Den Geschmack der Raute oder Gartenraute kennen wir aus Aperitifs und Likören. In der Antike galt sie als mächtiger Schutz gegen vielerlei Gifte, im Mittelalter sollte das „Totenkraut“ sogar die Pest heilen. Heute wissen wir: Raute enthält medizinisch wirksame Stoffe, hat aber auch starke Nebenwirkungen bis hin zu Vergiftung und Tod.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief zur Raute
- Name: Raute
- Wissenschaftlicher Name: Ruta graveolens (syn. Ruta hortensis)
- Familie: Rutaceae – Rautengewächse
- Volksnamen: Weinkraut, Weinraute, Totenkraut, Totenkräutel, Kreuzraute, Edelraute, Gartenraute, Mauerraute, Gnadenkraut
- Anwendungsgebiete:
- regt die Magensäfte an
- fördert die Verdauung und Blutungen
- rötet
- pigmentiert
- erleichtert das Eintreten der Menstruation
- Verwendete Pflanzenteile: Sproßspitzen
Inhaltsstoffe
Raute verfügt über ätherische Öle, vor allem über Methylnonylketon, sowie das Flavonoid Rutin (Rutosid). Die Pflanze enthält Alkaloide verschiedener Strukturtypen, darunter Chinolin, Furocholin sowie Alkaloide vom Acridontyp wie Rutacridon. Das ätherische Öl besteht besonders aus mittelkettigen Ketonverbindungen, und diese wirken gegen Mikroben. Hinzu kommen Cumarine, Furano- und Pyranocumarine. Die Furanocumarine sensibilisieren die Pigmentbildung und zeigen ihre Wirkung, wenn die Haut der Sonne ausgesetzt ist. Sie bräunt dann schneller.
Bis jetzt wurden über 120 natürliche Stoffe bestimmt, die in Gartenraute vorkommen. Davon spielen die wichtigsten aktiven Komponenten der Pflanze eine bedeutende Rolle in der Behandlung zahlreicher Krankheiten: Flavonoide, Rutin, Quercetin, Furocoumarin und Lemonin. Sie finden sich heute in vielen synthetischen Arzneimitteln.
Wirkungen
Weinkraut bietet ein intensives Aroma und wird seit Jahrhunderten eingesetzt, um alkoholische Getränke herzustellen. Außer dem Geschmack fördern diese Alkoholika so die Verdauung. Gartenraute stimuliert die Sekretion der Magensäfte und bremst das Bilden von Gasen. Das aus dem Totenkraut gewonnene Rutin schützt die Blutgefäße und verhindert so Blutungen, die aufgrund von Bluthochdruck, Diabetes, Ödemen und Krampfadern entstehen. Die Furocumarine dienen als Bräunungsmittel. Das ätherische Öl wirkt antimikrobisch, also gegen Bakterien und Pilze.
Raute eignet sich, um Tumorwachstum vorzubeugen, um Spasmen zu bremsen, als Schmerzmittel, als Arznei gegen Verdauungsstörungen sowie unregelmäßige Menstruation. In der Vergangenheit war Edelraute ein Mittel, um Föten abzutreiben. Hohe Dosierungen ziehen die Gebärmutter zusammen.
Anwendungen
In der Volksheilkunde, besonders im ländlichen Raum, wurde Rautenkraut sowie Rautenöl eingesetzt gegen Entzündungen der Haut und des Rachens sowie gegen Leiden der Leber und Galle, bei Menstruationsproblemen und dazu, Föten abzutreiben. Auch der Symptomkomplex, den wir heute als Dyspepsie bezeichnen, wurde mit Mauerraute behandelt. Dazu gehören Oberbauchbeschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, ständiges Aufstoßen, Sodbrennen, Völlegefühl, vorzeitiges Sättigungsgefühl, übermäßige Ansammlungen von Darmgas und Schmerzen hinter dem Brustbein.
Risiken und Nebenwirkungen
Raute ist ein narkotisches Gift. Die frische Pflanze verursacht auf der Haut Rötungen, Schwellungen und Blasen. Egal, ob innerlich oder äußerlich eingesetzt, führt der Konsum bisweilen zu schmerzhaftem Erbrechen und Gleichgewichtsstörungen, langsamem Puls, Untertemperatur in den Gliedern und selten sogar zu psychischer Verwirrung, verschwommener Sicht.
Raute in allen Formen schädigt schwangere Frauen. Sie wirkt nicht nur abtreibend, sondern verursacht auch Blutungen wie Entzündungen des Uterus. Die für eine Abtreibung nötige Dosierung liegt sehr nahe an einer tödlichen Menge. Es handelt sich nicht um eine spezifische abortive Eigenschaft, sondern um eine generelle Vergiftung. Raute sollte also keinesfalls als Abtreibungsmittel dienen. Größere Mengen der getrockneten Spitzen führen zu Entzündungen im Magen-Darm-Bereich und im Urogenitaltrakt.
