Der stark giftige Seidelbast wurde historisch als Heilpflanze genutzt. Heute wird die Pflanze nicht mehr verwendet. Jedoch treten gerade die toxischen Stoffe in den Fokus der Forschung: Etwa wegen ihres Potenzials für den Einsatz bei Krebserkrankungen und weiteren bioaktiven und antioxidativen Eigenschaften.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Daphne mezereum
- Volksnamen: Echter Seidelbast, Echt-Seidelbast, Gewöhnlicher Seidelbast, Kellerhals (mittelhochdeutsch „kellen“ für „quälen“), Bergpfeffer, Brennwurz, Elendsblut, Giftbeeren, Kellerbeere, Kellerkraut, Kellersalz, Kellerschale, Quälerhals, Rachbeere, Pfaffenstaude, Wilder Spanischer Pfeffer, Warzenkraut, Scheisslorbeeren, Zahnwehkraut, Stechbeere, Seidelbaum, Waldlorbeer, Wolfsbast, Märznägelein, Menschendieb, Menschenmörder, Holzmännchen, Hitzekörner, Giftbäumli
- Familie: Seidelbastgewächse (Thymelaeaceae)
- Verbreitung: In der gemäßigten und borealen Klimazone Eurasiens, auch in China und Nordamerika
- Verwendete Pflanzenteile: historisch besonders die Samen, Beeren, Rinde und Blätter
- Inhaltsstoffe: Seidelbast enthält Hesperidin und giftiges Mezerein in den Samen, Daphne-Toxin vor allem in der Rinde / in geringer Menge auch im Samen, Cumarine (Umbelliferon, Daphnetin), Daphnin und zahlreiche Diterpenoide, Phenolsäuren, Steroide und Saponine, Flavonoide und Tannine.
- Anwendungsgebiete: Historisch wurde die Pfanze als Brech- und Abführmittel, auch gegen Zahnschmerzen, Ekzeme, Wunden und Geschwüre eingestezt. Die genannten Anwendungen sind toxische Effekte. Heute wird Seidelbast wegen seiner hohen Giftigkeit nicht als Arznei empfohlen. Isolierte Inhaltsstoffe des Seidelbastes haben unter anderem antioxidative, entzündungs- und krebshemmende Eigenschaften. Umbelliferon absorboiert UV-Licht und kommt somit zum Einsatz bei Sonnenschutzmitteln.
Seidelbast – Eine Übersicht
- Der Echte Seidelbast ist typisch für Laubmischwälder, wie unter anderem Buchen- und Eichenwälder. Er bevorzugt Kalkboden mit viel Nährstoffen.
- Der Name „Seidelbast“ könnte sich davon ableiten, dass aus dem Bast (der Rinde) Schnüre hergestellt wurden. Möglich ist aber auch der Ursprung vom alten Wort „zidal“ für Biene. Dies könnte Bezug darauf nehmen, dass der Frühblüher im nahrungsarmen Vorfrühling eine wichtige Nektarpflanze für Insekten darstellt.
- Die Blüten des Echten Seidelbasts wachsen bereits im Februar / März auf der Sprossachse. Damit ist dies die einzige stammblütige Art in Mitteleuropa.
- Seidelbast ist eine attraktive Zierpflanze mit stark duftenden violetten Blüten und knallroten Beeren.
- Vorsicht bei Kindern! Die auffälligen Beeren reizen zum Anfassen und in den Mund stecken. Der Verzehr von ein paar wenigen Beeren gilt bereits als tödlich.
- Seidelbast lässt sich aber prinzipiell gut im Garten pflanzen. Voraussetzungen sind Windschutz und Halbschatten sowie ein lehmiger Kalkboden.
- Echter Seidelbast ist frosthart und kommt selbst mit Temperaturen um dreißig Grad unter Null zurecht.
- Im Aberglauben sollte Seidelbast den Schadenszauber der Hexen abwehren. Aus diesem Grund steckten sich Kutscher geweihte Zweige an den Hut.
