Die gewöhnliche Küchenschelle ist eine bedrohte heimische Pflanze. Alle Teile dieser Wildblume sind giftig. Die Saponine, Gerbstoffe oder Protoanemonin haben jedoch auch Effekte von großem medizinischen Wert. Selbstversuche sollten wegen der Seltenheit und Toxizität unterbleiben.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Pulsatilla vulgaris
- Volksnamen: Gewöhnliche Küchenschelle, Kuhschelle, diverse regionale Bezeichnungen wie Bisswurz (Schweiz), Hackenkraut, Heuschlafen, Weinkraut (Schlesien), Osterblumen (Eichstädt), Wolfspfote, Wildmannskraut (Moselregion), Klockenblume (Unterweser), Kronblom (Altmark), Gungerose (Stettin), Bitzblume (Sachsen), Arschcucke (Österreich), Mannskraut (Holstein), Schafkraut, Schlottenblumen (im Elsass), historisch Bocksbart und Teufelsbart
- Familie: Hahnenfußgewächse (Ranunculaceae)
- Verbreitung: Mittel- und Westeuropa, von Frankreich über Deutschland bis nach Dänemark und Südschweden, im Osten bis in den Westen Polens.
- Verwendete Pflanzenteile: Historisch das frische und getrocknete Kraut und das Rhizom/der Wurzelstock
- Inhaltsstoffe: Protoanemonin in der frischen Pflanze und Anemonin im getrockneten Kraut, außerdem Gerbstoffe (Tannine), Saponin (Triterpene), Flavonoide, Phenolsäuren und Harze.
- Anwendungsgebiete: Historisch: Erkältungen, Kopfschmerzen, Menstruationsbeschwerden, Angst- und Stresszustände, Augenerkrankungen, Geschwüre, Stimulieren des Harndrangs, Krämpfe, Fördern des Auswurfs bei Verschleimungen der Atemwege
Küchenschelle – Eine Übersicht
- Die Küchenschellen sind als Gattung in Eurasien und Nordamerika weit verbreitet.
- Die zähen Krautpflanzen überwintern in einem Rhizom, dem Wurzelstock, unter der Erde.
- Gewöhnliche Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris) wächst an verschiedenen Standorten, gern in offenen Kiefernwäldern und auf Magerrasen. Meist findet sie sich in Mittelgebirgen an sonnigen Hängen auf Kalkböden. Sie verträgt keine Sommerkühle und reagiert hochempfindlich auf Überdüngung.
- Ab Ostmitteleuropa und dann in Osteuropa tritt Pulsatilla grandis, die Große Küchenschelle, an die Stelle der Gewöhnlichen Küchenschelle. Diese findet sich auch in Bayern und Thüringen. Die dritte deutsche Art der Gattung ist die Wiesen-Kuhschelle (Pulsatilla pratensis).
- Die Gewöhnliche Küchenschelle war 1996 Blume des Jahres. Damit sollte ihre Bedrohung in die Öffentlichkeit kommen.
- Im 18. Jahrhundert wurde Küchenschelle als pflanzliche Medizin in der Behandlung von Erkrankungen des Auges eingesetzt.
- Küchenschelle ist sehr selten und steht unter Naturschutz. Wilde Pflanzen dürfen Sie nicht sammeln!
Inhaltsstoffe
Pulsatilla-Arten weisen reichlich Flavonoide, Gerbstoffe und Saponine auf. Die Gewöhnliche Küchenschelle enthält Protoanemonin in der frischen Pflanze und Anemonin im getrockneten Kraut, außerdem Gerbstoffe (Taninne), Saponin (Triterpene), Flavonoide, Phenolsäuren und Harze.
Küchenschelle – Medizinische Wirkung
Ein polnisches Wissenschaftsteam untersuchte 2019 Extrakte aus Pulsatilla patens und Pulsatilla vulgaris auf ihre Wirkungen gegen Pilze, Mikroben und Malaria. Zusätzlich wurden ihre Effekte gegen Krebslinien bei Säugetieren geprüft und in einer Veröffentlichung festgehalten.
Beide Arten zeigten sich aktiv gegen den Pilz Candida glabrata, der bei Menschen Erkrankungen auslöst. Beide Spezies ließen auf eine generelle Aktivität gegen das Spektrum entwickelter Krebszellen schließen.
Andere Arten der Gattung Pulsatilla sind wesentlich besser hinsichtlich ihrer medizinischen Wirkungen erforscht als die Gewöhnliche Küchenschelle. Bei Pulsatilla vulgaris konzentrieren sich Studien auf ihre Populationsökologie und ihren Lebenszyklus sowie die Molekulargenetik.
Medizinisch wurde sie in neuen Studien kaum beachtet. Das liegt primär daran, dass es sich um eine in der Europäischen Union hoch bedrohte Pflanze handelt.
