Myrrhe, das Öl und Harz der Myrrhensträucher, ist eine der ältesten bekannten Heilpflanzen, war in der Antike von Mythen umwoben und diente als Rauchwerk in religiösen Ritualen. Wie der verwandte Weihrauch wirkt dieses Harz nicht nur medizinisch, sondern ist auch wegen seines Duftes beliebt.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Commiphora (besonders Commiphora myrrha)
- Volksnamen: Myrre (überholt)
- Familie: Balsambaumgewächse (Burseraceae)
- Verbreitung: Somalia (Commiphora myrrha), Südarabien / Jemen (Commiphora simplifolia) und Äthiopien (Commiphora habessinica)
- Verwendete Pflanzenteile: Das aromatische Gummiharz
- Inhaltsstoffe: Beta-Carotin, Folsäure, Vitamin C, Vitamin K, und Mineralstoffe wie Calcium, Kalium, Eisen und Magnesium
- Anwendungsgebiete: Entzündungen in Mund und Rachen, äußere Wunden, Magen-Darm-Beschwerden, Hauterkrankungen, generell infektiöse Leiden
Myrrhe – eine Übersicht
- Die „Länder von Weihrauch und Myrrhe“ machten das Königreich Saba reich, das im heutigen Jemen lag. Wie die Seidenstraßen von China ans Mittelmeer gab es auch eine „Weihrauch- und Myrrhestraße“, die vom Süden Arabiens und dem Horn von Afrika durch die arabische Wüste in den heutigen Iran, nach Ägypten, nach Syrien und Kleinasien führte.
- Myrrhe stammt meist von Commiphora myrrha, wird aber auch aus anderen Arten der Gattung gewonnen.
- Die „heiligen drei Könige / Magier“, die in der Bibel das Jesuskind begrüßen, bringen Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke mit, was belegt, welche Bedeutung Myrrhe damals hatte.
- Das Harz bildet sich in der Rinde des Myrrhenstrauches und fließt als Gummiharz aus. Es lässt sich wie Kautschuk ernten, indem man die Rinde einschneidet. Das zähflüssige Harz erstarrt an der Luft zu festen Stücken von rotbrauner Farbe. Diese tragen den Namen „Tränen“.
- Das Harz wird direkt nach der Regenzeit gesammelt, dann ist es am reichlichsten vorhanden.
- Myrrhe diente zum Räuchern, als Parfüm, zu Heilzwecken, zum Einbalsamieren von Leichen und als Geschmacksstoff in Lebensmitteln. Im alten Ägypten diente Myrrhe als Mittel gegen Heuschnupfen und Herpes, im antiken Griechenland trugen Soldaten das Harz mit sich, um in der Schlacht erlittene Wunden zu behandeln. Im alten Persien sollte es den Uterus stimulieren und Abtreibungen auslösen.
- Handelsübliche Myrrhe stammt meist aus dem Jemen, Somalia, Eritrea und dem Sudan.
- Der Name Myrrhe leitet sich ab vom arabischen Wort „murr“ (hebräisch: mor, aramäsich: mirio), und das bedeutet „bitter“. Myrrhe schmeckt bitter und süß zugleich. Myrrheöl ist bekannt für seinen „warmen“ Duft und Geschmack, der sich als erdig, holzig und bittersüß beschreiben lässt.
Inhaltsstoffe
Myrrhe ist ein Gummiharz, dessen Komponenten sich zum Teil in Alkohol lösen lassen: Diterpen- und Triterpensäuren. Der Duft entsteht durch ätherisches Öl. Zwei Prozent bis zehn Prozent der Bestandteile sind dieses ätherisches Öl, das vor allem aus Sesquiterpenen besteht. Das Harz enthält Phenole, Triterpene, Proteine und Schleime. 30 Prozent bis 60 Prozent macht wasserlösliches Gummen aus (Gummistoffe).
Wirkung
Myrrhe desinfiziert, zieht zusammen, hemmt Entzündungen, stillt Schmerzen, tötet Keime ab und fördert die Wundheilung. Östlich des Mittelmeers ist Myrrhe kulturübergreifend ein traditionelles Schmerzmittel.
