Hirtentäschel als Heilpflanze
Hirtentäschel wird wegen seiner herzförmigen Blättchen auch Herzkraut genannt. Diese Allerweltspflanze übersehen wir leicht, denn mit seinen kleinen Blättern drängt es sich nicht in den Vordergrund. Doch das genaue Hinsehen lohnt sich, denn die Pflanze ist nicht nur essbar, sondern auch eine traditionelle Pflanzenarznei, die vor allem als Hausmittel gegen Blutungen eingesetzt wird.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief: Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris)
- Wissenschaftlicher Name: Capsella bursa-pastoris
- Volksnamen: Gewöhnliches Hirtentäschel, Hirtensäckel, Bauernsenf, Beutelschneider, Blutwurz, Bettseicherle, Burenschinken, Schinkenkraut, Schnapschinken, Dachsenkraut, Herzkraut, Herzelkraut, Herzel, Mutterherzen, Muttergottesbrot, Kochlöffel, Löffeldieb, Taschendieb, Säckelcrut, Heinotterblume
- Pflanzenfamilie: Kreuzblütengewächse (Brassicaceae)
- Vorkommen: Kosmopolit, in ganz Europa, in Mitteleuropa häufig, ursprünglich vermutlich aus dem Balkan und Kleinasien
- Verwendete Pflanzenteile: Das frische oder getrocknete Kraut
- Inhaltsstoffe: Amine wie Tyamin und Acetycholin, Flavonoide (Rutin, Diosmin, Kämpferol, Luteolin, Quercetin), Phenylcarbonsäuren, Senfölglykoside, Sinigrin, Aminosäuren, Mineralstoffe wie Kalzium und Kalium, Vitamin C, Gerbstoffe und organische Säuren.
- Anwendungsgebiete: Blutstillendes Mittel gegen Nasenbluten und starke Menstruationsblutungen, Blutdruck regulieren sowie Schmerzen, Hämorrhoiden und Verdauungsbeschwerden lindern.
Hirtentäschelkraut – Eine Übersicht
- Das Hirtentäschelkraut gehört zu den Kreuzblütlern – es ist also verwandt mit Kresse.
- Das Aussehen der Pflanze erinnert an Löwenzahn oder Spitzwegerich, mit schmalen gezähnten Grundblättern.
- Täschelkraut ist anspruchslos und wächst als Ruderalpflanze beispielsweise auf Brachflächen, in Mauerritzen, an Fußwegen und auf verlassenen Fabrikgeländen.
- Der Kreuzblütler ist eine Zeigerpflanze für Stickstoff. Da dieser durch die moderne Landwirtschaft vielerorts im Boden angereichert ist, findet sich Täschelkraut in Mitteleuropa sehr häufig.
- Hirtentäschel ist durch seine auffälligen Blätter in Herzform einfach zu bestimmen. Unklar ist, ob Volksnamen wie Herzkraut von der Form der Blättchen stammen oder von den Wirkungen auf den Blutkreislauf.
- Täschelkraut enthält wie die verwandte Kresse Senföl und diente deshalb auf dem Land als Ersatz für Senf, woher auch der Volksname Bauernsenf stammt.
- Die Pflanze ist ein traditionelles Mittel, um Blutungen zu stillen, besonders Nasenbluten und starke Blutungen währen der Menstruation.
- Täschelkraut kann Kontraktionen in der Gebärmutter auslösen und sollte deshalb nicht von Schwangeren konsumiert werden. Hierdurch könnten frühzeitige Wehen stimuliert werden.
- Capsella bursa-pastoris bedeutet kleine Kapsel des Hirtenfells und leitet sich von den aus Fell produzierten Taschen der Hirten ab, die an die Form der Pflanze erinnert. Aus diesem Zusammenhang stammt auch die deutsche Übersetzung Hirtentäschel.