- Renata Jurisic Grubesic, A. Maltar, L. Galović and Dario Kremer: February Daphne (Daphne mezereum L.) and Alpine Daphne (D. alpina L.): Qualitative phytochemical characterization, in: Farmaceutski Glasnik, Volume 66, Issue 1, Seiten 1-16, 2010, ResearchGate
- Ofentse Masimba: Umbelliferone: Sources, chemistry and bioactivities review, in: Bulletin of Faculty of Pharmacy, Cairo, Volume 55, Issue 2, Seiten 223-232, 2017, ScienceDirect
- Matthias F. Melzig and Cornelia Görick: Gniditrin is the main diterpenoid constituent in the bark of Daphne mezereum L., in: Pharmazie, Volume 68, Seite 640-642, 2013, ingenta CONNECT
- Yi-Wen Nie, Yuan Li, Lan Luo et al.: Phytochemistry and Pharmacological Activities of the Diterpenoids from the Genus Daphne, in: Molecules, Volume 31, Issue 26, Seite 6598, 2021, MDPI
- Rosa Tundis, Monica R. Loizzo, Marco Bonesi et al.: Daphne striata Tratt. and D. mezereum L.: a study of anti-proliferative activity towards human cancer cells and antioxidant properties, in: Natural Product Research, Volume 33, Issue 12, Seiten 1809-1812, 2019, Francis & Taylor online
Seidelbast – Inhaltsstoffe
Seidelbast enthält die Giftstoffe Mezerein vor allem in den Samen und Daphne-Toxin vornehmlich in der Rinde. Außerdem enthält die Pflanze Cumarine (Umbelliferon, Daphnetin), Hesperidin, Daphnin und zahlreiche Diterpenoide. Laut einem Artikel (2013) ist Gniditrin der Haupt-Diterpenesterin der Rinde des Echten Seidelbasts.
In isoliertem Gewebe der Pflanze dominiert Daphnetin gegenüber Umbelliferon. Lediglich im Stängel ist Umbelliferon doppelt so stark konzentriert wie das andere Cumarin.
Eine Studie (2010) verwies auf weitere Inhaltsstoffe: Phenolsäuren, Steroide, Saponine (Seifenstoffe), Flavonoide und Tannine.
Medizinische Wirkungen
Ein Review (2021) fasste zusammen: 135 Diterpenoide konnten bislang von Arten der Gattung Daphne isoliert und drei verschiedenen Typen zugeordnet werden. Diese Komponenten hätten sich sowohl in vitro wie auch in vivo als bioaktiv erwiesen.
Zu den positiven medizinischen Effekten gehören Wirkungen gegen Krebs, Entzündungen, HIV, und Unfruchtbarkeit. Außerdem sind cholesterinsenkende Eigenschaften und positive Wirkungen auf Nervenzellen bekannt.
Das im Seidelbast enthaltene Umbelliferon wirkt antioxidativ und absorbiert UV-Licht. Es wird in der Produktion von Sonnenschutzmitteln genutzt. Laut einem Review (2017) ist es zudem effektiv gegen Entzündungen, hohen Blutzucker und wirkt anti-tumoral.
Einer Studie (2019) nach zeigen Extrakte aus Seidelbast antioxidative Effekte und deutliche wachstumshemmende Wirkungen bei menschlichen Krebszellen. Für einen potenziellen Einsatz als entsprechendes Arzneimittel bedarf es an weitergehenden Untersuchungen.
Wie giftig ist Seidelbast?
Der Artname mezereum des Echten Seidelbastes stammt aus dem Persischen und bedeutet „tödlich“. Auch zahlreiche Volksnamen verweisen auf die Giftigkeit: Elendsblum, in St. Gallen Giftbäumli, in Graubünden Giftberli, im Böhmerwald Hühnertod, in Kärnten Schlangenbeer, in der Steiermark Wolfboß.
Seidelbast ist stark giftig. Verantwortlich sind unter anderem Mezerein, welches in den Samen steckt und Daphnetoxin, das in der Rinde enthalten ist. Gifitge Diterpene befinden sich in allen Teilen der Pflanze.
Beim Verzehr von Pflanzenteilen verursachen diese Stoffe Störungen im Magen-Darmtrakt. Bei Hautkontakt kommt es zu Reizungen der Haut.
Eine Vergiftung äußert sich bei oraler Aufnahme durch ein Anschwellen der Mund- und Rachenschleimhaut, der Zunge und der Lippen. Es folgen Übelkeit und Erbrechen, Magenkrämpfe und Durchfall.
In der Vergangenheit wurde Seidelbast als Heilpflanze genutzt, um Erbrechen auszulösen und abzuführen. Bei diesen Effekten handelt es sich um (leichte) Vergiftungen. Aber eine Vergiftung birgt das Risiko langwieriger Nierenschäden und Magenstörungen. Nicht zuletzt darum wird von dieser Anwendung heutzutage abgeraten.
Der Volksname „Kellerhals“ hat nichts mit dem Untergeschoss eines Hauses zu tun, sondern „kellen“ bedeutete im Mittelhochdeutsch „quälen“. Der Begriff bezieht sich auf die Schmerzen im Hals, die die Einnahme des Seidelbasts auslöst. Auch Volksnamen wie Brennwurz oder Bergpfeffer haben hier ihren Ursprung.
