Die Blüten dieser Pflanze werden wegen ihrer Schönheit gerühmt, medizinisch interessiert jedoch die Zwiebel. Diese wurde als Herzmittel verwendet, aber wegen ihrer geringen therapeutischen Breite durch isolierte Herzglykoside (und genau dosierte Fertigpräparate) ersetzt.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Drimia maritima
- Volksnamen: Weiße Meerzwiebel
- Familie: Spargelgewächse (Asparagaceae)
- Verbreitung: Mittelmeerraum (Marokko, Algerien, Tunesien, Südfrankreich, Portugal, Spanien, Italien), Kanarische Inseln (Tenerifa), in USA, Indien und Pakistan kultiviert
- Verwendete Pflanzenteile: Die mittleren Teile der nach der Blüte geernteten Zwiebel
- Inhaltsstoffe: Zwölf Herzglykoside, darunter Scillaren A, Proscillaridin A, Glucoscillaren A, Flavonoide (besonders Anthocyane), Eugenol und Carvacrol
- Anwendungsgebiete (historisch und in der Volksmedizin der Herkunftsländer): Herzinsuffizienz, Hautleiden, Entzündungen, Atemwegserkrankungen, Rheuma, Gelenkschmerzen, Diuretikum
- Hinweis: Sämtliche Bestandteile der Pflanze sind giftig. Nähere Informationen dazu finden Sie im Abschnitt „Nebenwirkungen und Vergiftungen“.
Meerzwiebel – Eine Übersicht
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- Die medizinisch wirksamen Stoffe sind Herzglykoside. Heute spielt die Pflanze hierzulande kaum noch eine Rolle als Arznei, da reines Proscillaridin eingesetzt wird.
- Alle Teile der Pflanze sind giftig. Historisch diente die Meerzwiebel als Rattengift.
- Ätherische Öle wie Eugenol und Carvacrol in Zwiebeln und Kraut wirken stark gegen Mikroben.
- Die Glykoside, Anthocyane und Schleimstoffe stärken das Herz, treiben den Harn und wirken Zellschädigungen entgegen.
- Verglichen mit dem Digitalisglykosid Digitoxin wirkt Scillaren A rapider und intensiver, reichert sich aber nur wenig an.
- Die Wirkungen der Meerzwiebel waren schon im „Papyrus Ebers“ des antiken Ägyptens bekannt.
- Die Giftigkeit ist rund um das Mittelmeer seit Jahrtausenden bekannt, dennoch war und ist die Meerzwiebel in den Herkunftsländern eine begehrte Medizinpflanze.
Meerzwiebel – Inhaltsstoffe
Meerzwiebel enthält zwölf Herzglykoside, darunter Scillaren A, Proscillaridin A, Glucoscillaren A, sowie Flavonoide (besonders Anthocyane). Eine tunesische Studie fand heraus, dass die Hauptstoffe im ätherischen Öl Eugenol und Carcarol sind.
Medizinische Wirkung
Die Meerzwiebel ist in Deutschland wegen der herzwirksamen, aber auch hochgiftigen Stoffe nicht als traditionelles Arzneimittel anerkannt. Die Zwiebeln werden in den Herkunftsländern eingesetzt gegen Hautleiden, Gelenkbeschwerden, Epilepsie und Krebs.
Laut einem südafrikanischen Review sind biologische Effekte belegt gegen Tumore, Bakterien, schädliche Zellveränderungen. Außerdem gegen Entzündungen.
Die Hauptstoffe im ätherischen Öl, Eugenol und Cavacrol, haben nachgewiesene Effekte gegen Mikroben wie Bakterien und Pilze. Die Herzglykoside zeigen isoliert ein Potenzial gegen Krebs, besonders gegen Brustkarzinome.
Antioxidative Effekte von Meerzwiebel
Laut einer algerischen Studie ist bei den ätherischen Ölen in der Meerzwiebel eine außerordentliche Wirkung bewiesen gegen Oxidationsprozesse. Diese können schädliche Zellveränderungen, Krebs und Erkrankungen des Blutkreislaufs auslösen.
Starke antioxidative Effekte seien bei Meerzwiebel-Extrakten auf der Basis von Methanol, Benzen, Ethanol und Aceton belegt. Das algerische Wissenschaftsteam schloss, dass Meerzwiebel genutzt werden könne als mögliche Quelle für antioxidative phenolische Komponenten.