Vorkommen
Hirtentäschel wächst in ganz Europa – bevorzugt auf Standorten mit reichlich Stickstoff und Licht. Sie finden es besonders an offenen sonnigen Stellen, auf Feldern, Äckern und in Gärten, in Baugruben, auf Schrottplätzen und am Straßenrand.
Inhaltsstoffe
Hirtentäschelkraut enthält biogene Amine wie Tyamin und Acetycholin, Flavonoide (Rutin, Diosmin, Kämpferol, Luteolin, Quercetin) sowie Phenylcarbonsäuren. Darüber hinaus sind Senfölglykoside (Bauernsenf) enthalten, dabei in höherem Ausmaß Sinigrin. Hinzu kommen des Weiteren Proteine, Aminosäuren, Mineralstoffe wie Kalzium und Kalium, Vitamin C, Gerbstoffe und organische Säuren.
Wirkungen
Das Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) stuft Hirtentäschel als traditionelles pflanzliches Arzneimttel (§ 39a AMG) ein. Die Kommission E erkennt Täschelkraut als Phytoarznei bei folgenden Beschwerden an:
- Innerlich um verstärkte und verlängerte Regelblutungen zu regulieren,
- äußerlich bei Nasenbluten,
- bei oberflächlichen und blutenden Verletzungen der Haut.
Rezente Studien zeigen zudem antimkrobielle, antientzündliche, kardiovaskuläre und leberschützende Effekte (siehe: Al-Snafi, 2015).
Hirtentäschel wirkt antioxidativ
Die biochemischen Bestandteile verweisen darauf, dass Hirtentäschel antioxidativ wirkt, also übermäßige Sauerstoffanreicherungen im Körper bekämpft, die die Zellwände schädigen (siehe: Kamali et al., 2015).
Hirtentäschelkraut bei Regelblutungen
Hirtentäschelkraut kann bei starken Regelblutungen bei Frauen mit ansonsten normalem Zyklus eingesetzt werden, sofern deren Ursache keine ernste Erkrankung ist, für die andere Therapien erforderlich sind (siehe: Romm et al., 2010).
Verdauungsanregende Wirkung
Die anregende Wirkung des Hirtentäschels betrifft nicht nur die Blutgefäße und die Gebärmutter, sondern auch die Darmmuskeln. Er eignet sich deshalb auch dazu, Verdauungsstörungen zu lindern und Diäten zu unterstützen, um Gewicht zu reduzieren.
Volksmedizin
Hirtentäschel wird vermutlich seit der Antike in der Volksmedizin eingesetzt, um den Harn zu treiben, Blut zu stillen und Schmerzen zu lindern. Erwähnt wird das Kraut im 11. Jahrhundert bei Hildegard von Bingen. Sicher nachweisen lässt sich der Gebrauch in Medizinbüchern des 15. Jahrhunderts. Damals galt das „Täschenkraut“ als Arznei gegen Nasenbluten, blutigen Durchfall, starke Regelblutungen und Harnsteine.
Anwendungen
Hirtentäschel können Sie im Freiland sammeln, als Trockenextrakt in Form von Dragees und Tabletten oder als Fluidextrakt kaufen.
Kleine Verletzungen
Bei kleineren blutenden Verletzungen der Haut zerstoßen Sie frisches Täschelkraut zu einem Brei. Dabei werden die Zellen der Pflanzen geöffnet und der Pflanzensaft tritt aus. Sie können das fragile Kraut einfach zwischen den Fingern verreiben. Den Brei legen Sie auf die Wunde und festigen ihn mit einer Mullbinde.
Hämorrhoiden
Gegen Hämorrhoiden geben Sie rund 100 Gramm frischen Hirtentäschel in ein Liter kochendes Wasser, lassen das Gemisch zehn Minuten ziehen und gießen es dann zum warmen Wasser eines Sitzbades. In das setzen Sie sich, bis das Wasser abkühlt.
