Neem (auch Niem) gehört in der indischen Heilkunde zu den am meisten genutzten Pflanzen. Das aus ihm gewonnene Öl eignet sich unter anderem, um Kopfläuse und Milben zu bekämpfen. Auch gegen Entzündungen und Hauterkrankungen zeigt es Wirkung.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Azadirachta indica
- Volksnamen: Neem, Niem, Nim, Nimba, Indischer Flieder, Margosa
- Familie: Mahagonigewächse (Meliaceae)
- Verbreitung: Tropen und Subtropen, ursprünglich aus dem nördlichen Südostasien, durch den Menschen weit verbreitet in Asien (z.B. Indien, Pakistan, Bruma, Iran), Afrika, Australien, auf den Inseln im Pazifik und Amerika
- Verwendete Pflanzenteile: Rinde, Blätter, Zweige, Früchte, Samen und Öl
- Inhaltsstoffe: Triterpenoide und Limonoide wie Azadirachtin, Salannin und Nimbin, Polyphenole und Flavonoide (Quercetin), Isoprenoide (auch Bitterstoffe), Schwefelverbindungen, Polysaccharide
- Anwendungsgebiete: Vor allem in Indien wird Neem in der traditionellen Medizin angewandt, unter anderem gegen Hautkrankheiten wie Akne und Ekzeme. Weiterhin wird Neem angewandt gegen Kopfläuse, Milben und andere Ektoparasiten, gegen verschiedene Bakterien und Mikroben sowie bei Entzündungen (auch im Zahn- und Mundbereich). Auch Anwendungen bei Diabetes und Krebs sind bekannt. Neem kommt in verschiedenen Hautpflegeprodukten, Shampoos und Pflanzenschutzmitteln zum Einsatz.
Neem – Eine Übersicht
- Das Neemöl wirkt bei der Pflanze als Abwehrstoff gegen Pflanzenschädlinge, wie Blattläuse, ist aber ungefährlich für Marienkäfer und Bienen. Für Säugetiere sind die Stoffe harmlos.
- Mit Wasser verdünntes Neemöl wird auch auf andere Pflanzen gesprüht, die mit Schädlingen befallen sind, oder ins Gießwasser gemischt.
- Neempulver wird mit Wasser vermengt und auf die Kopfhaut aufgetragen, um die Haare zu pflegen. Als Tiershampoo pflegt es nicht nur die Haare von Katzen und Hunden, sondern hält auch Fellparasiten fern.
- In der indischen Mythologie ist der Neembaum die Heimat der Göttin Sitala, die Pocken und andere Krankheiten heilen soll. Außerdem gilt der Baum eine Pflanze des Glücks und der Heilung.
- Neem gilt in Indien als Allheilmittel. Viele der ihm zugeschriebenen Wirkungen sind durch nachgewiesene Effekte seiner Inhaltsstoffe gegen Entzündungen, Bakterien / Mikroben und infektiöse Parasiten wissenschaftlich belegt oder zumindest plausibel. Bei anderen Anwendungen fehlt bisher noch Evidenz.
- Alle Teile des Neembaums werden in der in der traditionellen Medizin und modernen Naturheilkunde bei Menschen und Tieren sowie als Pflanzenschutz genutzt.
Neembaum – Inhaltsstoffe
Neem enthält in den verschiedenen Pflanzenteilen eine Vielzahl an medizinisch wirksamen Inhaltsstoffen, wie Isoprenoide (auch Bitterstoffe), Triterpenoide, Polyphenole,Flavonoide (Quercetin), Schwefelverbindungen und Polysaccharide.
Zu den Triterpenoiden und Limonoiden gehören unter anderem Azadirachtin, Salannin als auch Nimbin (sowie Nimbidin, Nimbinin, Nimbolide), welches in allen Pflanzenteilen des Neembaums und im Neemöl vorkommt. Nimbin ist neben Azadirachtin und Salannin wesentlich für biologischen Aktivitäten des Neemöls.
Neemöl – Medizinische Wirkungen
Neemsamen werden zu Öl gepresst, und dieses hat eine nachgewiesene Wirkung gegen Bakterien, Insekten und wirbellose Parasiten. Gegen Milben wirkt die Substanz Azadirachtin, denn dieses stört die Chitinsynthese.
Der Panzer von Milben und Insekten besteht zu einem wichtigen Anteil aus Chitin. Wenn die Tiere diesen nicht herstellen können, können die Larven sich nicht häuten und verpuppen. Da Säugetiere aber kein Chitin synthetisieren und benötigen ist Neemöl diesbezüglich für Menschen und Haustiere wie Hunde oder Katzen ungefährlich. Bei Menschen und in der Tiermedizin wird Azadirachtin erfolgreich eingesetzt gegen Parasiten wie Milben oder Kopfläuse.
