Mutterkraut ist seit der Antike als Heilpflanze bekannt. Traditionell diente es dazu, Frauenleiden zu behandeln, und daher rührt auch der Name. In der Moderne rückte eine vorbeugende Wirkung dieses „Aspirins der frühen Neuzeit“ in den Fokus – nämlich gegen Migräne. Heutige Studien sehen das „Jungfernkraut“ sogar als Kandidat, um neuartige Arzneien gegen Leukämie zu entwickeln.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Tanacetum parthenium
- Volksnamen: Bocksblum, Breselkraut, Mägedeblum, Magdblume, Metter / Metern / Meter, Metterich, Meidblumen, Sonnenauge, Jungfernkraut, Fieberkraut, Matram, Mutterkamille, Falsche Kamille, Zierkamille
- Familie: Korbblütler (Asteraceae)
- Verbreitung: Ursprünglich Osten des Mittelmeers, Türkei, Kaukasus, Krim, Balkan / Südosteuropa. In Mitteleuropa seit Jahrtausenden nachgewiesen, als Neophyt in Nordafrika, den Amerikas, Neuseeland, Hawaii und Australien
- Verwendete Pflanzenteile: Das Arzneimittel Mutterkraut sind die getrockneten oberirdischen Teile von Tanacetum parthenium.
- Inhaltsstoffe: Ätherische Öle und Cumarin: Campher, Camphen, Chrysanthenyacetat, Alpha-Pinen, Beta-Pinen, Alpha-Thujen, Alpha-Phellandren, Alpha-Terpinen, Pinocarvon, Borneol, Alpha-Terpineol, Myrtenal, Carvacrol und Eugenol, diverse Flavonoide, zum Beispiel Quercetin
- Anwendungsgebiete: Migräne, Kopfschmerzen, Darmparasiten, Magenbeschwerden, Stress, Krebsvorsorge, Entzündungen, Rheuma und Arthritis
Mutterkraut – ein Überblick
- Mutterkraut bezeichnet nicht nur Tanacetum parthenium, sondern volkstümlich auch eine Reihe anderer Pflanzen, die gegen Frauenleiden oder zur Abtreibung eingesetzt wurden, zum Beispiel Mutterwurz (Alpen-Mutterwurz, Adonis-Mutterwurz et cetera).
- Der Artname „parthenium“ bedeutet auf Griechisch „Jungfrau“ und spiegelt sich im Volksnamen „Jungfernkraut“.
- Die Pflanze wächst wild auf Schutthalden, an Wegrändern, Mauern und Zäunen, in Gärten und im Brachland. Heute wird sie global angebaut.
- Mutterkraut wurde für ein sehr weites Spektrum von Beschwerden genutzt, von Fieber (englisch „feverfew“) über Wurmbefall bis hin zu Kopfschmerzen. Manche der zugeschriebenen Wirkungen sind wissenschaftlich belegt, viele andere – zumindest bislang – nicht.
- Dioskurides, ein griechischer Arzt aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, erwähnte Mutterkraut als Mittel gegen „heiße Entzündungen“. Die christliche Heilerin Hildegard von Bingen sah es im Mittelalter als Arznei gegen Frauenleiden und innere Schmerzen an.
- Mutterkraut ist bekannt als „Aspirin des 18. Jahrhunderts.“ Der britische Apotheker John Hill schrieb 1772 über die Pflanze: „Beim schlimmsten Kopfschmerz übersteigt dieses Kraut alles, was man sonst kennt.“
- Noch heute wird Tanacetum parthenium gegen Migräne eingesetzt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse sind jedoch durchwachsen. So behindert Mutterkraut zwar vermutlich die biochemischen Prozesse, die Entzündungen in Gang setzen, welche den Migräneschmerz verursachen – die Effekte des Krauts bei einem ausgebrochenen Migräneschub sind jedoch relativ gering.
- Mutterkraut sieht Echter Kamille (Matricaria chamomilla) sehr ähnlich, deswegen heißt die Pflanze auch „Falsche Kamille“. Der lateinische Name der Echten Kamille leitet sich wiederum von „matrix“ ab, was Gebärmutter bedeutet. „Echte“ wie „falsche“ Kamille dienten in der Volksmedizin als Mittel gegen Frauenleiden.