Das Gift führt zu Kopfschmerzen und Schwindel: Es greift das zentrale Nervensystem und die Nieren an. Der Kreislauf wird gestört, dies zeigt sich an Herzrasen, Fieber und einem möglichen Kreislaufzusammenbruch.
Auf der Haut führen Rinde und Samen des Seidelbastes zu heftigen Reizreaktionen. Die Haut rötet sich, entzündet sich und bildet Blase.
Die tödliche Dosis liegt für Erwachsene bei rund einem Dutzend Beeren, für Kinder sind bereits vier Früchte lebensgefährlich. Besonders toxisch sind die Samen.
Auch für Schweine, Rinder und Pferde kann Seidelbast tödlich sein: Für ein Schwein reichen dabei bereits fünf Beeren. Auf Drosseln wirkt das Gift nicht. Sie fressen die Beeren und sorgen so für die Vermehrung der Pflanze.
Seidelbast in Volksmedizin und Medizingeschichte
Daphne-Arten wurden sowohl in Europa wie in Asien in der Volksmedizin eingesetzt, vor allem, um Erbrechen auszulösen. Der Volksname „Scheisslorbeeren“ besagt, dass sie als Abführmittel dienten.
In Honig getränkte Umschläge mit Seidelbast wurden im Mittelalter verwendet, um Wunden zu versorgen. Die Rinde und die Beeren wurden angewandt, um Warzen zu entfernen (Warzenkraut).
Die gekauten Blätter sollten gegen Zahnschmerzen helfen (Zahnwehkraut).
Körperstellen mit reumatischen Gelenkschmerzen wurden mit den Blättern eingerieben: Die Vorstellung war, dass der Reiz auf der Haut die tief liegenden Schmerzen „herauszog“.
Außerdem sollte Seidelbast gegen Sodbrennen helfen. Hier spielte vermutlich die Idee hinein, dass der starke brennende Schmerz das Sodbrennen überlagerte.
Pulver aus der Rinde dienten als Zugpflaster zum Blasenziehen und wurde auch als gegen Quecksilbervergiftungen eingesetzt.
Dabei war die giftige Wirkung des Seidelbastes bekannt. Albert Dietrich schrieb 1837 in „Flora des Königreichs Preussen oder Abbildung und Beschreibung der in Preussen wildwachsenden Pflanzen“: „(…) daß ein Mädchen, die 12 Samen von dieser Pflanze genossen hatte, danach gestorben ist (…) daß sechs Früchte einen Wolf töten. … In Sibirien schminken sich die Weiber mit den Beeren; sie reiben sich nämlich mit dem saftigen Fleische die Wangen, wodurch eine die Haut röthende Entzündung hervorgebracht wird.“
Seidelbast sammeln?
Wegen der Giftigkeit wird dringend davon abgeraten, Seidelbast selbst zu sammeln. Außerdem gilt er in Deutschland als besonders geschützte Art. Das Sammeln in der Natur ist also verboten.
Seidelbastblüten
Echter Seidelbast ist eine wertvolle Nektarpflanze für heimische Insekten. Er blüht bereits im Februar und März und sorgt damit für Nahrung in einer Jahreszeit, wo diese noch rar ist. Er wird durch Insekten bestäubt, die einen langem Rüssel aufweisen. Die Blüten sind sogenannte Stieltellerblumen. Sie haben verborgene Staubbeutel und Narben.
Besonders wichtig ist Seidelbast für Falter, die bereits im Vorfrühling aus der Überwinterung aufwachen. Dazu gehören unter anderem der Kleine Fuchs, das Tagpfauenauge und der Zitronenfalter. Auch viele Wildbienen und Hummeln tummeln sich am frühen Nektar.
Vorkommen in Deutschland
Echter Seidelbast wächst in Deutschland besonders in den Alpen und in Mittelgebirgen. In der Norddeutschen Tiefebene findet er sich nur inselartig. In Bayern und Baden Württemberg ist die Pflanze hingegen weit verbreitet, ebenso in Südsachsen, Thüringen, Hessen, dem Süden Nordrhein-Westfalens und im Rheinland. Auch im waldreichen Süden Niedersachsens ist er in Buchenmischwäldern heimisch.
Im Norden Niedersachsen, in Schleswig-Holstein und Mecklenburg wächst Echter Seidelbast selten und als Neophyt: Er kam hier ursprünglich nicht vor. Seit dem 16. Jahrhundert verwilderte er aus Ziergärten. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
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Wichtiger Hinweis:
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