Das gelb blühende Jakobskreuzkraut ist ein großes Ärgernis für Viehhaltende, da sich die Weidetiere damit vergiften können. In der Volksmedizin war der Korbblütler trotzdem als Arzneipflanze weit verbreitet – gegen Rheuma, Halsschmerzen oder Hautentzündungen. Vermutlich wussten die Menschen nicht um die schweren Leberschäden, die der Verzehr der Pflanze verursacht, denn diese zeigen sich beim Menschen erst nach einer Einnahme über einen längeren Zeitraum.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Senecio jacobaea Syn. Jacobaea vulgaris
- Volksnamen: Jacobs-Kreuzkraut, Jakobs-Greiskraut, Jakobsgreiskraut, Jacobs-Greißkraut, Jakobskraut
- Familie: Korbblütler (Asteraceae)
- Verbreitung: Ebenen und mittlere Gebirgslagen des gemäßigten Europas und Westasiens; in USA, Kanada, Argentinien, Neuseeland und Australien invasiver Neophyt.
- Verwendete Pflanzenteile: Die oberirdischen getrockneten Teile der Pflanze; die ganze frische Pflanze
- Inhaltsstoffe: Jakobskreuzkraut enthält Pyrrozidinalalkaloide (2,2 bis 0,4 Prozent), darunter Jacobin und dessen Derivate, Erucifolin und O-Acetylerucifolin. Ätherisches Öl ist in Spuren vorhanden und besteht vor allem aus Germacren D.
- Anwendungsgebiete in der Volksheilkunde (früher):
- Harndrang,
- Regelschmerzen,
- rheumatische Erkrankungen,
- Neuralgie,
- Schwellungen,
- Hauterkrankungen,
- Hals- und Mandelentzündung
Wirkungen
Die gesamte Pflanze ist stark giftig. Verantwortlich sind die Pyrrolizidinalkaloide (PA). PA selbst sind für Menschen erst einmal nicht toxisch, der Großteil von ihnen wird beim Verzehr in der Leber verarbeitet und über die Nieren ausgeschieden.
Indessen können aufgenommene PA sich auch in der Leber zu Zwischenprodukten transformieren, die mit dem Gewebe interagieren und die Leber nachhaltig schädigen. Dabei kommt es nicht zu akuten, sondern subakuten und vor allem chronischen Vergiftungen (sub-chronische Toxizität und Langzeittoxizität).
Vermutet wird, dass die PA und/oder ihre Zwischenprodukte Krebs erzeugen. Aussagekräftige Studien dazu fehlen allerdings bislang. Das Bundesinstitut für Risikoforschung geht jedoch davon aus, dass PA beim Menschen eine kanzerogene Wirkung haben.
Die höchste Konzentration der PA liegt in den Blüten, die Stängel enthalten weniger der Alkaloide. Die Stoffe sind in frischen Pflanzen ebenso wirksam wie in Heu und Silage, und die Dosis ist bereits in jungen Pflanzen hoch.
Jakobskreuzkraut aus Höhenlagen ist giftiger als solches im Flachland, und je wärmer es durchschnittlich ist, umso höher steigt der Pegel an PA. Ein warmes Klima beziehungsweise die allgemeine Problematik der Klimaerwärmung hat einen doppelt negativen Effekt: Die Pflanze kann sich optimal verbreiten und gewinnt zudem an Giftigkeit und wird somit zu einer erhöhten Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier.
Die verstoffwechselten PA führen zu akuter wie chronischer Leberdegeneration (intrahepatischer Ikterus), können möglicherweise Leberkrebs auslösen und schädigen das Erbgut und die Embryonen im Mutterleib. Die Leberschäden sind nicht umkehrbar. Der Krankheitsverlauf ist in der Regel bei Kindern schwerwiegender als bei Erwachsenen.
Vergiftungserscheinungen wie Magen- und Darmbeschwerden treten nicht sofort nach dem Verzehr der Pflanze auf und werden deshalb oft nicht mit dem Verzehr in Verbindung gebracht. Andere frühzeitige Vergiftungssymptome sind Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Haarausfall.
Vergiftungen durch Jakobsgreiskraut führen oft erst nach Monaten oder Jahren zu Lebererkrankungen, und dann ist der Konsum der Pflanze häufig vergessen.
Für das Risiko von PA-Vergiftungen sind längere Einnahmen von kleinen Dosen vermutlich nachteiliger als eine einmalige hohe Dosis (Langzeittoxizität). Die Vergiftungen verlaufen schleichend mit hohen Dunkelziffern.