Tanacetum parthenium – Inhaltsstoffe
Die oberirdischen Teile der Pflanze enthalten zwischen einem halben und 0,9 Prozent ätherisches Öl. Dieses besteht vor allem aus Campher (rund 56,9 Prozent), Camphen (rund 12,7 Prozent) und Chrysanthenyacetat.
Tanacetum parthenium kennzeichnet ein intensiver Geruch nach Campher. Das liegt an dessen hohen Anteil im ätherischen Öl der Pflanze. Hinzu kommen, laut einem Review der bestehenden Forschung durch iranische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unter anderem Alpha-Pinen, Beta-Pinen, Alpha-Thujen, Alpha-Phellandren, Alpha-Terpinen, Pinocarvon, Borneol, Alpha-Terpineol, Myrtenal, Carvacrol und Eugenol. Aus der Wurzel der Pflanze wurde das Cumarin Isofraxidin isoliert.
Mutterkraut – Parthenolid
Mutterkraut ist mit bis zu zwei Prozent reich an Sesquiterpenlactonen. Diese Stoffe dienen Pflanzen dazu, schädliche Mikroben wie Bakterien und Pilze sowie Parasiten wie Würmer abzuwehren. Bei Menschen sind solche Stoffe bekannt als antitumoral, antirheumatisch und antimikrobiell.
Zu den 35 identifizierten Sesquiterpenlactonen aus fünf verschiedenen Gruppen im Mutterkraut zählt das Parthenolid, das nach der Pflanze benannt ist und im Fokus der medizinischen Forschung zu Tanacetum parthenium steht. Sesquiterpenlactone sind in Blättern und Blütenköpfen am stärksten konzentriert, während sich die Sterole und Triterpene besonders in der Wurzel sammeln. Parthenolid stellt im Kurzätherextrakt aus der Pflanze einen Anteil von bis zu einem Prozent.
Mutterkraut – Flavonoide
Mutterkraut enthält diverse Flavonoide. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die für die Pflanzenfarben sorgen und die Pflanzen vor schädlichen Einflüssen schützen. Da manche dieser Schutzeffekte auch im menschlichen Körper wirken, spielen Pflanzen, die bestimmte Flavonoide enthalten, eine wichtige Rolle in der Phytomedizin, laut einem von der Universität Cambridge veröffentlichten Überblick. Zu den Flavonoiden im Mutterkraut zählen: Mehrere Formen des Hydroxykaempferols, Quercetin, Apigenin, Luteolin, Chrysoeriol, Santin, Jaciedin und Centaureidin.
Medizinische Wirkung
Präparate aus Mutterkraut zeigten im Versuch bioaktive Effekte mit medizinischer Bedeutung. So bremsten sie Entzündungen (beziehungsweise biochemische Prozesse, die zu Entzündungen führen) und hemmten die Blutgerinnung. Sie minderten ein zu hohes Freisetzen des „Glückshormons“ Serotonin.
Spezifische medizinische Effekte des Mutterkrauts werden, so vermuten Forschende, vor allem durch das Parthenolid ausgelöst. Da dieses als Extrakt aus Mutterkraut in Prozesse eingreift, die zum „Entzündungssystem“ gehören, lässt sich eine positive Wirkung gegen Migräne und Arthritis erklären – denn beides sind entzündliche Erkrankungen.
Flavonoide, die Mutterkraut in Hülle und Fülle bietet, wirken ebenfalls gegen Entzündungen und zudem antioxidativ: Sie verhindern das überschüssige Ansammeln freier Sauerstoffradikale, welche die Zellen schädigen und so mitspielen beim Entstehen von Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das im Mutterkraut enthaltene Quercetin ist zum Beispiel ein solches Antioxidans.
Blätter des Mutterkrauts können Migräneanfälle mindern, wenn Sie diese über Wochen hinweg zur Prävention einnehmen. Traditionell werden sie als Tee getrunken, um die Verdauung zu fördern und nervöse Zustände zu beruhigen, was durch belegte Effekte vorhandener Stoffe plausibel ist: Alpha-Pinen zum Beispiel wirkt vermutlich sedativ und beruhigend.