Das Harz dient dazu, das Immunsystem zu stärken, Hauterkrankungen, Schwellungen und Prellungen zu behandeln sowie Infektionen in Mund und Rachen zu heilen – das duftende Öl hilft dort auch gegen Mundgeruch. Seit mehreren tausend Jahren wird Myrrhe eingesetzt, um Wunden zu säubern. Pharmakologische Studien unserer Zeit bestätigen viele dieser Effekte.
Es gibt Hinweise, dass Myrrhe gegen bleiverursachte Vergiftungen der Leber hilft, indem sie die antioxidativen Prozesse fördert und die Immunabwehr stimuliert. Heute wird Myrrhe auch genutzt, um schmerzhafte Krämpfe im Darm zu lindern und als Mittel gegen Reizdarm und entzündliche Darmerkrankungen.
Aktuelle Studien zeigen eine deutliche Wirkung von Myrrheextrakten gegen verschiedene potenziell pathogene Bakterienstämme.
Eine Studie von 2010 aus Saudi Arabien kommt zu folgendem Ergebnis: Die Menge an weißen Blutkörperchen bei der Behandlung mit Myrrhe lässt vermuten, dass das Harz / Öl sich direkt auf die Prozesse auswirkt, die die Leukozyten aktivieren – in der effektiven Phase der Wundheilung, wenn das Immunsystem auf die Verletzung reagiert.
Myrrhe ist als effektives Mittel gegen entzündliche Erkrankungen bekannt, aber die Wirkmechanismen werden erst in jüngerer Zeit erforscht. Eine chinesische Studie von 2015 zeigte deutliche Effekte gegen induzierte Arthritis bei Ratten.
Die offiziellen Kommissionen Deutschlands und der EU (Kommission E, ESCOP, HMPC) sowie die Weltgesundheitsorganisation erkennen Myrrhe als traditionelles pflanzliches Arzneimittel an und sehen die Wirkung als erwiesen an für folgende Behandlungen: Entzündungen des Zahnfleischs und der Mundschleimhaut, ergänzend bei Entzündungen der Rachenschleimhaut und der Mandeln (ESCOP), zur lokalen Therapie leichter Entzündungen der Schleimhäute in Zahnfleisch, Mund und Rachen sowie bei Druckstellen von Prothesen.
Medizinische Anwendungen
Myrrhe wird äußerlich als Spülung oder Pinselung eingesetzt bei folgenden Beschwerden: Entzündungen im Mund- und Rachenraum, Aphthen, Druckstellen durch Prothesen, Zahnfleischentzündung sowie Halsentzündungen/Halsschmerzen. Bei Reizdarm, Darmentzündungen und Verdauungsproblemen wird Myrrheextrakt innerlich als Fertigpräparat eingenommen.
Myrrhetinkturen gibt es in Apotheken zu kaufen. Als Spülung für Mund und Rachen können Sie fünf Milliliter davon in einem Glas Wasser lösen und gurgeln. Bei entzündeten Stellen im Mund (Aphthen) können Sie die Tinktur direkt mit einem Wattestäbchen auftragen.
Für Hautentzündungen und Hauterkrankungen eignen sich Cremes / Salben, die das Balsambaumgewächs enthalten. In der Aromatherapie wird das auf Räucherkohle verglimmende Harz genutzt.
Myrrhetinktur – Gegenanzeigen
Die Wirkstoffe in der Myrrhe können die Wirkung von Blutverdünnern wie Warfarin reduzieren. Sie sollten nicht beides zugleich verwenden. Alkoholkranke dürfen keine Myrrhentinktur auf Alkoholbasis zu sich nehmen.
Es gibt zu wenige Untersuchungen zu Stillzeit und Schwangerschaft, um Myrrhe während dieser Zeit zu empfehlen. Myrrhe kann Kontraktionen des Uterus verstärken und Blutungen der Gebärmutter fördern.
Myrrhe bei Abtreibungen
Myrrhe ist in alten iranischen Medizinbüchern als Mittel vermerkt, um den Uterus zu stimulieren und Abtreibungen einzuleiten. Eine aktuelle Studie der Shiraz University of Medical Sciences untersuchte jetzt, ob die Pflanze sich dazu eignet, unvollständige Abtreibungen zu beenden.