Es gibt keine Schnelltests oder Grenzwerte für PAs, da das Gift erst durch Umwandlung im Körper entsteht. Daher wird eine Nullgrenze von PA in Lebensmitteln diskutiert – das würde selbstverständlich auch Arzneien betreffen.
Pyrrolizidin-Alkaloide
Rund 6.000 Pflanzenarten produzieren PA, vor allem Korbblütler, Borretschgewächse und Hülsenfrüchtler. Kreuzkräuter haben die höchsten Konzentrationen dieser Stoffe. Es handelt sich um sekundäre Pflanzenstoffe, die Schutz vor Fressfeinden bieten. Unter den heimischen Kreuzkräutern weist das Jakobskreuzkraut die größten Mengen dieser Stoffe aus.
Wann wirkt Jakobskreuzkraut giftig?
Die Pflanze zu berühren wirkt auf Menschen generell nicht giftig, jedoch sollten Sie vor allem bei geschädigter Haut vorsichtig sein, Handschuhe und geschlossene Kleidung tragen. Kontaktallergien sind möglich.
Anwendung – Medizingeschichte, Volksheilkunde und Homöopathie
Trotz ihrer Giftwirkung, und vielleicht auch deshalb, weil die Menschen die Langzeitschäden nicht mit dem Verzehr der Pflanze verknüpften, war das Jakobskreuzkraut über viele Jahrhunderte im ländlichen Raum als Volksarznei weit verbreitet.
Heute noch finden sich bei den unterschiedlichsten Anbietern auf Esoterik-Webseiten, unseriösen „Alternativmedizin“-Portalen und/oder bei Menschen, die meinen, „vergessene Heilkräuter“ anzuwenden, Rezepte für Tees, Aufgüsse, Spülungen, Umschläge oder Gurgelwasser mit Jakobskreuzkraut. Diese werden hier bewusst nicht veröffentlicht, da aufgrund der beschriebenen schleichenden Giftwirkung der PA keine Empfehlungen für richtige Dosierungen gegeben werden können und von der Einnahme generell abgeraten wird.
Historisch wurde die Pflanze gegen Entzündungen, Arthritis, Rheuma und Neuralgien eingesetzt, und bis in die 1990er Jahre auch bei Harndrang, Hauterkrankungen und Hautverkrustungen. Der frische Saft, auf die Haut aufgetragen, sollte Schwellungen und Schmerzen lindern.
Weit verbreitet waren Aufgüsse und Tees, die zum Gurgeln dienten und gegen Halsschmerzen, Mandelentzündung, Fieber, Durchfall, Nasenbluten, Asthma und Erkältung (grippalen Infekt) eingesetzt wurden.
In der magischen Medizin dienten Amulette aus Kreuzkräutern als Schutz gegen Hexen, und die Hexen selbst sollten Kreuzkraut zu Bündeln binden und damit durch die Lüfte fliegen.
Die Homöopathie setzt die Pflanze hauptsächlich gegen Menstruationsbeschwerden und Augenleiden ein. Durch die starke Verdünnung sind die biochemischen Stoffe in den meisten Potenzen nicht mehr enthalten.
Vorkommen von Jakobskreuzkraut
Das Jakobskreuzkraut vermehrt sich seit zwei Jahrzehnten enorm. Es kommt im Tiefland vor, aber auch in Mittelgebirgen und bevorzugt recht trockene Böden mit mäßigem Nährstoffgehalt – Wegböschungen, Ruderalflächen, Eisenbahndämme, abgetrocknete Moore, Halbtrockenrasen, Gräben, lichte Wälder und Waldränder. Überall dort, wo die Vegetationsdecke Lücken aufweist, kann das Jakobskreuzkraut optimal keimen. An Standorten wo der Bewuchs geschlossen ist, wie zum Beispiel auf extensiven Wiesen, ist es sehr selten.
Vegetationslücken durch späte Nutzung und durch Menschen verursachte Bodenveränderungen öffnen Nischen für die Ruderalpflanze: Aufforstungen, Brachen, Bauerwartungsland, Kiesgruben, spät gemähte Wiesen, übernutzte Pferdeweiden. Auf Ackerflächen kann sich die zweijährige Pflanze durch die jährliche Bearbeitung des Bodens hingegen nicht festsetzen, ebenso wenig auf intensiv bewirtschaftetem Grünland, das eine geschlossene Grasnarbe besitzt.