Möglich ist auch eine Reizwirkung auf Haut und Schleimhäute, bedingt durch die Phototoxität der Furochinoline und Furanocumarine. Die Droge sollte also stets in kleinen Dosen eingenommen werden, und ein privates Sammeln und Einsetzen zu Heilzwecken sollten Sie bleiben lassen. Allergische Reaktionen in Form einer Kontaktdermatitis treten bei Gartenraute häufig auf.
Rautenöl und Rautenkraut
Durch Wasserdampfdestillation wurde aus dem oberirdischen Kraut der Pflanze ein Öl gewonnen (Rutae aetheroleum) und zur Abtreibung, gegen Krämpfe und Menstruationsbeschwerden eingesetzt. Die krautigen Teile der Pflanze sammelten die Menschen sowohl inmitten der Blüte ein (Rutae herba) wie auch zu Beginn der Blüte.
Die vollen Blüten dienten wie das Öl als Abortivum, gegen kolikartige Schmerzen und Dyspepsie; die frischen Blüten wurden hingegen vor allem äußerlich eingesetzt gegen Entzündungen der Haut, Prellungen, Quetschungen, rheumatische Beschwerden besonders der Wirbelsäule und Gelenk- wie Muskelschmerzen nach körperlicher Belastung. Auch für diese Zwecke lässt sich die Gartenraute aus heutiger Sicht und mit heutigen Medikamenten als Alternative, die ähnlich wirken, aber die Haut weniger reizen, für das private Sammeln nicht mehr empfehlen.
Antientzündliche Wirkung
Methanolische Extrakte von Ruta graveolens mit einer Konzentration von 20 Milligramm / Kilogramm und ethanolischer Extrakt mit 50 Milligramm / Kilogramm zeigten im Versuch mit Ratten bei induzierter Entzündung der Pfoten eine signifikant höhere Wirkung als das gewöhnlich verabreichte Diclofenac. Bei induzierter Arthritis von Ratten zeigten sich ebenfalls positive Effekte. Der Rautenextrakt dämmte die Entzündung besser ein als die Standardarznei Indomethacin. Die Aktivität, sowohl der antioxidanten Enzyme wie auch des durch die Vitamine C und E reduzierten Gluthathion-Levels, stieg nach der Behandlung mit methanolischen Extrakten von Ruta graveolens.
Raute als Verhütungsmittel?
Die Volksmedizin im Iran nutzt Gartenraute für die männliche Verhütung. Iranische Wissenschaftler untersuchten in einer Studie jetzt die Auswirkungen von Rautenextrakt auf die Beweglichkeit von menschlichen Spermien. Die Ergebnisse waren positiv. Verschiedene Dosierungen eines flüssigen Extraktes von Ruta graveolens wurden zu frischem Sperma gegeben, und die Forscher notierten die Mobilität und Überlebensfähigkeit der Spermien sowie ihre mitochondriale Aktivität.
Unmittelbar nachdem der Extrakt auf das Sperma traf, verloren die Spermien an Beweglichkeit. Die Stärke des Effekts hing von der Dosierung des Extrakts ab. Unbeweglich wurden 100 Prozent der Spermien. Die Wirkung des Extrakts hielt auch beim Kochen an. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Bewegung und Überlebensfähigkeit der Spermien durch eine thermostabile Komponente der Raute blockiert wurden. Raute ist demnach ein vielversprechender Kandidat für neue Verhütungsmittel des Mannes.
Die Heilwirkung von Rutin
Die Gefahren bei hohen Dosen von Rautenkraut dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rutin, das in der Pflanze vorhandene Flavonoid, wirksam ist für die Prävention von Krankheiten wie Arthritis und ähnlichen Entzündungen.
Außer in Raute findet es sich auch in Zitrusfrüchten wie Limonen, Orangen, Limetten und Grapefruit, in Spargel oder Maulbeeren. Zuerst entdeckt wurde es in der Gartenraute. Rutin ist ein flavonoides Glykosid mit einer polyphenolischen Komponente. Es erfüllt im menschlichen Körper verschiedene physiologische Funktionen. So handelt es sich um eines der besten natürlichen Antioxidantien, die wir kennen. Die Mikroflora im Verdauungstrakt formt Rutin zu anderen Stoffen um.
Rutin wirkt antibakteriell wie antiviral, beugt Tumoren ebenso vor wie Entzündungen und Allergien, und es wirkt gegen Krämpfe. Der Stoff wirkt vasoaktiv, das heißt, er hat einen (positiven) Einfluss auf die Gefäßmuskeln sowie die Gefäßweite und schützt die Zellen. Es senkt den Blutdruck und den Spiegel an Blutfetten. Es absorbiert UV-Strahlen.