Das Ergebnis war positiv, die Autorinnen und Autoren halten Myrrhe für effektiv und sicher und sehen ein Potenzial, um diese Medizinpflanze einzusetzen, um die Gebärmutter zu stimulieren. Sie betonen zugleich, dass weitere Studien nötig sind, um die dafür verantwortlichen Stoffe in der Pflanze zu erkennen, zu isolieren und medizinisch zu nutzen.
Myrrhe kaufen
Myrrhe (als Harz, Tinktur, Essenz oder Salbe) lässt sich in Apotheken und Drogerien erwerben. In Deutschland im Handel erhältliche Myrrhe stammt meist aus dem Jemen, Eritrea, dem Sudan oder Somalia.
Myrrhe-Pflanze
Myrrhe (Commiphora myrrha) wächst als Strauch bis zu drei Meter hoch. Die Äste bedecken lange spitze Dornen, die Fressfeinde abhalten. Die gelben Blüten wachsen in Rispenform und entwickeln sich zu bitter schmeckenden roten Beeren – Myrrhe leitet sich ab vom Wort für „bitter“.
Myrrhe-Öl
Myrrhe-Öl eignet sich als Duftstoff, als Badezusatz, um Lebensmittel zu verfeinern und in Feuchtigkeitscremes, um Fältchen zu reduzieren, sowie in einem Trägeröl zur Massage.
Myrrhe und Weihrauch
Die Weihrauchstraße war neben der Seidenstraße einer der wichtigsten Handelswege der Antike des Nahen Ostens. Sie führte vom Horn Afrikas und dem Süden Arabiens durch das Innere der Arabischen Halbinsel, nach Alexandria im Westen und Seleukia wie Babylon in Mesopotamien, später nach Bagdad.
Eine Kamelkarawane aus dem Jemen brauchte rund zwei Monate, um Weihrauch und Myrrhe durch Saudi-Arabien (Mekka) und Jordanien (Petra) nach Ägypten (Alexandria) oder Syrien (Damaskus) zu bringen.
Der Balsam der Götter
Im antiken Ägypten war Myrrhe begehrt, um Tote einzubalsamieren. Auch die Juden nutzten Myrrhe in Bestattungsriten.
Myrrhe gehörte zu den Salben, mit denen in Persien Kronprinzen eingerieben wurden, um ihre Königswürde zu bestätigen. Aus dieser Tradition stammt vermutlich auch die Geschichte der drei Magier aus dem Morgenland, die zu Jesus Geburt anreisen, denn Magier waren die Priester der Zoroastrier, die den persischen König der Könige salbten, und das hebräische Wort „Messias“ wie das griechische „Christos“ bedeutet „Gesalbter“.
Die Weisen aus dem Morgenland führen im Neuen Testament Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke für Jesus mit sich. Myrrhe war so kostbar wie Gold. In der Antike galt Myrrhe auch als Liebesmittel: Betten wurden vor dem Geschlechtsakt damit eingerieben und beide Geschlechter nutzten es als Parfüm.
Der griechische Arzt Dioskurides hielt im 1. Jahrhundert nach Christus Myrrhe für eine Arznei gegen Husten, Schmerzen in der Brust sowie Durchfall. Myrrhe wurde in seiner Zeit gegen Heiserkeit, Wurmbefall und Mundgeruch verwendet.
In der arabischen Medizin war sie ein Mittel gegen Darmkrämpfe und andere Erkrankungen des Magen-Darm-Bereichs. Der persische Arzt Abu Sina (Avicenna) widmete der Myrrhe ein langes Kapitel seines Kanons. Er sah sie als Mittel gegen Magen-Darm-Beschwerden, Blähungen, gegen Fäulnis und krankmachende Säfte. Sie sollte gegen Narben ebenso helfen wie gegen Geschwüre und äußere Wunden. Abu Sina meinte, die Myrrhe würde den Magen erweichen.