Triterpensaponine der Art Pulsatella chinensis erwiesen sich als hochwirksam gegen pathogene Pilze, gegen Parasiten und Bakterien.
Die Pflanze wird in China genutzt, um entzündliche Erkrankungen zu behandeln, das prämenstruelle Syndrom und psychosomatische Störungen. Ein Saponin von Pulsatilla koreana dämmte das Wachstum von Krebszellen ein.
Elf aus der Wurzel dieser Art isolierte Saponine zeigten teils starke Effekte gegen Bakterien, Parasiten, Entzündungen, Pilze und Mikroben. Saponine von sechs Pulsatillaarten erwiesen sich nicht nur als wirksam gegen Krebs, sondern stärkten auch das Immunsystem.
Zudem förderten sie die Aktivität der Nerven, bekämpften Mikroben und oxidativen Stress. Da Pulsatilla vulgaris ähnliche Saponine enthält sind vergleichbare Effekte auch bei der Gewöhnlichen Küchenschelle wahrscheinlich. Allerdings unterscheidet sich die Struktur der Triterpen-Saponine bei Pulsatilla vulgaris deutlich von derjenigen verwandter Arten.
Eine neue polnische Studie untersuchte das chemotherapeutische Potenzial der Gewöhnlichen Küchenschelle für 17 verschiedene Krebslinien. Es zeigte sich, dass Pulsatilla vulgaris die Entwicklung von Krebs in den Signalwegen von zwölf Reportergenen hemmt.
Dieses Ergebnis ist vielversprechend, sagt aber noch lange nicht, dass die Gewöhnliche Küchenschelle in der Krebsmedizin eingesetzt werden kann. Um dies zu beurteilen sind, so das beteiligte Wissenschaftsteam, präklinische und klinische Studien nötig, die bisher fehlen.
Zudem bedürfte es toxikologischer Studien mit Extrakten der Pflanze, um ihr Risiko für Zellen, Gewebe, Organe und den Organismus zu bestimmen. Das Problem sei der begrenzte Zugang auf Pulsatilla vulgaris im natürlichen Vorkommen in der Europäischen Union.
Die Gewöhnliche Küchenschelle ist eine Giftpflanze
Gewöhnliche Küchenschelle darf nicht wild gesammelt werden, da die bedrohte Pflanze unter Naturschutz steht. Auch wegen ihrer Giftwirkung sollten Sie von der Idee Abstand nehmen, Pulsatilla vulgaris als Hausmittel zu verwenden.
Alle Teile der Pflanze wirken toxisch. Protoanemonin in der frischen Pflanze reizt Haut und Schleimhäute in hohem Ausmaß. Allein die Pflanze anzufassen kann zu Hautblasen, Verätzungen und Entzündungen führen.
Beim Verzehr des Krauts und des Wurzelstocks sind Nierenentzündungen ebenso möglich wie Beschwerden in Darm und Magen. Bei höherer Dosierung besteht akute Gefahr einer Lähmung des zentralen Nervensystems, und diese kann den Tod herbeiführen.
Getrocknete Pflanzen sind immer noch giftig, aber nicht so stark. Denn das Protoanemonin wandelt sich in das weniger toxische Anemonin.
Bei einer Vergiftung mit Gewöhnlicher Küchenschelle wird versucht, Erbrechen auszulösen. Aktivkohle dient dazu, die Giftstoffe im Magen zu binden. Auch eine Magenspülung, eine Elektrolytsubstitution und – wenn notwendig – eine künstliche Beatmung gehören zu den ärztlichen Maßnahmen.
Was sind Saponine?
Saponine, auch Seifenstoffe genannt, dienen Pflanzen dazu, Schädlinge abzuwehren, besonders Pilze. Die Seifenstoffe beeinflussen Sterine in den Zellmembranen der Pilze, sorgen dafür, dass Flüssigkeit die Membran durchdringt und der Pilz auf diese Art abstirbt.
Auf viele Wirbellose wirken Saponine als Gift. Chemikalisch sind Seifenstoffe Zuckerverbindungen.
Sie bilden einen Ring (Aglykon) und formen mit Zuckerketten eine Glykosidstruktur. Diese ist bei den jeweiligen Pflanzen unterschiedlich strukturiert.
In der Medizin spielen Saponine eine Rolle, da die bioaktiven Effekte oft auch beim Menschen wirken. So helfen Saponine gegen Bakterien und Pilze, die den menschlichen Organismus schädigen.
Sie finden sich in Mitteln gegen Husten und Verschleimungen, da Seifenstoffe Schleim verflüssigen und beim Abhusten helfen. Zugleich wirken sie antientzündlich und helfen so bei Entzündungen der Atemwege gleich doppelt.
