Das Große Hexenkraut wächst in feuchten schattigen Wäldern. Historisch wurde es mehr als Zauberpflanze angesehen denn als „reales“ Heilkraut. Allerdings enthält es durchaus Stoffe, die eine Anwendung in der Phytomedizin sinnvoll erscheinen lassen, darunter reichlich Tannine.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Circaea lutetiana
- Volksnamen: Gemeines Hexenkraut, Gewöhnliches Hexenkraut, Hexenkraut, Hexengras, Waldkletten, St. Stephanskraut, Bäschklätten, Irrkraut
- Familie: Nachtkerzengewächse (Onagraceae)
- Verbreitung: Europa und Asien im Osten bis nach Sibirien, in anderen Kontinenten als Neophyt
- Verwendete Pflanzenteile: Die oberirdischen Teile, das Kraut
- Inhaltsstoffe: Ein hoher Anteil an Gerbstoffen (Tanninen), Flavonoide, Oxalate und Oxalsäure
- Anwendungsgebiete: Unter anderen: Harntrieb, Blut stillen, Hautpflege, Wundheilung, Durchfall
Hexenkraut – Eine Übersicht
- Das Hexenkraut heißt auch Waldklette, da es sich wie Kletten an vorbeikommende Tiere und Menschen heftet und sich so verbreitet.
- Der Gattungsname Circaea leitet sich von der Zauberin Circe aus der Odysseus-Sage Homers ab.
- Durch den hohen Anteil an Tanninen ist die Pflanze so bitter, dass sie sich nicht als Nahrung eignet.
- Den Hexenkräutern wurden diverse magische Wirkungen zugesprochen. Durch die enthaltenen Gerbstoffe haben sie auch reale heilende Effekte gegen Durchfall, zum Blutstillen und zur Wundheilung.
- Warum die Hexenkräuter als Zauberpflanzen galten, ist kaum bekannt. Sie sind nicht giftig und zeigen auch keine starken Effekte. Vermutlich rief ihr Anheften an Kleidung, Haare und Fell Assoziationen zum „Fesseln von Liebhabern“ hervor.
- Hexenkraut wächst in schattigen feuchten Wäldern, oft unter Erlen.
Hexenkraut – Inhaltsstoffe
Hexenkraut fällt auf durch den hohen Anteil an Gerbstoffen und reichlich Oxalsäure. Eine neue Studie der Universität Warschau erwähnte unter anderem folgende Stoffe in den oberirdischen Teilen der Pflanze:
- Vitexin,
- Isovitexin,
- Isoorientin,
- Acetyl-o-Vitexin,
- Asetyl-o-Isovitexin,
- Vicenin-1, Vicenin-2,
- Apigenin 7-o-Glucosid,
- Luteolin 7-O-Glucosid,
- Isoquercetin,
- Astragalin.
Oxalsäure – Riskant oder unbedenklich?
In Hexenkraut ist viel Oxalsäure vorhanden. Wie alle Pflanzen, die diesen Stoff enthalten, gilt hier: Menschen mit Nierenbeschwerden, Rheuma oder Gicht dürfen kein Hexenkraut konsumieren.
Oxalsäure ist in vielen Nahrungsmitteln enthalten, mal in stärkerer, mal in geringerer Konzentration. Für die menschliche Ernährung und Gesundheit ist wesentlich, dass sie antinutritiv wirkt. Das bedeutet: Oxalsäure verhindert die Aufnahme bestimmter Mineralstoffe durch den Körper.
Oxalsäure nehmen wir nur zu einem kleinen Teil über die Nahrung auf. Größtenteils entsteht sie im Organismus durch den Stoffwechsel selbst.
Oxalsäure wird von Darmbakterien zersetzt und mit dem Harn und Stuhl ausgeschieden. Nur in großer Menge und in hoher Konzentration kann Oxalsäure dem Körper überhaupt schaden.
Das Problem ist dann weniger die Oxalsäure selbst, sondern ihre Interaktion mit Eisen, Magnesium und Kalzium. Werden diese gleichzeitig mit Oxalsäure eingenommen, verbinden sie sich mit ihr zu Komplexen, die der Körper kaum noch auflösen kann.
