Die Gemeine Nachtkerze (Oenothera biennis) zeigt ihre Schönheit nur im Dunklen – ihre gelben Blüten leuchten sogar nur eine einzige Nacht, bevor sie verblühen. Das Öl von Oenothera ist bekannt als Heilmittel gegen Hautbeschwerden wie Ekzeme oder Neurodermitis, soll rheumatische Beschwerden und Arthritis lindern.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief zur Nachtkerze
- Wissenschaftlicher Name: Oenothera biennis
- Familie: Nachtkerzengewächse (Onagraceae)
- Volksnamen: Nachtblume, Abendblume, Eierblume, Schinkenkraut, Schinkenwurz, Stolzer Heinrich, Hustenblume, Süßwurzel
- Verwendete Pflanzenteile: Blätter, Wurzeln, Stängel, Samen und Blüten
- Verbreitung: Ursprünglich Nordamerika, inzwischen vielerorts in Europa, in Gärten und verwildert
- Anwendungsgebiete: Hautleiden, rheumatische Beschwerden, Neurodermitis, Durchfall, Prämenstruelles Syndrom (PMS), Regelschmerzen
Nachtkerze – Die wichtigsten Fakten auf einen Blick
- Oenothera biennis ist eine Pflanze aus der Verwandtschaft der Nachtkerzen.
- Die Blüten öffnen sich in der Dunkelheit und werden von Nachtfaltern bestäubt.
- Die Nachtkerze dient Indigenen Amerikas als Nahrung und Heilpflanze zugleich.
- In Europa hielt sie Einzug in die Bauerngärten, wo sie als besonders stärkendes Gemüse galt.
- Die Wurzeln lassen sich zubereiten wie Steckrüben.
- Nachtkerzenöl findet sich in der Kosmetik in Feuchtigskeitscremes.
- Dem Öl werden Heilwirkungen zugesprochen gegen Asthma bronchiale, Neurodermitis, multiple Sklerose, PMS, Menstruationsbeschwerden, Krebs, Alzheimer, Hautbeschwerden und entzündliche Erkrankungen.
- Wissenschaftliche Studien belegen die antientzündliche Wirkung der in den Samen enthaltenen Gamma-Linolensäure ebenso wie positive Effekte des Nachtkerzenöls gegen Erkrankungen an den Nerven im Rahmen eines Diabetes.
Inhaltsstoffe
Die Gemeine Nachtkerze (auch als Gewöhnliche Nachtkerze bekannt) liefert vor allem die wertvollen Omega-6-Fettsäuren Gamma-Linolensäure und Linolsäure. Hinzu kommen einfach ungesättigte Ölsäure, Gerbstoffe, Lignin, Mineral- wie Schleimstoffe, außerdem Eiweiß, Zellulose und Stärke.
Gamma-Linolensäure ist einer der wichtigsten wirksamen Stoffe in den Samen der Nachtkerze. Die Pflanze gehört zu drei kommerziellen Ressourcen für diese Omega-6-Fettsäure, zusammen mit Schwarzer Johannisbeere (Ribes nigrum) und Borretsch (Borago officinalis). Gamma-Linolensäure findet sich in zehn botanischen Familien.
Nachtkerze – Wirkung
Omega-6-Fettsäuren muss sich der Körper von außen zuführen, da er sie selbst nicht bilden kann. Die Fettsäuren sind wichtig, um die Barriere der Haut zu stärken und somit zu verhindern, dass die Haut austrocknet. Präparate aus der Pflanze sollen zudem
- beruhigen,
- Entzündungen hemmen,
- Krämpfe lösen,
- zusammenziehend (adstringierend) wirken
- und die Verdauung fördern.
Zafar Mehmood, Mohammad Shavez Khan und andere erwähnen in ihrem Beitrag „herb and modern drug interaction“, dass das Öl von Oenothera biennis traditionell genutzt wurde, um Asthma, rheumatoide Arthritis, Beschwerden vor und während der Menstruation sowie verschiedene entzündliche Erkrankungen zu behandeln. Die Gamma-Linolensäure in den Samen sei demnach die Hauptkomponente. Das Öl könnte mit einer Anzahl von Arzneien interagieren, zum Beispiel mit Medikamenten gegen Epilepsie und Psychosen.
Immer wieder gilt Nachtkerzenöl auch als Mittel gegen multiple Sklerose, das Raynaud-Syndrom, Alkoholismus, Psychosen (Schizophrenie), Alzheimer und verschiedene Krebsformen. Valide Studien fehlen allerdings, um solche Wirkungen zu belegen.
