Das ebenso schöne wie giftige Maiglöckchen liefert Herzglykoside: Ähnlich wie der Fingerhut, aber in schwächerer Konzentration. Historisch wurde es gegen Herzbeschwerden eingesetzt. Die Konzentration der ebenso toxischen wie medizinisch effektiven Inhaltsstoffe schwankt sehr stark: Wegen des enormen Risikos, sich zu schädigen, wird Maiglöckchen nur noch in genau dosierten Fertigpräparaten genutzt.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Convallaria majalis
- Volksnamen: Maiblume, Maililie, Chaldron, Faldron, Herrenblümli, Augenkraut, Schillerlilie, Schneetropfen, Faltrianblume, Marienglöckchen, Springauf, Zauke, Talblume, Niesekraut, Maieriesli
- Familie: Spargelgewächse (Asparagaceae)
- Verbreitung: fast im gesamten Europa und weiten Teilen Asiens
- Verwendete Pflanzenteile: historisch die Blätter und Blüten; heute werden Stoffe aus Maiglöckchen nur als Fertigpräparat eingesetzt.
- Inhaltsstoffe: herzwirksame Glykoside, wie Convallatoxin, Convallosid, Convallatoxol, Desglucocheirotoxol, Lokundjosid und Desglucocheirotoxin; Asparagin, Flavonoide, Saponine
- Anwendungsgebiete: historisch vor allem bei Herzbeschwerden (Herzschwäche), aber auch bei niedrigem Blutdruck, Wassersucht (Wassereinlagerungen), Ohnmacht, Schwindel, Lähmungen oder Gedächtnisschwäche; heute nur noch selten bei Herzschwäche (keine Selbstmedikation!) und als Diuretikum.
Maiglöckchen – Eine Übersicht
- Bereits das Berühren von Blättern, Blüten, Beeren oder Wurzeln der Maiglöckchen führt zu einer Reaktion auf die enthaltenen Giftstoffe, wie etwa Juckreiz und einem Röten der Haut.
- Das Maiglöckchen ähnelt dem in der Küche beliebten Bärlauch. Beim Sammeln sollten Sie deshalb genau auf die Unterschiede achten. Das beste Merkmal ist der knoblauchartige Geruch des Bärlauchs (Blätter), den das Maiglöckchen nicht aufweist.
- Der Gattungsname Convallaria bedeutet „Talkessel“ und bezieht sich auf den natürlichen Standort des Maiglöckchens. Das sind bewaldete Täler und allgemein Laub- und Mischwälder mit frischem humusreichem Boden.
- Maiglöckchen ist eine der beliebtesten Gartenpflanzen. Die weißen Blüten führten zu positiven Assoziationen wie „Glöckchen“ oder „Schneetröpfchen“. Der Duft der Blüten ist lieblich / süßlich, und auch die tiefgrünen Blätter haben eine eigene Ästhetik.
- Maiglöckchen enthalten ähnlich wie der Fingerhut Glykoside, die die Herzleistung steigern.
- Die in der Natur vorkommenden Maiglöckchen dürfen grundsätzlich nicht gepflückt werden; eine Ausnahme stellt die „Handstraußregelung“.
- Wegen der Giftigkeit findet Maiglöckchen kaum mehr Anwendung in der Schul- und Volksmedizin. Nur noch selten und richtig dosiert wird es als pflanzliches Arzneimittel verwendet, außerdem in extremer Verdünnung in der Homöopathie.
- Wissenschaftliche Studien lassen auf Effekte von Glykosiden im Maiglöckchen gegen bestimmte Krebsformen und Arteriosklerose (Arterienverkalkung) schließen. Weitergehende Untersuchungen hierzu fehlen bislang.
Convallaria majalis – Inhaltsstoffe
Maiglöckchen enthalten in Blättern, Blüten und Wurzeln herzwirksame Glykoside, die sogenannten Convallariaglykoside. Unter anderem sind dies: Convallatoxin, Convallosid, Convallatoxol, Desglucocheirotoxol, Lokundjosid und Desglucocheirotoxin. Außerdem enthalten sie Flavonoide, Saponine und Asparagin.
Medizinische Wirkungen
Inhaltsstoffe im Maiglöckchen lösen einen Brechreiz aus und wirken stark abführend. Sie treiben den Harn, lösen Krämpfe und steigern die Schlagkraft des Herzens. Einige dieser Wirkungen stellen auch gleichzeitig frühe Vergiftungssymptome dar.
Kräuter und Wurzel des Maiglöckchens haben sich einem Review von 2012 zufolge, als (ergänzendes) pflanzliches Arzneimittel als nützlich erwiesen bei Herzrhythmusstörungen und Kurzatmung sowie bei einer systolischen Herzinsuffizienz und bei Erkrankungen der Herzmuskulatur, in denen das Muskelgewebe an Leistungsfähigkeit verliert.
Trotzdem werden Maiglöckchen als Arzneimittel allgemein als ungeeignet angesehen und die Anwendung ist weitestgehend obsolet. Hier wird meist auf besser dosierbare Digitalis-Glykoside zurückgegriffen.