Folgerichtig wird Rutin vielfach als aktive Komponente eingesetzt: In Phytotherapien verschiedenster Couleur, in der kosmetischen und chemischen Industrie oder in Tierfutter. Dabei ist das Potenzial des Rutins für Medikamente, Kosmetika und als Nahrungsergänzung wie eine Studie zeigt längst nicht ausgereizt.
Sudab – Raute in der Medizin Indiens
In Indien wird Raute in größerem Ausmaß angebaut und nach einer Studie vielfältig medizinisch genutzt. Traditionelle Anwendungen sind Lähmungen, Gelenkschmerzen, Nervenstörungen, kolikartige Schmerzen, Flatulenz, Arthritis, Schmerzlinderung, besonders in der Brust bei Lungenentzündung und im Rücken.
Indische Ärzte verabreichen Infusionen von Rautenblättern als Nasentropfen, um Kinderlähmung zu behandeln, außerdem dient ein oral eingenommener Extrakt dazu, Erkrankungen der Nieren und des Harntraktes zu heilen. Inderinnen nutzen Rautenblätter als Tampon oder trinken einen Sirup daraus, um eine fehlende Menstruation einzuleiten.
Auch in Indien dient Rautenextrakt dazu, Föten abzutreiben. In der indischen Medizin werden das Kraut und das Öl Beschwerden der Gebärmutter und des Darms zugeordnet. Raute gilt als wertvoll für die Entwässerung, da es den Harn treibt. In manchen Regionen Indiens dienen Salben mit Rautenextrakt dazu, Gelenkrheuma zu behandeln – so zum Beispiel im Punjab.
Der duftende Engelmacher
In der Antike galt die ursprünglich vor allem im Mittelmeerraum verbreitete Gartenraute als Mittel gegen tierische und pflanzliche Gifte, und zwar sowohl bei griechischen wie römischen Ärzten. Laut Plinius sollte Mithridates die Pflanze als Heilkraut etabliert haben. In dem nach ihm benannten Medikament „Mithridat“ fanden sich 54 Substanzen, darunter auch die Edelraute. Im Mittelalter galt Raute als eines der vielen (nutzlosen) Mittel gegen Pest und als Mittel gegen Epilepsie. Letzteres enthält eine Teilwahrheit, da die Pflanze antispasmische Wirkung hat.
Ihre wichtigste Bedeutung hatte die Gartenraute aber als „Engelmacher“. Dieser Begriff bezeichnete Ärzte und Hebammen, die Föten abtrieben. Unter den Bedingungen der Vergangenheit bezog sich das „Engel“ zum einen auf die Ungeborenen, zum anderen aber auf die Mütter, die allzu oft an den Folgen der Abtreibungen starben. Zu diesen gefährlichen abortiven Mitteln gehörte auch die Raute. Denn der Unterschied zwischen einer abortiven und einer tödlichen Dosis war gering, hing auch von der Konstitution der Betroffenen ab, und zudem schwankte der Gehalt der Wirkstoffe von Pflanze zu Pflanze.
Gartenraute ist ein gutes Beispiel, dass abortive Maßnahmen der Vergangenheit nicht pauschal als „geheimes Wissen“ verklärt werden sollten und dass risikoarme Abtreibungen mit den Möglichkeiten der modernen Medizin die bessere Alternative sind.
Verbreitung
Das Weinkraut wächst in Europa und Asien besonders in der mediterranen Region. Raute liebt trockene und steinige Böden und besiedelt Mauern, Felsen sowie trockene Wiesen und Geröll.
Fazit
Gartenraute enthält zahlreiche Stoffe, die eine starke Aktivität gegen diverse Erkrankungen entfalten. Da die Pflanze aber zugleich als toxisch einzustufen ist, sollten Sie Ruta graveolens nicht privat sammeln und als Hausmittel anwenden. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Hiller, Karl; Melzig, Matthias: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen. 2. Band L bis Z, Spektrum, 2000
- Zhila Naghibi et al.: Immobilization effect of Ruta graveolens L. on human sperm: A new hope for male contraception. Journal of Ethnopharmacology Volume 115, Issue 1, Pages 36-41, January 2008, sciencedirect
- Kanika Patel et al.: The Beneficial Role of Rutin, A Naturally Occurring Flavonoid in Health Promotion and Disease Prevention: A Systematic Review and Update. Bioactive Food as Dietary Interventions for Arthritis and Related Inflammatory Diseases (Second Edition), in: Academic Press, Pages 457-479, 2019, sciencedirect
- Shabir Ahmad Parray et al.: Ruta graveolens: from Traditional System of Medicine to Modern Pharmacology: an Overview. In: American Journal of PharmTech Research, Volume 2, Pages 239-252, 2012, researchgate
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.