Mutterkraut war und ist zudem ein Hausmittel gegen Darmparasiten, um Insekten abzuwehren und entzündete Wunden zu heilen – alles Wirkungen, die die moderne Medizin bei Monoterpenen, Flavonoiden und ätherischen Ölen nachgewiesen hat. Extrakte der Pflanze dämmen das Ausschütten von Enzymen in entzündeten Gelenken und haben wahrscheinlich in der Haut einen ähnlichen Effekt. Das erklärt die traditionelle Anwendung des Krauts gegen Gelenkrheuma und Hauterkrankungen wie Schuppenflechte.
Parthenolide (beziehungsweise Extrakte aus dem Kraut) hemmen das Bilden von Prostaglandinen und das Freisetzen von Serotonin aus den Blutplättchen. Diese Eigenschaft lässt sich möglicherweise nutzen, um neue Arzneien gegen Blutkrebs zu entwickeln, so erörterten österreichische Forschende in der Österreichischen Apothekenkammer.
Parthenolid hat ein großes Potenzial, um Unfallopfer zu behandeln, da es die Regeneration eines verletzten Ischiasnervs beschleunigt und zudem die Qualität der Behandlung verbessert. Die Blüten und Blätter, beziehungsweise die darin enthaltenen Flavonoide und Sesquiterpenlactone, stillen Schmerzen und senken Fieber – die Volksmedizin setzte sie ein gegen Fiebererkrankungen, Erkältungen und Arthritis.
Mutterkraut löst Krämpfe bei Koliken und ist ein Abführmittel. Es stimuliert den Uterus, was erklärt, warum es als Mittel galt, um abzutreiben. Aus diesem Grund sollte es nicht während der Schwangerschaft eingesetzt werden. Belegt ist, laut dem Update eines systematischen Reviews, eine lindernde Wirkung bei akuten neuropathischen und entzündlichen Schmerzen.
Eine im Fachmagazin Blood 2005 veröffentlichte Studie zeigt: Parthenolide und ähnliche Laktone zeigen deutliche Wirkungen gegen mehrere menschliche Krebsformen, nämlich gegen Kehlkopfkarzinome, gegen Zellmutationen, die das Simian-Virus verursacht, und gegen Krebs im Nasenrachenraum.
Mutterkraut gegen Migräne
Ein systematischer Review der bestehenden Forschung kam 2011 zu folgendem Schluss: Vorhandene Studien zur Wirkung des Mutterkrauts gegen Migräne wurden mit relativ wenig Teilnehmenden durchgeführt und zeigen keine einheitlichen Ergebnisse. Starke Effekte gehen aus ihnen nicht hervor: Zwar sinkt die Zahl der Migräneanfälle bei Einnahme von Mutterkraut etwas stärker als bei Einnahme eines Placebos, lindert aber nicht die Schmerzen der Attacken oder deren Dauer.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie sieht Mutterkraut als Migräneprophylaxe zweiter Wahl (wie auch Pestwurz, Magnesium, Vitamin B2 oder Acetylsalicylsäure). Mittel der ersten Wahl sind demnach Popranolol, Metoprolol, Flumarizin, Valproinsäure und Topiramat.
Mutterkraut in der Volksmedizin
Die Volksmedizin setzt(e) Mutterkraut besonders bei Frauenleiden ein, die mit Krämpfen verbunden sind. Hier dient es dazu, die Periode zu regulieren. Die Vielfalt weiterer Anwendungen der Pflanze als Hausmittel umfasst unter anderem: Übelkeit und Erbrechen, Nierenschmerzen, Erschöpfung, Asthma, Schuppenflechte, Krämpfe, Husten und Erkältungen, Zahnschmerzen, Würmer, Hautparasiten (Milben, Flöhe) und Abwehr von Insekten.
Die christliche Heilerin Hildegard von Bingen (1098-1179) sah im Mutterkraut ein Mittel gegen Schmerzen in den Eingeweiden, mit Kuhbutter gemischt als Salbe gegen stechende Schmerzen und gegen Schmerzen während der Menstruation.
