Nelkenwurz war einst eine sehr beliebte Heilpflanze. Heute wird sie hierzulande kaum noch als solche genutzt. Dabei bestätigen besonders die in hohem Ausmaß vorhandenen Gerbstoffe, die Wirksamkeit von phytotherapeutischen Anwendungen etwa gegen Durchfall oder Mund- und Zahnfleischentzündungen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Geum urbanum
- Volksnamen: Echte Nelkenwurz, Gemeine Nelkenwurz, Hasenwurz, Märzwurz, Benediktenkraut / Benediktenwurz (Mittelalter), Mannskraftwurzel
- Familie: Rosengewächse (Rosaceae)
- Verbreitung: gemäßigtes Eurasien, in Nordafrika Algerien, Marokko und Tunesien, kultiviert in Nordamerika, Australien und Neuseeland
- Verwendete Pflanzenteile: Getrocknetes Kraut, Wurzel, Wurzelstock (Rhizom)
- Inhaltsstoffe: Gerbstoffe wie Elligtannine und Gallotannine, Phenolsäuren wie Gallussäure und Ellagsäure, ätherisches Öl Eugenol (Glykosid Gein), Carotinoide, Flavonoide
- Anwendungsgebiete: gegen Entzündungen und Bakterien, etwa im Mund- und Rachenraum oder auf der Haut (Akne), zur Wundheilung, bei Verdauungsbeschwerden wie etwa Durchfall
Echte Nelkenwurz – Eine Übersicht
- Nelkenwurz hat eine lange Tradition als Medizinpflanze – schon seit dem Mittelalter und Hildegard von Bingen wurde diese Heilpflanze vielseitig verwendet. Heute ist Geum urbanum – entgegen der bekannten Wirkungen- eine weniger bedeutsame Heilpflanze.
- Die Blätter der Nelkenwurz wurden früher gekaut, um üblen Mundgeruch zu vertreiben. Das ätherische Öl Eugenol sorgt für einen „Nelkengeruch“. Eugenol wirkt außerdem antiseptisch.
- Der starke Geruch sollte auch böse Geister abhalten. Die pulverisierte Wurzel wurde „Malefizpulvern“ beigemischt, also Mitteln gegen Teufel, Hexen und Dämonen.
- Ein Kennzeichen der Nelkenwurz ist der hohe Anteil an Gerbstoffen, die maßgeblich verantwortlich sind für die medizinisch wirksamen Effekte, etwa bei der Bekämpfung von Entzündungen, bakteriellen Infektionen und Durchfall.
- In der Küche kann die frische Pflanze als Gemüsekraut verwendet werden, und die alten getrockneten Blätter dienen als Gewürz.
- Echte Nelkenwurz bietet also vielseitige Verwendungsmöglichkeiten ist eher zu Unrecht in Vergessenheit geraten.
Nelkenwurz – Inhaltsstoffe
Echte Nelkenwurz enthält in großer Menge Gerbstoffe und Phenolsäuren, die insbesondere im Wurzelstock konzentriert sind. Der Gerbstoffgehalt ist ähnlich hoch wie in Blutwurz. Insbesondere Elligtannine und Gallotannine sind unter diesen Gerbstoffen zu finden.
Außerdem enthält die Wurzel das ätherische Öl Eugenol, wo es bei der intakten Pflanze noch als Glykosid Gein vorliegt. Nach Verarbeitung (Trocknung) wird Eugenol freigesetzt – erkennbar am nelkentypischen Aroma. Nelkenwurz enthält außerdem Carotinoide und Flavonoide.
Medizinische Wirkungen
Zahlreiche medizinische Wirkungen aus der volksmedizinischen Anwendung von Geum urbanum können auf die enthaltenen Gerbstoffe zurückgeführt werden. Durch eine adstringierende (zusammenziehende) und austrocknende Wirkung können sie beispielsweise gegen Bakterien wirken, kleinere Blutungen stillen und gegen Durchfall helfen.
Auch Eugenol kann aufgrund der antiseptischen Wirkung gegen Entzündungen und Keime eingesetzt werden. Die schwach betäubende Wirkung ist ein Grund, warum das ätherische Öl auch bei Zahnschmerzen Anwendung findet. Bekannt ist hier auch das Kauen von Gewürznelke. In Nelken ist mehr von dem ätherischen Öl vorhanden als in der Nelkenwurz, aber die Wirkung setzt in schwächerer Form auch bei der Nelkenwurz ein.