Nachtkerze gegen Frauenleiden
Das Öl der Gemeinen Nachtkerze wird oft genutzt, um Frauenleiden wie Brustschmerzen, Wechseljahrbeschwerden und prämenstruelle Symptome zu lindern. Es enthält die Aminosäure Tryptophan und, wie bereits erwähnt, einen ungewöhnlich hohen Anteil an essentiellen Fettsäuren – vor allem Linolsäure und Gamma-Linolensäure.
Bei diesen Fettsäuren handelt es sich um Prostaglandin-Vorläufer. Prostaglandine sind Gewebshormone, die sich beim Menschen vor allem im Sperma finden. Sie rufen Kontraktionen des Uterus hervor, was erklären könnte, warum Nachtkerzenöl traditionell als Mittel bei Menstruationsbeschwerden und dem prämenstruellen Syndrom genutzt wurde.
Laut der Fachärztin für Allgemeinmedizin D. Jill Mallory sind in den USA unter Hebammen Ergänzungsmittel mit Nachtkerzenöl im letzten Monat der Schwangerschaft weit verbreitet – und zwar um die Gebärmutter zu stimulieren und Spätgeburten zu verhindern.
Mallory weist darauf hin, dass es indessen Hinweise darauf gibt, dass die orale Einnahme des Öls während der Schwangerschaft unter anderem mit einem erhöhten Risiko für einen vorzeitigen Blasensprung und eine Saugglockenentbindung (Vakuumextraktion) verbunden sein könnte. Diese Feststellung sei der Autorin zufolge nicht überraschend, da die orale Verabreichung von Nachtkerzenöl zu keiner Zeit eine traditionelle Anwendung dargestellt habe. Um Nutzen wie Schaden von Nachtkerze während der Schwangerschaft zu bestimmen, sind umfassendere Studien notwendig.
Nachtkerze und Nervenerkrankungen
Die in den Samen der Pflanzen reichlich enthaltenen Omega-6 Fettsäuren sind essentielle Komponenten von Myelin und den neuronalen Zellmembranen. Gamma-Linolensäure zeigte positive Ergebnisse bei der Behandlung von Diabetes und könnte geeignet sein, diabetischen Neuropathien vorzubeugen.
Gamma-Linolensäure wird im Körper in Prostaglandin E1 (PGE1) umgewandelt. Dieses hat antientzündliche Effekte, hemmt die Thrombozytenaggregation und erweitert die Gefäße. Bei Patienten mit Diabetes steigt der Level von Prostaglandin E2 und der Spiegel von PGE1 sinkt. Dies führt bei Diabetes zu einem gesteigerten Risiko für Entzündungen, verengten Gefäßen und Thrombozytenaggregation. Nahrungsergänzungen mit Gamma-Linolensäure fördern die Produktion von PGE1.
Zwei randomisierte Studien zeigten positive Effekte von Gamma-Linolensäure bei Neuropathien, wie sie bei Diabetes auftreten. Folglich kann Nachtkerzenöl eine Hilfe sein, um Erkrankungen des peripheren Nervensystems bei Diabetes zu lindern.
Nachtkerzenöl und Neurodermitis
Neurodermitis hängt vermutlich mit einem Mangel an PGE1 zusammen, darauf verweist eine mangelnde Enzymaktivität der Betroffenen bei der Delta-6-Desaturase. Durch die im Nachtkerzenöl vorhandene Gamma-Linolensäure wird dieser Mangel ausgeglichen, und PGE1 kann sich bilden. In der Folge verstärken sich die antientzündlichen Effekte, wodurch wiederum die Symptome der Neurodermitis gelindert werden. Zugleich beugt Nachtkerze der chronisch-entzündlichen Hauterkrankung auch vor, da die Zufuhr der Linolensäure dazu führt, dass ein PGE1-Mangel gar nicht erst entsteht.
Nebenwirkungen
Nachtkerzenöl kann die die Effektivität von chemotherapeutischen Wirkstoffen mindern. Theoretisch könnte der Gebrauch von nichtsteroidalen Medikamenten der Wirkung des Öls entgegenstehen. Vorsicht bei Blutgerinnungshemmern: Wenn Sie diese nutzen, sollten Sie Nachtkerzenöl nur unter strenger Kontrolle einnehmen oder überhaupt nicht.
Oenothera biennis – Wissenswertes
Die Gemeine Nachtkerze wächst bis zu einem Meter hoch und fällt auf durch eiförmige Basisblätter. Ihre Blüten strahlen gelb, zwischen Juni und Oktober. Allerdings erblühen sie nur nachts und meist auch nur eine einzige Nacht – sie verwelken dann bis zum nächsten Mittag. Die vierkantigen Früchte enthalten eine Menge runder Samen, und vor allem diese enthalten das begehrte Öl.