Saponine regen auch den Harnfluss an. Saponine sind natürliche Antibiotika. Laut einem deutschen Review sind Saponine besonders interessant, um Komponenten in der Krebstherapie zu gewinnen.
Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass Pflanzen mit reichlich Saponinen wie Küchenschellen auch für Menschen giftig sind. In größeren Mengen konsumiert können Saponine beim Menschen Entzündungen nicht heilen, sondern sogar verursachen.
Küchenschelle in Medizingeschichte und Volksmedizin
Küchenschellen wurden in der Antike und im Mittelalter vielfältig als Heilmittel genutzt. Der Arzt Hippokrates nutzte sie gegen Angstzustände und um die Menstruation zu fördern, also für Beschwerden, gegen die verwandte Arten in Ostasien noch heute eingesetzt werden.
In der Volksmedizin wurden die frischen Blätter, der Saft oder der aufgeschnittene Wurzelstock auf Hautgeschwüre gelegt, gegen Ekzeme eingesetzt, auch gegen Insektenstiche und auf infizierte Wunden. Der Wiener Arzt Ferdinand Bernhard Vietz sah 1804 in der Küchenschelle eine Medizin gegen Verhärtungen und Geschwüre.
Die nachgewiesenen Wirkungen von Pulsatilla-Arten gegen Bakterien, Pilze und Mikroben lassen Effekte gegen entzündliche Erkrankungen der Haut plausibel erscheinen. Zudem war indessen vermutlich auch die starke Reizwirkung ein Grund, sie als Mittel gegen Geschwüre einzusetzen.
Die assoziativen Vorstellungen in Mittelalter und früher Neuzeit gingen davon aus, dass „Ähnliches sich mit Ähnlichem“ bekämpfen lässt.
Küchenschelle in Mythos und Aberglauben
Indessen zeigen mythische Fantasien über die Küchenschelle, dass es „im Volk“ eine Vorstellung darüber gab, dass sie gefährlich war. So hieß sie Teufelsbart oder Bocksbart, und die Stelle, wo sie wuchs, sollte den Ort kennzeichnen, an dem eine fliegende Hexe abgeschossen worden war.
Der Name Küchenschelle stammt nicht von der Küche, sondern ist die Verniedlichungsform von Kuhschelle. Schelle bezieht sich auf die „Glockenform“ der Blüte, die sich im Wind bewegt.
Wo ist die Küchenschelle verbreitet?
Die Gewöhnliche Küchenschelle braucht kalkhaltigen Boden und ist vor allem in Mittelgebirgen mit Kalk und Kalkschiefer verbreitet. In Deutschland besiedelt sie heute ein Gebiet von der Schwäbischen Alb bis in die Eifel und nach Thüringen.
In Norddeutschland ist sie hingegen fast ausgestorben. Hier ist sie nur noch in Inselvorkommen wie im Wendland vorhanden.
Eine bedrohte Art
Die Gewöhnliche Küchenschelle ist stark bedroht und steht unter Naturschutz. Ihr natürlicher Lebensraum wurde durch die moderne Landwirtschaft weitgehend zerstört.
Magerrasen, auf denen sie wächst, waren in der traditionellen Weidewirtschaft in Deutschland häufig zu finden. Heute gibt es sie nur noch in Resten, die oft mühsam durch Naturschützende erhalten werden.
Die Düngung durch die industrielle Landwirtschaft und die Umwandlung von Weiden in Äcker ließen die Magerrasen schrumpfen. Ein weiteres Problem der Gewöhnlichen Küchenschelle ist ihre Neigung zu Wärmezonen.
Sie verträgt keine kalten Sommer und wächst bevorzugt an offenen Hängen, die von der Sonne beschienen werden. Gerade solche Regionen sind in Mitteleuropa besonders dicht besiedelt, was zum Verlust des Lebensraums führt. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Grażyna Łaska, Aneta Sienkiewicz, Marcin Stocki et al.: Phytochemical screening of Pulsatilla species and investigation of their biological activities; in: Acta Societatis Botanicorum Poloniae, Volume 88, Issue 1, 2019, pbsociety.org.pl
- Grażyna Laska, Elwira Sieniawska, Magdalena Maciejewska-Turska et al.: Pulsatilla vulgaris Inhibits Cancer Proliferation in Signaling Pathways of 12 Reporter Genes; in: International Journal of Molecular Science, Volume 24, Issue 2, Seite 1139, 2023, mdpi.com
- Mayank Thakur, Matthias F. Melzig, Alexander Weng et al.: Chemistry and pharmacology of saponins: Special focus on cytotoxic properties; in: Botanics Targets and Therapys, Volume 2011, Issue 1, Seiten 19-29, dovepress.com
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