Im Mittelalter Italiens dienten Pillen aus Myrrhe gegen Schnupfen und Verdauungsprobleme, Wein mit Myrrhe gegen Mundgeruch, zudem gegen Eiter im Verdauungstrakt, gegen faulendes Zahnfleisch und dazu, Wunden zu behandeln. Myrrherauch sollte das Denkvermögen steigern. In die Vagina eingeführt, reinige Myrrhe den Uterus und fördere die Fruchtbarkeit.
Hildegard von Bingen hielt in der „Physica“ Myrrhe für effektiv gegen Zauberei: „(Die Myrrhe) hat die unverderbbare Kraft der Erde und duldet daher keine Windbeutelei (Betrug), sondern verjagt alles Windige, und der Teufel verabscheut sie, weil ihre Natur nicht verderbt werden kann und nie ihre Kraft verliert.“ Weniger religiös war ihre Empfehlung, eine Salbe aus Myrrhe, Aloe vera und Fünffingerkraut gegen Magenschmerzen einzusetzen.
In der frühen Neuzeit Europas findet Myrrhe sich in Kräuterbüchern, zum Beispiel bei dem Frankfurter Arzt Adam Lonitzer. Er hielt die Pflanze für effektiv gegen Würmer, Mundgeruch, Flechten und Zahnfleischentzündungen; Wein mit Myrrhe sollte die Verdauung stärken und den Magen erwärmen; Käsemolke mit Myrrhe sollte den Stuhlgang fördern.
Der Italiener Mattioli (1501-1577) hielt Myrrhe für eine Arznei gegen Husten, Asthma, Seitenschmerzen, Durchfall und Ruhr, gegen Blähungen und Appetitlosigkeit. Johann Schröder empfahl im 17. Jahrhundert Myrrhe bei einer „verstopften Gebärmutter“, zur Abtreibung, gegen Schleim in Lunge und Darm, gegen Heiserkeit, Husten, Geschwüre im Hals, Krämpfe, Würmer, Ruhr, Fieber und Malaria.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert war Myrrhe nach wie vor ein etabliertes Mittel bei Magen- und Verdauungsbeschwerden. In unterschiedlichen Epochen (Antike, Mittelalter, Neuzeit) mit verschiedenen Erklärungen für Krankheiten (Zauber, Körpersäfte, moderne Medizin) blieben also wesentliche Anwendungen der Myrrhe gleich: Gegen Magen-Darm-Beschwerden, gegen Zahnfleischleiden und Mundgeruch, Erkrankungen in Mund und Rachen, allgemein gegen entzündliche Erkrankungen. Nicht nur der traditionelle Einsatz als Heilmittel gegen diese Leiden belegt diese medizinischen Effekte, sondern auch die aktuelle Studienlage. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Haffor Al Said: Effect of myrrh (Commiphora molmol) on leukocyte levels before and during healing from gastric ulcer or skin injury; in: Journal of Immunotoxicology, Volume 7, Issue 1, Seiten 68-75, 2010, Taylor & Francis Online
- European Medicines Agency: Myrrha (abgerufen am 30.11.2021), EUROPEAN MEDICINES AGENCY
- Noha Kali, Sahar Fikry, Osama Salama: Bactericidal activity of Myrrh extracts and two dosage forms against standard bacterial strains and multidrug-resistant clinical isolates with GC/MS profiling; in: AMB Express, Volume 10, Issue 21, 2020, SpringerOpen
- Dieter Martinetz und andere: Weihrauch und Myrrhe. Kulturgeschichte und wirtschaftliche Bedeutung. Botanik, Chemie, Medizin, Stuttgart, 1989
- Christian Rätsch: Enzyklopädie der pychoaktiven Pflanzen. Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendungen. 15. Auflage, Aarau / Schweiz, 2019
- Shulan Su, Jinao Dhan, Ting Chen et al.: Frankincense and myrrh suppress inflammation via regulation of the metabolic profiling and the MAPK signaling pathway; in: Scientific Reports, Volume 5, 2015, scientific reports
- Homeira Vafaei, Sara Ajdari, Kamran Hessani et al.: Efficacy and safety of myrrh in patients with incomplete abortion: a randomized, double-blind, placebo-controlled clinical study; in: BMC Complementary Medicine and Therapies, Volume 20, 2020, BMC
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