Das Jakobskreuzkraut besiedelt also vor allem „Störflächen“, unter natürlichen Bedingungen kam es vermutlich auf Erosionsflächen wie Steilhängen, Steilufern und Knickfüßen vor, war aber auf natürlichem Grünland und Waldrändern mit ungestörter Bodenentwicklung nicht anzutreffen. Solche ungestörten Flächen gibt es in Mitteleuropa indessen kaum noch, die Bodenschichtung ist fast überall umgebrochen oder verletzt.
Das Kraut ist sehr konkurrenzfähig und setzt sich auf nährstoffreichen Böden durch, besonders auf ehemaligen Äckern, Kiesgruben mit Bodenaufschüttungen oder Weiden mit Überbesatz, die durch Kot reich gedüngt werden.
Warum verbreitet sich das Jakobskreuzkraut?
Genau weiß noch niemand, warum sich die Pflanze seit circa 20 Jahren in Deutschland stark vermehrt. Die Flächenstilllegung seit Anfang der 1990er Jahre könnte eine Ursache sein. Aber auch die Zunahme des Stickstoffs in der Luft, die zunehmende Sättigung des Bodens mit Phosphor, die Klimaerwärmung, sowie eine natürliche Dynamik der Pflanzenpopulation können eine Rolle spielen.
Der Klimawandel und die damit zusammenhängende Erderwärmung spielt langfristig mit Sicherheit eine Rolle, denn das Jakobskreuzkraut ist eine wärmeliebende Art, die von den steigenden Temperaturen profitiert. Die in jüngster Vergangenheit beobachtete eher exponentielle Zunahme des Vorkommens vom Jakobskreuzkraut wird aber noch andere Ursachen haben.
Jakobskreuzkraut – Verwechslungsgefahr
Das Jakobskreuzkraut lässt sich leicht mit Pflanzen wie dem Wiesenpippau, dem Johanniskraut, Rainfarn oder dem Barbarakraut verwechseln.
Gerade beim Barbarakraut, der Winterkresse, besteht ein Risiko, da es sich um eine valide Heil- und Gewürzpflanze handelt, die als solche auch gerne gesammelt wird. Beide wachsen auf Brachflächen, haben aber leicht unterschiedliche Ansprüche – Jakobs-Kreuzkraut mag es eher trocken, Winterkresse braucht Feuchtigkeit bis hin zur Sumpfzone.
Fazit
Auch wenn das Jakobskreuzkraut als Medizinpflanze sehr beliebt war, ist dringend davon abzuraten, sie einzunehmen, ob zu medizinischen Zwecken oder aus anderen Gründen. Sie enthält Stoffe, die im Körper eine toxische Wirkung entfalten und zu schweren langfristigen Schäden führen können – zu einer nicht umkehrbaren Degeneration der Leber und vermutlich auch zu Leberkrebs. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Fragen und Antworten zu Pyrrolizidinalkaloiden in Lebensmitteln; Stellungnahme vom 17. Juni 2020, www.bfr.bund.de (abgerufen am 21.05.2021), Bundesinstitut für Risikobewertung
- European Food Safety Authority (EFSA): Scientific opinion on pyrrolizidine alkaloids in food and feed; in: EFSA Journal, Volume 9, Issue 11, 2011 , EFSA/Wiley
- Karl Hiller und andere: Lexikon der Heilpflanzen und Drogen. 2. Band L-Z. Heidelberg. Berlin 1999
- Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (LLUR) gemeinsam mit Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein: Umgang mit dem Jakobs-Kreuzkraut. Meiden – Dulden – Bekämpfen; 2017, www.umweltdaten.landsh.de (abgerufen am 21.05.2021), LandSH
- Universität Bonn: Gefährliche Giftpflanze auf dem Vormarsch. Jakobskreuzkraut kann tödliche Vergiftungen hervorrufen. Pressemitteilung vom 25. August 2009. www.uni-bonn.de (abgerufen am 21.05.2021), Universität Bonn
- Frühwirt, Peter: Das Jakobskreuzkraut. Ein giftiges Kraut beginnt sich auszubreiten. Herausgeber: Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Linz, 2015, lk online
- Arbeitskreis Kreuzkraut e.V., www.ak-kreuzkraut.de (abgerufen am 21.05.2021), AK Kreuzkraut
- Christian-Albrechts-Universität Kiel, AG Geobotanik in Schleswig-Holstein und Hamburg e.V.: Stellungnahme der AG Geobotanik in Schleswig-Holstein und Hamburg e.V. zur Jakobskreuzkraut(JKK)-Problematik, 2015, www.ag-geobotanik.de (abgerufen am 21.05.2021), AG Geobotanik
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.