Nachtkerze bevorzugt trockene Böden mit wenig Nährstoffen und viel Kalk. Ursprünglich kommt sie aus Amerika, hat sich aber in Europa als Neophyt weit verbreitet. Hier besiedelt sie besonders geschotterte Bahndämme, Wegränder, Flussufer, Steinbrüche, Kiesbänke, Sandgruben, Industrieanlagen und Ruderalgebiete.
Sammelzeit für Wurzeln, Blätter und Samen
Der Name “Nachtkerze” rührt zwar von den nächtlichen Blüten her, gesammelt werden jedoch Blätter, Wurzeln und Samen. Während sich die Blätter den ganzen Sommer und Frühherbst sammeln lassen, ist die beste Zeit, um Samen zu finden, von August bis Oktober. Die Wurzeln werden am besten im Herbst ausgegraben.
Der Weg nach Europa
Seit circa 1620 gelangte die Nachtkerze von Nordamerika nach Europa – meist ungewollt landeten Samen und Pflanzenteile von ihr im Frachtgut. Hierzulande breitete sie sich vor allem als Gemüsepflanze aus. Verschiedene indigene Völker Nordamerikas nutzten Wurzeln und Blätter als Nahrung wie Medizin zugleich, und ab dem 18. Jahrhundert fand sie auch Anhänger auf dieser Seite des Atlantiks. Sie wurde sogar zu einer derart typischen Pflanze der bäuerlichen Nutzgärten (Bauerngärten), dass sie zahlreiche Volksnamen bekam und vermutlich viele Menschen vergaßen, dass es sich ursprünglich um keine heimische Pflanze handelte.
Volksnamen
Manche der Volksnamen verweisen darauf, dass Nachtkerze als Medizin galt, zum Beispiel hieß sie Hustenblume. Andere verweisen auf ein Gemüse, das sich beim Kochen rötlich „wie Schinken“ färbte (Schinkenkraut oder Schinkenwurz) und eine angenehme Süße hat (Süßwurzel). Eierblume verweist möglicherweise auf die Eiform der Basisblätter, Nachtstern auf die nächtliche Blüte, ebenso Abendblume. Der Name „Stolzer Heinrich“ lässt sich hingegen kaum erklären.
Nachtkerze – Verwendung in der Küche
In traditionellen Rezepten wurden die Wurzeln gekocht, in Wasser oder in Gemüsebrühe. Nachtkerze galt als besonders nahrhaft. Dabei nutzten die Bauern besonders die Wurzeln vom Herbst des ersten Jahres der zweijährigen Pflanze bis zum nächsten Frühjahr. Die Wurzeln lassen sich ähnlich zubereiten wie Pastinaken, Steckrüben oder Schwarzwurzeln. Sie lassen sich auch in Scheiben schneiden und mit Essig und Öl als Salat anmachen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ghasemnezhad, Azim: Investigations on the effects of harvest methods and storage conditions on yield, quality and germination of evening primrose (Oenothera biennis L.) seeds, Justus-Liebig-Universität Gießen, Dissertation, 2007, Deutsche Nationalbibliothek
- Mallory, D. Jill: Chapter 53: Postdates pregnancy. In: Rakel, David (Hrsg.): Integrative Medicine (fourth edition), Elsevier, 2017
- Sunil, T. Pai: Chapter 13: Peripheral Neuropathy. In: Rakel, David (Hrsg.): Integrative Medicine (fourth edition), Elsevier, 2017
- Zafar Mehmood, Mohammad Shavez Khan et al.: Chapter 18: Herb and modern drug interactions. In: Mohd Sajjad Ahmad Khan, Iqbal Ahmad, Debprasad Chattopadhyay (Hrsg.): New Look to Phytomedicine - Advancements in Herbal Products as Novel Drug Leads, Academic Press, 2018
- Timoszuk, Magdalena; Bielawska, Katarzyna; Skrzydlewska, Elżbieta: Evening Primrose (Oenothera biennis) Biological Activity Dependent on Chemical Composition, in: Antioxidants (Basel), 14;7 (8), August 2018, PMC
- Sampath, Harini; Ntambi, James M.: The role of fatty acid desaturases in epidermal metabolism, in: Dermato-Endocrinology, 3(2): 62-64, April-Juni 2011, PMC
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Wichtiger Hinweis:
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