Den Phenolsäuren werden unter anderem antioxidative Effekte zugeschrieben. Auch bei begleitenden therapeutischen Maßnahmen gegen verschiedene Krebsformen werden Phenolsäuren positive Effekte zugeschrieben.
Eine Studie von 2017 wies nach, dass Geum urbanum gegen grampositive Bakterien wirkt und starke Effekte gegen freie Radikale hat, die die Zellstruktur verändern und ein Auslöser für Krebs- und Kreislauferkrankungen sein können. Weitere Forschungen hinsichtlich der Bedeutung dieser Pflanze als potenzielles Heilmittel sind aber noch notwendig.
Einem Review (2019) zufolge, besitzt Nelkenwurz zahlreiche pharmakologische Eigenschaften. Dazu gehören Wirkungen gegen Entzündungen, Mikroben und der Schutz des Nervensystems sowie das Bremsen schädlicher Zellveränderungen. Besonders Methanolextrakte aus der Echten Nelkenwurz haben sich wirksam gegen eine Reihe von Bakterienstämmen erwiesen.
Eine Studie von 2022 sah die antibakteriellen Effekte von Pflanzen- bzw. Wurzelextrakten aus Geum urbanum als belegt an und erklärte sie durch die Wirkung der Gerbstoffe. Diese würden freies Eisen im Körper binden. Nur sehr wenige Bakterien könnten ohne Eisen wachsen, und die Gerbstoffe entzögen den Mikroben so den Nährboden.
Das Wissenschaftsteam wies darauf hin, dass Extrakte von Geum urbanum geeignet sein könnten, um beispielsweise Akne zu behandeln. Zubereitungen wie Cremes oder Dampfbäder könnten gegen unreine und entzündete Haut wirken. Weitere Studien sind jedoch auch hier erforderlich.
Eine Studie von 2016 untersuchte, ob die traditionelle Verwendung auf Evidenz basiert, konkret ging es um Infusionen aus der Wurzel von Geum urbanum gegen Blutungen und Entzündungen des Zahnfleisches und der Mundschleimhäute. Das Ergebnis war, dass Extrakte der Nelkenwurz und eins der Hauptbestandteile Germin A biochemische Prozesse auslöst, die geeignet sind, Entzündungen des Zahnfleisches und der Mundschleimhäute zu stoppen.
Nelkenwurz in der Medizingeschichte
Nelkenwurz, besonders die Art Geum urbanum, wurde im Mittelalter und der frühen Neuzeit häufig als Medizinpflanze erwähnt, unter anderem von Hildegard von Bingen und Paracelsus.
Der Heilkundler und Pfarrer Johann Künzle rühmte sie als „Aller Welt Heil“ und sah in ihr ein Allround-Mittel gegen diverse Erkrankungen des Auges, der Zähne, des Hirns und des Herzens. Zudem sollte sie „frohen Mut“ machen.
Die Nelkenwurz wurde in den Klöstern des Benediktinerordens angebaut, und daher stammt auch ihr Name Benediktenwurz. Der Arzt Tabernaemontanus (1525-1590) setzte die Nelkenwurz als „Frauenkraut“ ein, außerdem bei Herzschwäche und um das Denkvermögen zu stärken. Er empfahl sie besonders „für die Weiber und sonderlich die Säugmütter, die große Schmerzen und Entzündung in den Brüsten fühlen“. Der Mediziner Mattioli (1501-1577) verabreichte die Wurzel gegen die Lähmung nach einem Schlaganfall und das Wurzelpulver war ihm ein Mittel gegen schlecht heilende Wunden.
Der Arzt Leonhart Fuchs (1501-1566) aus Tübingen überlieferte ein medizinisches Rezept zur Therapie mit Nelkenwurz: „Die Wurzel in Wein gesotten und also warm getrunken, stärkt die Verdauung des Magens, und stillt das Grimmen im Leib. Sie eröffnet dergestalt gebraucht die Leber, verzehrt den zähen Schleim, der sich um die Brust gelegt und gesammelt hat. Die Wurzel gedörrt und zu Pulver gestoßen, danach in Wein eingenommen, ist gut wider allerlei Gift. Benediktenwurzel gesotten und getrunken heilt alle innerlichen Wunden.“ (New Kreüterbuch, 1543)
Anwendungen in der Volksmedizin
Noch heute wird Nelkenwurz in der Volksmedizin eingesetzt, hierzulande allerdings selten. Sie dient zum Gurgeln bei Entzündungen in Mund, Rachen und am Zahnfleisch, als Bad bei Hämorrhoiden und Frostbeulen, sowie oral aufgenommen als Mittel gegen Durchfall.