Eine Studie von 2017 sah bestimmte steroidale Glykoside aus Maiglöckchen als potenzielles Mittel gegen Lungenkrebs, weitere Untersuchungen sind aber notwendig.
Eine andere Studie (2021) kam zu dem Ergebnis, dass Covallatoxin gegen Arteriosklerose wirken kann.
Wie wirken Convallaria-Glykoside?
Die Herzglykoside des Maiglöckchens, wie sie ganz ähnlich auch im Fingerhut (Digitalis pupurea, Digitalis-Glykoside) vorkommen, steigern die Herzleistung indem die Kontraktionskraft erhöht wird. Zugleich lassen sie über das zentrale Nervensystem und einer gehemmten Reizweiterleitung die Herzfrequenz sinken. Dadurch verringern sich die Anzahl der Herzschläge, das Herz schlägt langsamer. Sie helfen darüber hinaus gegen Herzarrhythmien.
Die Glykoside bewirken einen Anstieg des intrazellulären Natriumspiegels in den Herzzellen, was sich direkt auf den Natrium-Kalzium-Austausch auswirkt. Kalzium bleibt vermehrt in den Zellen und sorgt dafür, dass sich die Fähigkeit des Herzens zu schlagen erhöht.
Außerdem wird durch Herzglykoside die Durchblutung der Nieren gefördert, was entwässernd wirkt und das Herz entlastet.
Ein Problem aller Herzglykoside ist ihre kritisch kleine therapeutische Breite: Zu geringe Dosierungen lassen den Effekt ausbleiben, und kleinste Überdosierungen führen zu schweren Vergiftungen, auch bis hin zum Tod.
Herzglykoside werden deshalb nur unter genauester Dosierung und strenger fachärztlicher Kontrolle verabreicht. Bei ersten Anzeichen einer Vergiftung wird die Therapie sofort abgebrochen. Zu diesen Symptomen zählen: Störungen des Herzrhythmus und des Darms sowie Irritationen von Nerven.
Maiglöckchen in der Medizingeschichte
Maiglöckchen wurden über Jahrhunderte in der Volksmedizin gegen Herzerkrankungen eingesetzt. Sie enthalten in Wurzeln, Stängeln, Blättern, Beeren und Blüten Glykoside. Die höchste Konzentration dieser herzwirksamen Stoffe befindet sich in den Blüten.
Des Rote Fingerhut mit seinen Digitalis-Glykosiden hat dann im Laufe der Zeit das Maiglöckchen als Arzneipflanze verdrängt. Das aus dem Fingerhut gewonnene Digoxin wurde eine wichtige Arznei gegen Vorhofflimmern.
Was kennzeichnet Convallaria majalis?
Maiglöckchen werden bis zu 25 Zentimeter hoch. Im Frühling erscheinen die länglichen, lanzettförmigen, sattgrünen Blätter. Die Blattoberseiten glänzen intensiv. Die Blätter durchziehen auffällige Blattadern, die sich in Bogenform ausbreiten.
An den Blütenstielen bilden sich zehn oder mehr weiße Blüten in Glockenform. Sie duften stark und sind wichtige Nahrung für Insekten. Im Juli entwickeln sich leuchtend rote Früchte.
Maiglöckchen von Bärlauch unterscheiden
Bärlauch lässt sich leicht mit Maiglöckchen verwechseln. Dies ist problematisch, da Bärlauch sehr gerne als Küchenkraut genutzt und gesammelt wird und Maiglöckchenblätter in größeren Mengen schwere Vergiftungen auslösen.
Besonders die Blätter ähneln sich: Wie Maiglöckchen hat auch der Bärlauch ovale dunkelgrüne Blätter und außerhalb der Blüte lässt sich leicht danebengreifen: Bärlauch und Maiglöckchen wachsen beide in Laubwäldern.
Der Geruch ist das beste Merkmal, um giftige Maiglöckchen und ungiftigen Bärlauch zu unterscheiden. Wenn Sie Bärlauchblätter zwischen den Fingern zerreiben, riecht es nach Knoblauch. Zudem hat der Bärlauch eine matte Blattunterseite, bei Maiglöckchen glänzt diese. Bärlauchblätter haben jeweils einen Stiel, bei Maiglöckchen wachsen an einem Stiel immer zwei Blätter.
Bei beiden Wildpflanzen gilt der allgemeine Artenschutz, das heißt sie dürfen grundsätzlich nicht gepflückt werden; eine Ausnahme stellt die „Handstraußregelung“ dar. Beim Bärlauch sollte man nur für den eigen Verzehr sammeln und je Pflanze nur ein oder wenige Blätter entfernen. In Schutzgebieten ist das entnehmen von wilden Pflanzen, Tieren und Pilzen besonders geregelt.
Wie giftig sind Maiglöckchen?
Die gesamte Pflanze enthält Giftstoffe: Blätter, Blüten, Stängel, Früchte und Wurzeln. Am stärksten konzentriert sich das Gift in den Blättern, Blüten und Früchten.