Anwendungen in Medizingeschichte und Volksmedizin
In der Medizingeschichte und Volksmedizin ist die Meerzwiebel eine oft genutzte und häufig erwähnte Heilpflanze. Bereits die antiken Ägypterinnen und Ägypter kannten sie vor 3500 Jahren.
Der griechisch-römische Arzt Dioskurides setzte sie im ersten Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung ein – und zwar gegen Asthma. Im Mittelalter Europas betrachtete der Universalgelehrte Albertus Magnus sie dann als ein Mittel, um die Menstruation zu fördern.
Belegt ist in der Medizingeschichte der Einsatz gegen Erkrankungen der oberen Atemwege. Darunter Asthma, chronische Bronchitis, Husten und Heiserkeit.
Zudem gegen entzündliche Erkrankungen der Leber wie Hepatitis, gegen Entzündungen der Nieren, des Magens und des Darms. Gegen Erkrankungen der Blase, der ableitenden Harnwege, gegen Nieren- und Harngries wurde Meerzwiebel ebenso geschätzt wie gegen Tumore in der Milz und gegen Gicht.
Meerzwiebel gegen Herzinsuffizienz und Nierenschwäche
Erst in der Neuzeit wurde sie dann als Mittel gegen Herzschwäche eingesetzt. Bis in das 20. Jahrhundert wurde Meerzwiebel gegen leichte bis mittelschwere Herzinsuffizienz genutzt. Sie galt als besonders geeignet, wenn die Herzinsuffizienz mit einer Nierenschwäche einherging.
Denn die Meerzwiebel beschleunigt den Herzschlag und fördert den Harntrieb. In Großbritannien, im Mittelmeerraum und in Indien waren Zubereitungen aus der weißen Meerzwiebel und anderen Arten der Gattung als Arznei gegen Herzerkrankungen weit verbreitet.
Weitere traditionelle Anwendungen
Zudem diente die Pflanze auch dazu, Atemwegserkrankungen zu behandeln und wurde äußerlich auf Brandwunden und vielerlei Hautleiden aufgetragen. In Griechenland gelten Seifen mit Olivenöl und Meerzwiebel als Mittel, um den Haarwuchs zu stärken.
Weitere traditionelle Anwendungen betrafen Blasenleiden und Kopfschmerzen, Unfruchtbarkeit und entzündete Gelenke. Dabei wurden die Zwiebeln durch den Mund eingenommen, aber der Sud auch äußerlich aufgetragen.
So wurden und werden Hautinfektionen, Ekzeme, Hautgeschwüre und schlecht heilende Hautwunden mit einem flüssigen Auszug der Zwiebel gewaschen. Zudem werden Tücher im Sud getränkt und als Umschlag um die jeweilige Körperstelle gewickelt.
Säuberungen mit dem Sud der Meerzwiebel haben außerdem in Kulturen rings um das Mittelmeer einen rituellen Charakter. Sie sind in Zeremonien eingebunden, die die körperliche und geistige Reinheit ermöglichen sollen.
Nebenwirkungen und Vergiftungen
Alle Herzglykoside haben eine sehr kleine (und riskante) therapeutische Breite. Winzige Überdosierungen lösen bereits schwere Vergiftungen aus und können zum Tod führen.
Minimale Unterdosierungen sorgen hingegen dafür, dass es keinen medizinischen Effekt gibt. Deshalb werden heute, wo es die technischen Möglichkeiten dazu gibt, Herzglykoside wenn möglich isoliert verabreicht und genau dosiert und kontrolliert.
Schon beim Auftreten erster Vergiftungserscheinungen müssen diese Glykoside sofort abgesetzt werden! Dazu zählen Herzrhythmusstörungen, Darmirritationen oder Nervenbeschwerden.
Eine zu hohe Dosis führt erst zu Brennen im Mund bei oraler Aufnahmen, Erbrechen, Koliken mit extremen Schmerzen, zu Durchfall und Sehstörungen. Vor allem aber sind Störungen des Herzrhythmus eine typische Folge.
Meerzwiebel sollte – wenn überhaupt – nur in Absprache mit und unter Kontrolle von medizinischen Fachkräften eingenommen werden. Auf keinen Fall dürfen Schwangere und Stillende sie konsumieren.
Unbedingt verzichten müssen Sie auf die Anwendung von Meerzwiebel, wenn Sie zugleich Digitalis-Herzglykoside zu sich nehmen. Der Doppeleffekt ist schnell tödlich. Auch bei einem Kaliummangel sollten Sie keine Meerzwiebel nutzen.