Neemöl und verschiedene Pflanzenteile weisen aufgrund der Vielzahl an bioaktiven Inhaltsstoffen unter anderem auch entzündungshemmende, antibakterielle, antimikrobielle und antioxidative Eigenschaften auf.
Neem wird in der traditionellen Medizin sowie in der modernen Naturheilkunde eingesetzt.
Medizinische Anwendungen
Neemöl wird in der indischen Medizin innerlich wie äußerlich eingesetzt – innerhalb eines breiten Spektrums. Dieses reicht von chronischen Hauterkrankungen, über Geschwüre, Ekzeme und Akne, bis zu Wurmbefall, rheumatischen Beschwerden, Fieber, Lepra und sogar als Verhütungsmittel.
Gegen Hautbeschwerden wie Akne, Ekzeme oder juckenden Ausschlag werden warme Bäder mit Neemblättern genommen. Für ein solches Bad werden die Neemblätter zuvor einen Tag in Wasser eingeweicht und das Wasser dann dem Badewasser hinzugefügt.
Eine Studie (2021) befasste sich näher mit dem Einsatz von Neem zur Behandlung von Hauterkrankungen und bestätigte dessen therapeutisch wirksamen Einsatz. Erwiesene Eigenschaften, unter anderem gegen Entzündungen, Mikroben und freie Radikale, rechtfertigen die Verwendung dieser Heilpflanze zur Hauttherapie.
Viele Aktivstoffe der Neemblätter sind in Wasser und Alkohol löslich, und aus den Blättern lässt sich einfach ein Tee oder eine Tinktur herstellen. Neemtee ist in Indien weit verbreitet. Die Blätter werden auch gekaut oder getrocknet zu Pulver zermahlen. Der Tee wird allgemein zur Stärkung getrunken, aber auch bei akuten Infektionen der Atemwege, bei Erkältungen, Husten oder Asthma bronchiale. Dazu wird auch der Dampf inhaliert.
Ein Review von 2016 aus Indien hält außerdem fest: die Inhaltsstoffe der Neemblätter spielen eine wichtige Rolle, um freie Radikale zu bekämpfen und die Entstehung von Krankheiten zu hemmen.
Laut einer indischen Studie von 2011 zeigte ein Methanolextrakt der Blätter zum Beispiel auch gute Wirkungen gegen die Bakterien Proteus vulgaris und Micrococcus luteus. Beide Bakterien lösen aber nur selten Erkrankungen bei Menschen aus.
Neem wirkt gegen Staphylococcus aureus
Für die Humanmedizin wesentlich interessanter sind die Ergebnisse einer brasilianischen Studie von 2015. Die zeigte, dass ein Ethanolextrakt aus Neemblättern Bakterien vom Typ Staphylococcus aureus eindämmte und deutliche Effekte gegen den parasitischen Wurm Schistosoma mansoni zeigte.
Staphylococcus aureus ist ein häufiger Erreger der häufig tödlichen endenden Sepsis. Hierbei gelangen die Erreger in die Blutbahn und das Immunsystem gerät außer Kontrolle. Da manche Stämme dieser Bakterien gegen die bekannten Antibiotika resistent sind, hat der Einsatz neuer Wirkstoffe große Bedeutung.
Eine neueres Review (2020) greift diese Studie auf und fasst außerdem weitere erwiesene Wirkungen von Neemextrakten zusammen: vom Insektenschutzmittel bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln, zur Bekämpfung von Entzündungen, zur Kontrolle von Diabetes und sogar zur Bekämpfung von Krebs.
Neemzweige als Zahnbürsten
In Indien werden Neemzweige, Neemrinde und Neempulver auch zur Zahnpflege benutzt. Die gekauten Zweige dienen als Zahnbürste und Zahnpasta zugleich. Die Zahnärztin Julia Platzen kommt in ihrer Dissertation (2016) zu folgendem Schluss: „Die in vitro Studien, die sich mit Azadirachta indica als möglichen Wirkstoff zum Einsatz in der Zahnheilkunde befassen, kommen nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Sie sind aber insgesamt vielversprechend und bestätigen größtenteils die in anderen Bereichen der Medizin bereits weitreichender untersuchte antibakterielle Wirkung.“
Neemfrüchte und Neemsamen
In den Herkunftsländern werden auch die Samen und Früchte selbst genutzt. Sie dienen der Heilkunde und nicht als Nahrungsmittel, denn Neem schmeckt sehr bitter. Das Fruchtfleisch gilt in Indien als Mittel gegen Diabetes. Wenige Samen werden nach dem Essen gekaut, um die Verdauung anzuregen und Bakterien im Mund abzutöten.