Hirtentäschel-Tee gegen starke Regelblutungen
Um Hirtentäschel-Tee gegen starke Regelblutungen einzusetzen, trinken Sie bereits acht Tage vor der Periode rund vier mal pro Tag eine kleine Tasse des Tees. Für den Tee übergießen Sie einen gehäuften Teelöffel des getrockneten Krauts oder zwei Teelöffel des frischen Krauts mit Wasser, bis die Tasse voll ist, lassen den Sud zehn Minuten ziehen, gießen es dann ab und trinken den Tee.
Hirtentäschel gegen Nasenbluten
Gegen Nasenbluten tränken Sie einen Wattebausch im Tee und stopfen diesen in das blutende Nasenloch. Sie können dazu auch ein bis zwei Tassen des Tees pro Tag trinken, um die Blutung von innen zu stillen.
Wann Hirtentäschel nicht angewendet werden sollte
Behandeln Sie keine stark blutenden äußeren Wunden mit ihrem selbst gemachten Brei aus Hirtentäschel. Bei unsauberen Fingern und verunreinigtem Kraut ist die Infektionsgefahr hoch.
Auch in der Schwangerschaft sollte das Kraut nicht konsumiert werden, da die Inhaltsstoffe frühzeitige Wehen auslösen können.
Hirtentäschel sammeln
Hirtentäschel können Sie gut selbst sammeln. Die beste Zeit, um sich einen Vorrat anzulegen, ist zwischen April und Juli, denn dann ist die Dosis der pflanzlichen Wirkstoffe am höchsten. Sie pflücken das Kraut mitsamt der Wurzel, klopfen die Erde ab und lassen es an einem Schattenplatz trocknen. Innerhalb von drei Monaten sollten Sie die Pflanze verbrauchen, denn danach werden die Inhaltsstoffe unwirksam. Im Frühjahr ernten Sie Blätter, Blüten und Triebe, ab Sommer die ganze Pflanze.
Hirtentäschel in der Küche
Täschelkraut hat einen scharfwürzigen Senfgeschmack, ähnlich wie Kresse, und sie können es auch wie Kresse einsetzen – für einen Kräuterquark, in Dips, in Salaten und Gemüsegerichten, für Marinaden oder aufs Brot gestreut. Die Wurzel erinnert geschmacklich an Ingwer und lässt sich als Suppen- oder Saucenwürze nutzen.
Verwechslung
Hirtentäschel lässt sich mit dem nahen verwandten Acker-Hellerkraut (Thlaspi arvense) verwechseln. Das ist aber kein gesundheitliches Problem, da Sie das Hellerkraut ebenfalls essen können. Acker-Hellerkraut, auch Acker-Täschelkraut genannt, ist kräftiger und größer als Hirtentäschel und blüht von Mai bis September. Es hat wesentlich rundere Taschen als der kleinere Verwandte. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Al-Snafi, Al-Esmail: The chemical constituents and phamacological effects of Capsella bursa-pastoris. A review. In: International Journal of Pharmacology & Toxicology / 5(2), 2015,76-81, researchgate.net
- Kooperation Phytopharmaka GbR: Hirtentäschel (Abruf: 28.07.2021), arzneipflanzenlexikon.info
- Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC): Assessment report on Capsella bursa-pastoris (veröffentlicht: 12. Juli 2011), ema.europa.eu
- Karl Hiller, Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010
- Kamali, Hossein et al.: Chemical composition and antioxidant activity from Essential oil of Capsella bursa-pastoris. In: International Journal of PharmTech Research. Vol.8, No.8, pp 01-04, 2015., sphinxsai.com
- Romm, Aviva et al.: Menstrual wellness and menstrual problems. In: Botanical medicine for women‘s health. 2010
- Teuscher, E. et al.: Biogene Arzneimittel - Ein Lehrbuch der Pharmazeutischen Biologie. Stuttgart 2012
- van Wykk, B.E et al.: Handbuch der Arzneipflanzen – Ein Bildatlas. Stuttgart 2015
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.