Bei Nierenfunktionsstörungen kann Meerzwiebel ebenfalls schnell gefährlich werden. Denn ihre entwässernde Wirkung kann jetzt dazu führen, dass die Niere nicht mehr in der Lage ist, genug Flüssigkeit auszuscheiden.
Das erhöht den Druck in den Blutgefäßen und belastet das Herz. Bei einem erhöhten Kalziumspiegel dürfen Sie keine Herzglykoside zu sich nehmen, da dieser den Kalziumlevel nach oben treibt.
Auch bei Fehlfunktionen der Reizleitungen des Herzens dürfen Sie keine Herzglykoside konsumieren.
Die traditionelle Anwendung gegen Darmentzündungen und Magenentzündung sollte ebenfalls unterbleiben. Meerzwiebel kann solche Erkrankungen nämlich fördern oder sogar selbst auslösen.
Wie wirken Herzglykoside?
Herzglykoside beeinflussen die Herzschlagfrequenz. Sie können den Herzschlag bei einer Herzinsuffizienz senken, indem sie die Herzleistung steigern.
Sie bremsen den Natrium-Kalium-Austausch in den Herzmuskeln und sorgen so dafür, dass mehr Natrium im Herzen bleibt. Bei einer Herzinsuffizienz kann das den Natriumspiegel innerhalb und außerhalb des Herzens ausgleichen.
Das überschüssige Kalium wird jetzt in das sarkoplasmatische Retikulum der Herzmuskelzellen transportiert. Kalium ist notwendig, damit die Muskelbewegung den Herzschlag auslöst, und dem Herz steht durch die Wirkung der Herzglykoside mehr Kalium zur Verfügung.
Herzglykoside helfen auch, wenn der Herzschlag unregelmäßig ist und gleichen ihn aus. Sie stimulieren die Nervenbahnen des zehnten Hirnnervs.
Herzglykoside gegen Herzschwäche
Herzglykoside erhöhen also die Leistung und Geschwindigkeit der Herzkontraktionen. Sie können die Herzfrequenz senken und die Erregungsleitung verlangsamen, verstärken aber zugleich die Erregbarkeit der Kammermuskeln.
Aus diesen Gründen wirken sie einer Herzinsuffizienz entgegen. Denn bei dieser sinkt die Pumpleistung des Herzens. Jeder Herzschlag kostet den Körper also viel mehr Energie als bei einem gesunden Herz.
Da das Herz weniger pumpt als normalerweise, fließt das Blut langsamer in den Körper. Das Herz kann nicht mehr genug Sauerstoff liefern, den der Organismus braucht – und auch Nährstoffe fehlen.
Dadurch verlieren die Betroffenen an körperlicher Leistungsfähigkeit. Spaziergänge und Treppensteigen belasten sie jetzt enorm.
Eine Behandlung mit Herzglykosiden kann aber immer nur ein Teil der Therapie einer Herzinsuffizienz sein. Auch das eigene Verhalten ist wichtig.
Dazu gehört für Betroffene: Vermeiden Sie negativen Stress und lernen dazu falls nötig Entspannungstechniken. Schlafen Sie nachts ausreichend, legen Sie zwischendurch Pausen ein, gehen Sie im Wald spazieren. Das alles unterstützt die Arbeit des Herzens. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Karl Hiller; Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen in zwei Bänden. Erster Band A bis K. Heidelberg-Berlin, 1999
- Thomas Karow, Ruth Lang-Roth: Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 2005 Madira Coutlyne Manganyi, Gothusaone Simon Tlatsana, Given Thato Mokoroane; et al.: Bulbous Plants Drimia: “A Thin Line between Poisonous and Healing Compounds” with Biological Activities; in: Pharmaceutics, Volume 13, Issue 9, 2021, mdpi.com
- Wolf-Dieter Müller-Jahncke: Arzneimittelgeschichte, Stuttgart, 2005
- Abir Rezzagui, Abderrahmane Senator, Soumia Benbrinis; et al.: Free Radical Scavenging Activity, Reducing Power and Anti-Hemolytic Capacity of Algerian Drimia maritima Baker Flower Extracts, Volume 10, Issue 4, 2020, jddtonline.info
- Yosra Tahri, Imed Koubaa, Doniyez Frikha; et al.: Chemical Investigation and Biological Valorization of Two Essential Oils Newly Extracted from Different Parts of Drimia maritima; in: Journal of Essential Oil Bearing Plants, Volume 23, Issue 5, Seiten 1022-1034, 2020, tandfonline.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.