Die lebenswichtigen Mineralstoffe werden nicht mehr von der Darmschleimhaut aufgenommen und stehen dem Organismus nur noch zu einem sehr geringen Anteil zur Verfügung. Ein regelmäßiger und hoher Konsum von Oxalsäure kann also auf längere Zeit gesehen zu einem Mineralstoffmangel und den damit verbundenen Erkrankungen führen.
Der Konsum von Oxalsäure in größeren Mengen fördert zudem die Entwicklung von Nierensteinen und Blasensteinen. Hier verbindet sich körpereigenes Kalzium mit Oxalsäure zu Kristallen, die sich im Harntrakt, der Blase und den Nieren ablagern und zu schmerzhaften Steinen werden.
Ein gelegentlicher Verzehr von Hexenkraut in Form von Tee oder als Wildkräutersalat führt nicht zu einer riskanten Überdosis an Oxalsäure im Körper.
Medizinische Wirkungen
Hexenkräuter enthalten einen hohen Anteil Gerbstoffe. Gerbstoffe bekämpfen freie Radikale, Pilze, Bakterien und einige Viren.
Sie entnehmen Bakterien Eiweiße und schließen die Zellen der obersten Hautschicht. Die auf diese Weise verdichtete Haut erneuert sich.
Durch das Zusammenziehen der Zellen können Krankheitserreger schwerer eindringen. Insofern bremsen Gerbstoffe Hautentzündungen, fördern die Hautbarriere gegen Keime und stoppen Blutungen.
Der adstringierende Effekt hilft auch gegen Krampfadern und Entzündungen der Schleimhäute in Mund, Rachen, Darm und Magen. Gerbstoffe lindern Frostschäden und leichte Verbrennungen.
Sie verfestigen Durchfall und verschließen verletztes Gewebe. Tannine senken den Blutzuckerspiegel, da sie die Aufnahme von Zucker in den Blutkreislauf bremsen. Eine Dissertation an der Universität Marburg kam 2005 zu dem Ergebnis, dass Gerbstoffe sich dafür eignen, in der Behandlung von Thrombosen eingesetzt zu werden.
Die veritable Menge an Gerbstoffen macht für die genannten Felder eine Behandlung mit Hexenkraut plausibel. Das im Großen Hexenkraut vorhandene Flavonoid Astragalin zeigte sich in einer 2014 veröffentlichten Zellstudie aus Korea als antioxidativ und antientzündlich.
Isoquercetin, Luteolin und Vitexin in der Pflanze wirken ebenfalls antioxidativ. Das enthaltene Luteolin wirkt zudem reizmildernd auf der Haut und gehört zu den Stoffen, die tendenziell Allergien entgegen wirken.
Medizinische Anwendungen
Hexenkraut lässt sich vielseitig verwenden, zum Beispiel:
- in Umschlägen,
- Tees,
- Aufgüssen,
- Wundpflastern,
- Tinkturen.
Der Tee schmeckt bitter und wird mit Honig gesüßt. Heißes Wasser wird über die frischen Blätter gegossen und zehn Minuten ziehen gelassen. Dann wird der Tee abgefiltert und getrunken.
Der Tee wird gegen Entzündungen der Schleimhäute in Rachen, Mund, Magen und Darm ebenso getrunken, wie um den Harntrieb anzuregen und Durchfall zu verfestigen.
Das Große Hexenkraut ökologisch
Das Große Hexenkraut wächst besonders in Erlen- und Eschenwäldern. Es gedeiht auf feuchten Böden mit vielen Nährstoffen und Stickstoff und kommt gut mit Schatten zurecht.
Im Juli und August entfalten sich die weißrosa Blüten. Diese entwickeln keulenförmige Samen mit Widerhaken, die sich an Tiere und Menschen haften und so die Pflanze verbreiten.
Hexenkräuter wachsen krautig und bilden einen unterirdischen Wurzelstock mit Ausläufern. Diese Ausläufer sind die zweite Methode, mit denen die Pflanzen sich vermehren.
Die Pflanze überwintert im Rhizom. Sie bildet im nächsten Frühjahr erneut die oberirdischen Teile aus, die dann im Herbst wieder absterben.
