Anwendung verzichtet werden. In diesen Fällen kann es zu einer Reizung der Haut kommen, zu einer Hautrötung und Juckreiz.
Die Zauberpflanze
Hauswurz gilt seit jeher nicht nur als Heilkraut, sondern auch als Zauberpflanze. Zum Teil mag das an den realen medizinischen Effekten liegen. Sicherlich spielt aber auch die Lebenskraft dieser Gebirgspflanze eine Rolle, die dort besteht, wo andere Pflanzen zugrunde gehen.
Zu den mystischen Zuschreibungen gehörte die Vorstellung, dass Hauswurz auf dem Dach den Blitzschlag und Hausbrände abhalte. Daher stammen Volksnamen wie Donnerwurz oder Jupiterbart (Jupiter war der höchste römische Gott und sollte die Blitze schleudern).
Ein rationaler Hintergrund könnte darin liegen, dass auf mit Hauswurz bewachsenen Dächern viel Feuchtigkeit speichert werden kann und diese deshalb schwerer in Brand geraten.
Dachbegrünung und Bepflanzungen mit Sempervivum
Hauswurz wird heute besonders zur Dachbegrünung genutzt. Sie eignet sich ideal zum Bepflanzen von Mauern, Pflastersteinen und Steingärten.
Als Nachbarn eignen sich zum Beispiel Katzenpfötchen (Antennaria), Kuhschelle (Pulsatilla), Fetthenne (Sedum, siehe Scharfe Fetthenne), Steinbrech (Saxifraga), Hungerblümchen (Draba) oder Kriechender Thymian (Thymus, siehe Thymian).
Hauswurzen mögen keine humusreiche Erde, der Boden muss mager und durchlässig sein. Am besten erreichen Sie dies durch das Einmischen von Sand, Kies oder Blähton, wenn Sie nicht gleich Kakteenerde verwenden.
Durch ihre Genügsamkeit eignen sich Hauswurzen zur dekorativen Bepflanzung. Sie können die Dickblattgewächse in Tontöpfen ebenso ansiedeln wie auf Keramiktellern, sogar in alten Holzschuhen. Wichtig ist nur, dass das Wasser gut ablaufen kann.
Hauswurzen eignen sich wie kaum eine andere Pflanze dazu, Fensterrahmen zu begrünen. Sie können die Sukkulenten auf Baumwurzeln drapieren, in ausgemusterten Schubkarren oder Bollerwagen. Steinwände lassen sich ebenso mit Hauswurzen verschönern wie alte Teekannen, Glasschalen oder Bilderrahmen.
Hauswurz – Welche Arten gibt es?
Die Gewöhnliche Hauswurz ist eine von rund 60 Arten der Gattung Sempervivum, die zur Familie der Dickblattgewächse (Crassulaceae) gehören. Viel größer als die Anzahl der Arten sind die Zuchtformen, davon existieren rund 5000. Sie haben alle die Gemeinsamkeit, dass sie sehr einfach in der Pflege sind, kaum Humus und nur Feuchtigkeit benötigen.
Im Garten beliebt sind außer Sempervivum tectorum folgende Arten: Spinnweb-Hauswurz, Berg-Hauswurz, Fransen-Hauswurz, Wulfen-Hauswurz, Großblütige Hauswurz, Kalk-Hauswurz, Dolomiten-Hauswurz und Serpentin-Hauswurz.
Für medizinische Anwendungen sollten Sie auf Sempervivum tectorum zurückgreifen: Die anderen im Garten populären Arten wirken zwar vermutlich ähnlich, sind aber pharmakologisch kaum erforscht. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Agnes Alberti, Szabolcs Béni, Erzsebet Lacko et al.: Characterization of phenolic compounds and antinociceptive activity of Sempervivum tectorum L. leaf juice, in: Journal of Pharmaceutical and Biomedical Analysis, Volume 70, Seiten 143-150, 2012, ScienceDirect
- Karl Hiller; Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Erster Band A bis K. Heidelberg-Berlin 1999
- Marjita Šentjurc, Marjana Nemec, Henry D. Connor, Veronika Abram: Antioxidant activity of Sempervivum tectorum and its components, in: Journal of Agricultural and Food Chemistry, Volume 51, Issue 9, Seiten 2766-2771, 2003, ASC Publications
- Dejan Stojković, Lillian Barros, Jovana Petrović et al.: Ethnopharmacological uses of Sempervivum tectorum L. in southern Serbia: Scientific confirmation for the use against otitis linked bacteria; in: Journal of Etnopharmacology, Volume 176, Seiten 297-304, 2015, ScienceDirect
- Walter Wurzer (Hrsg.): Die große Enzyklopädie der Heilpflanzen. Klagenfurt 1994. Titel des Originals 1977 „Le erbe“. Übertragung aus dem Italienischen.
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.