Die duftenden Blüten und die leuchtend roten Früchte schrecken nicht ab, sondern reizen zum Ausprobieren. Wenn Sie Maiglöckchen im Garten haben, sollten Sie Kinder frühzeitig über die Giftigkeit von Maiglöckchen aufklären.
Das Gift wirkt meist schon nach wenigen Stunden. Werden keine Gegenmaßnahmen getroffen, kann es – abhängig von der Dosis – auch zu einem späteren Zeitpunkt zu Vergiftungserscheinungen kommen: schwere Atemnot, Kreislaufversagen und Tod können im schlimmsten Fall die Folge sein.
Hauptgiftstoff ist Concallotoxin. Eine veterinärmedizinische Studie (2021) erläutert: Das Gift verursacht Vergiftungen bei Menschen und Tieren. Es führt zu einem hyperkoagulablen Zustand. Dieser Fachbegriff bedeutet eine erhöhte Gerinnbarkeit des Blutes.
Eine normale Blutgerinnung stoppt Blutungen und leitet einen Prozess der Heilung ein. Eine erhöhte Blutgerinnung kann hingegen Arterien und Venen blockieren. Mögliche Folgen sind ein Schlaganfall oder eine Venenthrombose (siehe auch Nierenvenenthrombose).
Weitere toxische Stoffe im Maiglöckchen sind zum Beispiel Convallatoxol, Convallosid und Desglucocheirotoxin. Bei Hautkontakt können Reizungen der Haut, der Schleimhäute und der Augen auftreten.
Beim versehentlichen Verzehr zeigt sich eine Vergiftung durch Schwindel, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen sowie Beklemmungsgefühle in der Brust.
Volksmedizinische Anwendungen als Brech- und Abführmittel basieren also auf (leichten) Vergiftungssymptomen. Ein Verzehr von größeren Mengen an Maiglöckchen kann zu Störungen des Herzrhythmus führen.
Welche Maßnahmen wirken der Vergiftung entgegen
Bei dem Verdacht einer Vergiftung ohne schwere Symptomatik sollten Sie sich dennoch ärztlich untersuchen lassen oder den Giftnotruf anrufen. Bei schweren Symptomen ist sofort ein Notarzt unter 112 zu verständigen.
Bei Hautkontakt waschen Sie sich bitte gründlich die Hände, bei Augenkontakt reinigen Sie die Augen mit klarem Wasser. Beim Verzehr spucken Sie die Reste aus, die sich noch im Mund befinden und spülen Mund und Rachen intensiv mit Wasser aus. Trinken Sie viel Wasser.
Heute wird aus medizinischer Sicht davon abgeraten, Erbrechen auszulösen. Es gibt nur wenige Vergiftungsfälle, bei denen eine schnelle Magenentleerung hilfreich ist. Hingegen kann das Auslösen von Erbrechen auch andere negative Folgen haben.
Wirksam ist hingegen in Wasser aufgelöste Aktivkohle, die die Giftstoffe im Magen bindet. Die giftigen Substanzen werden später durch den Stuhl ausgeschieden, ohne dem Körper zu schaden.
Bei schweren Vergiftungen hilft die Intensivmedizin mit Kochsalzlösungen sowie Medikamenten, die die Atmung anregen und den Herzrhythmus ausgleichen. Solche Maßnahmen sind bei Maiglöckchen-Vergiftungen jedoch meist nicht nötig.
Maiglöckchen kaufen
Rhizome von Maiglöckchen werden in der Regel ab Ende März angeboten. Im Garten können Sie auf folgendes achten, um den Pflanzen das geeignete Habitat zu bieten: Maiglöckchen gedeihen gut auf einem feuchten, warmen und humusreichen Boden. Pralle Sonne ist nichts für diese Waldpflanze – Schatten und Halbschatten sind für Maiglöckchen hingegen gute Standortfaktoren.
Ideal sind Plätze unter Sträuchern und lichten Laubbäumen. Wenn Sie das Laub nicht entfernen, hat sich dort bereits reichlich Humus gebildet. Um Humus in ärmere Gartenerde einzuarbeiten, bietet sich bei dieser Waldstaude organischer Gartenkompost an. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Volker Fintelmann, Rudolf Fritz Weiss: Lehrbuch der Phytotherapie, Stuttgart, 2005
- Karl Hiller; Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Erster Band A bis K, Heidelberg-Berlin, 1999
- Mami Marimoto, Kohei Tatsumi, Katsuya Yuui, et al.: Convallatoxin, the primary cardiac glycoside in lily of the valley (Convallaria majalis), induces tissue factor expression in endothelial cell, in: Veterinary Medicine and Science, Volume 7, Issue 6, Seiten 2440-2444, 2021, Wiley
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- Elfrune Wendelberger: Heilpflanzen. Erkennen, sammeln, anwenden. München / Wien / Zürich, 2003
- Max Wichtl: Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage, Stuttgart, 2008
- Yi Zhang, Xiujin Shi, Jialun Han, et al.: Convallatoxin Promotes M2 Macrophage Polarization to Attenuate Atherosclerosis Through PPARγ-Integrin αvβ5Signaling Pathway, in: Dovepress, Volume 2021, Seiten 803-812, 2021, Dovepress
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