Die Blätter und die Wurzeln werden als Tee zubereitet, aufgegossen oder abgekocht. Der Tee wird innerlich eingesetzt zum Gurgeln und Spülen gegen Zahnfleischentzündungen oder Entzündungen von Mund, Rachen, Hals und Mandeln.
Bei Hautentzündungen wie Ekzemen oder Akne wird die betroffene Stelle damit eingerieben, gewaschen oder in einen durchtränkten Umschlag gewickelt. Überliefert sind in der ländlichen Heilkunde Anwendungen gegen Scheidenausfluss, fehlenden Appetit, Hautausschlag und Verdauungsproblemen.
Alkohol löst Wirkstoffe der Nelkenwurz, und eine bevorzugte Anwendung waren Liköre, Schnäpse und Tinkturen aus Wurzeln und Blättern. Diese alkoholischen Auszüge wurden nach dem Essen zur besseren Verdauung getrunken. Gegen Mundgeruch und bei Zahnschmerzen wurde die Wurzel gekaut, auf akute Entzündungen im Mundraum die Tinktur auf die entsprechenden Stellen aufgetragen.
Nebenwirkungen und Gegenanzeigen
Nelkenwurz enthält keine Stoffe, die für stärkere Giftwirkungen bekannt wären. Gerbstoffe können aber starke Reize auslösen – ihre medizinische Wirkung basiert unter anderem darauf. In zu hohen Dosierungen können Gerbstoffe Magen und Darm derart reizen, dass sie Entzündungen verursachen statt diese einzudämmen. Wer sensibel auf sie reagiert, kann bei Aufnahme einen Brechreiz bekommen und Magenbeschwerden erleiden.
Wenn Sie Medikamente einnehmen, dann sollten Sie sich genau informieren, ob Gerbstoffe deren Wirkung beeinflussen. Sie sollten Gerbstoffe vermeiden, wenn Sie unter Eisenmangel leiden. Gerbstoffe binden Eisen und verhindern, dass der Körper dieses aufnimmt.
Geum urbanum in der Küche
Nelkenwurz war nicht nur als Arznei, sondern auch in der Küche beliebt. Die jungen Blätter der Pflanze lassen sich gut in einem Wildkräutersalat verwenden und auch als Gemüse kochen. Sie passen zu grünen Kräutermischungen und -saucen und ergeben einen würzigen Pesto. Die Blüten und Blütenknospen können gegart verzehrt werden.
Die älteren Blätter und die Wurzeln schmecken intensiver. Sie werden als Gewürz statt als Gemüse genutzt. Getrocknet und zerstoßen sind sie optimal für Kräutersalz geeignet – und auch für andere Gewürzmischungen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Ali Esmail Al-Snafi: Constituents and pharmacology of Geum urbanum- A review, in: IOSR Journal Of Pharmacy, Volume 9, Issue 5, Seiten 28-33, 2019, IOSR Journal of Pharmacy
- Marek Bunse, Lilo K. Mailänder, Peter Lorenz et al.: Evaluation of Geum urbanum L. Extracts with Respect to Their Antimicrobial Potential, in: Chemistry & Biodiversity, Volume 19, Issue 2, 2022, WILEY
- Lyudmila Dimitrova, Maya M. Zaharieva, Milena Popova et al.: Antimicrobial and antioxidant potential of different solvent extracts of the medicinal plant Geum urbanum L, in: Chemistry Central Journal, Volume 11, Issue 1, Seite 113, 2017, BMC Chemistry
- Sebastian Granica, Agnieszka Kłębowska, Michał Kosiński et al.: Effects of Geum urbanum L. root extracts and its constituents on polymorphonuclear leucocytes functions. Significance in periodontal diseases, in: Journal of Ethnopharmacology, Volume 188, Seiten 1-12, 2016, ScienceDirect
- Rudi Beiser (2024): Nelkenwurz – (All)Heilmittel aus dem Mittelalter, in: Georg Thieme Verlag KG - Natürlich Medizin, https://natuerlich.thieme.de/heilpflanzen/detail/nelkenwurz-allheilmittel-aus-dem-mittelalter-3447 (abgerufen am 14.02.2025), Thieme
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