Wo sind Hexenkräuter verbreitet?
Hexenkräuter wachsen auf der Nordhalbkugel in Eurasien, Nordafrika (Algerien, Tunesien) und Nordamerika. Im Westen bis an die Atlantikküste Portugals, in Asien bis in den Fernen Osten der Russischen Föderation, im Amurgebiet, bis nach Korea und Japan.
Hierzulande gibt es vier Arten, genauer gesagt, drei sind echte Arten, eine ist ein Hybrid aus zwei Spezies. Gemeinsam ist ihnen ein Biotop in Laubwäldern, die ihr Laub im Herbst abwerfen. In der Höhe trifft man sie bis in 2500 Meter an.
Die Medizingeschichte des Hexenkrauts
Hexenkraut war in vielen Teilen Europas mit dem Glauben an Zauber verknüpft. So glaubten Frauen, mit den frischen Blüten der Pflanze Männer verführen zu können.
Möglicherweise kommt diese Assoziation daher, dass sich das Kraut anheftet. „So, wie eine Verehrerin den verehrten Mann fesseln“ will.
In Schlesien wurde das Kraut in Viehställe gehängt, um die Tiere vor schädlicher Hexerei zu schützen, mit denen die vermeintlichen Hexen angeblich die Milch stahlen oder sauer machten. Neben den zugesprochenen Zauberwirkungen wurde das Hexenkraut auch praktisch zur Wundheilung genutzt.
Allerdings trat die Bedeutung als tatsächliche Medizinpflanze stark hinter den imaginierten Zauberwirkungen zurück. So wurden stark blutende Wunden mit den zerquetschten Blättern der Pflanze eingerieben, um die Blutung zu stoppen.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen
Tannine können die Aufnahme von Eisen im Körper erschweren. Deshalb sollten Sie Lebensmittel mit vielen Tanninen und solche mit Eisen im Idealfall getrennt voneinander im zeitlichen Abstand konsumieren. Das sollten Sie besonders beachten, wenn Sie unter einem Eisenmangel leiden.
Gerbstoffe wirken Durchfall entgegen. Das heißt aber auch, dass ein Übermaß an Gerbstoffen zu Verstopfung führen kann.
Hexenkraut im Garten
Manche Gärtnerinnen und Gärtner sehen Hexenkräuter als „Unkraut“ an, da sie sich an feuchten Schattenplätzen mit viel Humus erfolgreich ausbreiten. Wenn Sie die Pflanzen hingegen im Garten haben wollen, brauchen diese am geeigneten Standort kaum Pflege.
Eine Gabe Gartenkompost im Frühjahr nehmen sie dankend an und wachsen dann besonders dicht. Während der Wachstumsperiode muss die Erde feucht sein.
Bei langer Trockenheit im Sommer sollten Sie gelegentlich wässern. Im Winter brauchen die Pflanzen kein zusätzliches Wasser, da sie im Rhizom die Energie speichern.
Zurückschneiden können Sie die Pflanzen, wenn die oberirdischen Teile im Herbst abgestorben sind. Ein Schnitt während der Wachstumszeit schadet der Pflanze und kann dazu führen, dass diese nicht wieder austreibt.
Den Winter in Deutschland übersteht das Große Hexenkraut ohne Probleme und braucht keinen Winterschutz. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- In-Hee Cho, Ju-Hyun Gong, Min-Kyung Kang et al.: Astragalin inhibits airway eotaxin-1 induction and epithelial apoptosis through modulating oxidative stress-responsive MAPK signaling; in: BMC pulmonary medicine, Volume 14, Seite 122, 2014, biomedcentral.com
- Karl Hiller; Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Zweiter Band L bis Z. Heidelberg-Berlin 1999
- Sebastian Granica, Anna K. Kiss: Secondary metabolites from aerial parts of Circaea lutetiana L; in: Biochemical Systematics and Ecology, Volume 46, Seiten 22-25, 2022, sciencedirect.com
- Christian Rack: Suche nach pflanzlichen Thrombininhibitoren - Gerbstoffe und Fettsäuren im Fokus, Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.), Marburg / Lahn, 2005, uni-marburg.de
Wichtiger Hinweis:
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