Neempulver für die Haare
Pulver aus getrockneten und zermahlenen Neemblättern ist ein Mittel, um Haut und Haare zu pflegen. Es wirkt gegen Schuppen und hilft gegen fettige Kopfhaut. Das Pulver stärkt den Haarschaft und die Haarwurzeln.
Für eine Anwendung werden rund 50 bis 100 Gramm des Pulvers mit heißem Wasser zu einer Paste vermengt und auf die Kopfhaut sowie die Haarwurzeln aufgetragen und danach einmassiert. Dann wird das Haar abgedeckt, und die Paste nach einer Dreiviertelstunde ausgewaschen.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen
Genrell gilt Neemöl und Neemextrakt bei nicht zu hoher Dosierung über Zeiträume bis zu zwei Wochen als medizinisch sicher. Allerdings wird vor unsachgemäß und nicht standardisiert hergestellten Präparaten gewarnt, die zu gesundheitlichen Schäden (unter anderem der Leber und Niere) führen können.
Neemöl besitzt biologisch hoch aktive Stoffe, und diese können allergische Reaktionen auslösen. Sie sollten deshalb Neemöl immer zuerst an einer kleinen Stelle der Haut ausprobieren und beobachten, ob die Stelle sich rötet, juckt oder anschwillt. Wenn dies der Fall ist, dann sollten Sie auf eine Anwendung verzichten.
Wenn Sie an einer Autoimmunerkrankung leiden, holen Sie sich zuvor ärztlichen Rat ein, ob Sie Neemprodukte benutzen sollten.
Neem in der indischen Kultur
Neem spielt auch eine wichtige Rolle in der indischen Kultur. So baden Hindus am Neujahrstag in einem Bad mit abgekochten Neemblättern, um sich symbolisch zu reinigen.
Der Baum gilt als Glücksbaum, und Neemblätter werden als Schmuck für Häuser und öffentliche Plätze bei Feierlichkeiten genutzt, zum Beispiel, um bei Hochzeiten Glück zu bringen.
Wo kann ich Neemprodukte erwerben?
Neemöl lässt sich in jedem größeren Gartencenter erwerben, für den Einsatz zum Pflanzenschutz. Neben reinem Neemöl finden Sie hier auch Mischungen, die fertig zum Gießen, Spritzen oder Sprühen zubereitet sind.
Das Angebot an Neem zur Körperpflege und Gesundheit beim Menschen in Drogerien und Apotheken ist etwas kleiner, doch auch hier können Sie es bekommen: Als Neemöl, Neemölmischungen, Neemtee, Neempulver und Neemkapseln. Hierzulande lassen sich in Drogerien auch Neemcremes, Neemseifen, Neemtinkturen, Neemextrakte und Neem-Zahnpasta erwerben.
Zudem gibt es auch Shampoos mit Neem für Haustiere, das sich eignet, um Milbenbefall vorzubeugen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Dharmendra Kumar Yadav, Yogesh P. Bharitkar, Kastsuri Chatterjee et al.: Importance of Neem Leaf: An insight into its role in combating diseases, Indian Journal of Experimental Biology, Volume 54, Issue 11, Seiten 708-718, 2016, NIScPR Online Periodicals Repository
- Julia Platzen: Die Bedeutung von Niembaumextrakten (Azadirachta indica) für die Mundhygiene - Ein systematisches Review zur Studienlage 1988 bis 2015, Inaugural-Dissertation zur Erlangung der zahnärztlichen Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, 2016, PUBLISSO
- Koona Saradhajyoth & Budida Subbarao: Antibacterial Potential of the Extracts of the Leaves of Azadirachta indica Linn, in: Notulae Scientia Biologicae, Volume 3, Issue 1, Seiten 65-69, 2011, Notulae Scientia Biologicae
- Patrick V. Quelemes, Márcia L.G. Perfeito, Maria A. Guimarães et al.: Effect of neem (Azadirachta indica A. Juss) leaf extract on resistant Staphylococcus aureus biofilm formation and Schistosoma mansoni worms, in: Journal of Ethnopharmacology, Issue 175, Seiten 287-294, 2015, ScienceDirect
- Jose Francisco Islas, Ezeiza Acosta, Zuca G-Buentello et al.: An overview of Neem (Azadirachta indica) and its potential impact on health, in: Journal of Functional Foods, Volume 74, Artikel 104171, 2020, ScienceDirect
- Varinder Singh, Meghaditya Roy, Nidhi Garg et al.: An Insight into the Dermatological Applications of Neem: A Review on Traditional and Modern Aspect, in: Recent Advances in Anti-Infective Drug Discovery, Volume 16, Issue 2, Seiten 94-121, 2021, Bentham Science Publishers
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