Toxische Wirkungen
Mutterkraut ist unter den Korbblütlern der wichtigste Verursacher einer durch die Luft verbreiteten Kontaktdermatitis, einer allergiebedingten Entzündung der Haut. Dabei ist eine Kreuzallergie mit anderen Kreuzblütlern häufig, die davon Betroffenen reagieren neben Mutterkraut auch allergisch auf Rainfarn, Sonnenblume, Margerite oder Schafgarbe. Auch Kreuzallergien mit nicht näher verwandten Arten wie Echtem Lorbeer gibt es.
Wechselwirkungen
Mutterkraut schränkt die Aktivität der Blutplättchen ein und wirkt so als Blutverdünner. Deswegen sollten Sie es nicht einnehmen, beziehungsweise die Einnahme mit Ihrem Arzt / Ihrer Ärztin besprechen, wenn Sie andere Blutverdünner konsumieren (wie Aspirin oder Warfarin). Die Wirkungen der Substanzen können sich gegenseitig verstärken.
Verträglichkeit
Mutterkraut-Extrakte gelten generell als sicher und gut verträglich, so die Europäische Arzneimittel-Agentur. Am häufigsten ließen sich Beschwerden im Magen-Darm-Trakt und den Atemwegen als unerwünschte Nebenwirkungen beobachten. Diese treten aber selten auf.
Mutterkraut kaufen
In Deutschland lässt sich derzeit kein zugelassenes Arzneimittel mit Mutterkraut beziehungsweise isoliertem Parthenolid kaufen. In der Schweiz ist das Präparat Arkocaps Partenelle zu erwerben, in Großbritannien ist Mutterkrautextrakt käuflich unter dem Namen MigraHerb.
Mutterkraut-Tee
Für einen Mutterkraut-Tee ernten Sie das Kraut kurz vor der Blüte im Sommer. Testen Sie bitte vorher, ob Sie an einer Allergie gegen Korbblütler leiden. Sie trocknen die Pflanzen in Bündeln mit den Blüten nach unten an einem trockenen und kühlen Ort – auf dem Dachboden, in einer Scheune oder in einem Keller.
Ob die Kräuter trocken genug sind, um sie in Gefäßen zu lagern, erkennen Sie am Rascheln. Das trockene Kraut lagern Sie in Behältern aus Glas, Papier oder Keramik. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.: Leitlinien-Detailansicht - Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. (abgerufen am 16.11.2021), AWMF online
- European Medicines Agency: Community herbal monograph on Tanacetum parthenium (L.) Schulz Bip., herba, 2010 (abgerufen am 16.11.2021), EMA
- Edzard Ernst, Max H. Pittler: The efficacy and safety of feverfew (Tanacetum parthenium L.): an update of a systematic review; in: Public Health Nutrition, Volume 3, Seiten 509-514, 2007, Cambridge University Press
- Akram Ghantous, Ansam Sinjab, Zdenko Herceg et al.: Parthenolide: from plant shoots to cancer roots; in: Drug Discovery today, Volume 18, Issue 17-18, Seiten 894-905, 2013, ScienceDirect
- Monica L. Guzman, Randall M. Rossi, Lilliana Karnischky et al.: The sesquiterpene lactone parthenolide induces apoptosis of human acute myelogenous leukemia stem and cells; in: Blood, Volume 105, Issue 11, Seiten 4163–4169, 2005, ASH PUBLICATIONS
- Brigitte Kopp, Hermann Stuppner, Rudolf Bauer et al.: Arzneipflanze 2017 Pharmazeutische Nutzung und ihre Bedeutung in der Medizin; in: Herbal Medicine Products Platform Austria, Presseinformation 15. Februar 2017, Apomedica
- Archana N. Panche, A. D. Diwan, S.R. Chandra et al.: Flavonoids; an overview; in: Journal of Nutritional Science, Volume 5, 2016, Cambridge University Press
- Farzaneh Pourianezhad, Sara Tahmasebi, Vahid Abdusi et al.: Review on feverfew, a valuable medicinal plant; in: Journal of Herbmed Pharmacology, Volume 5, Issue 2, Seiten 45-49, 2016, JHP
Wichtiger Hinweis:
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