Spirulina sind eine Gattung der Cyanobakterien, die in Gewässern vorkommen und in ihren Urspungsländern gegessen werden. In Form von Tabletten oder Kapseln dient besonders Arthrospira platensis als Nahrungsergänzung und hat den Ruf eines Superfoods aufgrund einer Fülle an Vitaminen und Mineralstoffen. Wissenschaftlich betrachtet bleibt von diesen „Wunderwirkungen“ indessen kaum etwas übrig.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Arthrospira platensis
- Volksnamen: Blaualgen, Blaugrünalgen, Mikroalgen
- Familie: Cyanobakterien
- Verbreitung: Alkalische Salzseen in Mittelamerika, Südostasien, Afrika und Australien
- Verwendete Pflanzenteile: Die getrocknete Biomasse
- Inhaltsstoffe: Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine und Aminosäuren
- Anwendungsgebiete: Versorgung mit Vitalstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen und Aminosäuren
Spirulina – eine Übersicht
- Diese Cyanobakterien bilden fadenförmige Eiweißstrukturen, deren Zellen sich hintereinander anordnen.
- Spirulina bedeutet „kleine Spirale“ und bezieht sich auf die Form dieser Ansammlungen von Bakterien.
- Die rund 35 Arten der Gattung besiedeln alkalische Salzseen in flachen subtropisch-tropischen Gewässern.
- Spirulinaarten enthalten einen hohen Anteil an Calcium, Selen, Eisen, Natrium und Magnesium, da sie diese Stoffe direkt aus dem Wasser aufnehmen.
- Die Arten Arthrospira platensis und Arthospira Maxima dienen als Nahrungsergänzung.
- Die Biomasse bietet eine Grundlage für Speisen. Im Tschadsee werden die Bakterien geschöpft, getrocknet und zu einer Art Klößen geformt.
- Als Nahrungsergänzung für Industrieländer werden die Bakterien in Aquakulturen bei 37 Grad Celsius gezogen, gefiltert und – bei Heißluft getrocknet – zu Pulver, Kapseln und Tabletten verarbeitet.
- In Zentralafrika und Indien wird Spirulina gezielt kultiviert, um einem Vitamin-, Mineralstoff- und Proteinmangel der Menschen vor Ort entgegenzuwirken.
Inhaltsstoffe
Spirulina enthält diverse Mineralstoffe, Vitamine und Aminosäuren, darunter: Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium, Eisen, Phosphor, Kupfer, Chlorid, Zink, Fluorid, Jodid, Selen, Mangan, Schwefel; Arginin, Cystein, Histidin, Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan, Tyrosin, Valin, Alanin, Asparaginsäure, Glutaminsäure, Glycin, Prolin, Serin. 100 Gramm getrocknete Spirulina enthalten rund 60 Gramm Eiweiß, 19,8 Milligramm Eisen und 3,6 Milligramm Beta-Carotin (Provitamin A).
Spirulina aus Süßwasser liefern kaum Jod, sind also auch für Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen geeignet. Die Form, in der einige der Inhaltsstoffe in Spirulina vorliegen, ist allerdings für Menschen nicht verwertbar. Das gilt für das Vitamin B 12, und vielleicht auch für das Beta-Carotin.
Wirkung von Spirulina
Spirulina gilt unter den Nahrungsergänzungen als eine Art „Superstar“, bedingt durch den hohen Gehalt an Eiweißen, Beta-Carotin, Mineralstoffen und Chlorophyll. Demnach soll es vor allem das Immunsystem stärken, aber auch Alterungsprozesse verlangsamen, Krebs vorbeugen oder sogar bestehende Tumore bekämpfen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern und vor Infektionen schützen.
Das „Superfood“ Spirulina wird mit allerlei zugeschriebenen Wirkungen beworben: Es soll gegen erhöhte Blutfettwerte ebenso helfen wie gegen Herpes-Infektionen, beim Abnehmen helfen, gegen Lebererkankungen und Allergien wirken, Schmerzen lindern und die Immunabwehr stärken. Spirulina enthält Omega-6-Fettsäuren. Diese stärken die Zellfunktionen und reduzieren die Bildung des Stoffs Histamin im Körper, der Allergien auslöst. Spirulina lässt sich so möglicherweise gegen Heuschnupfen einsetzen.
Eine Studie zeigte, dass Spirulina maxima den (negativen) Veränderungen entgegenwirkte, die Blei-Acetat auf den Lipidspiegel der Leber hat, und die antioxidativen Fähigkeiten der Leber und Nieren verbesserte. Es gibt zu diesen Spirulina zugeschriebenen Wirkungen keine wissenschaftlichen Studien an Menschen, sie sind unzureichend belegt.
Durch den hohen Eiweißgehalt gilt Spirulina als Hilfe beim Abnehmen. Einem wissenschaftlichen Review zufolge beeinflussen in Spirulina vorhandene Stoffe Prozesse, die bei Menschen mit Fettleibigkeit gestört sind: Insulinresistenz, systemische Entzündungen auf niedrigem Niveau und erhöhte Plasmalipide.
Viele angebliche Effekte der Cyanobakterien relativieren sich – bei Licht betrachtet. So ist das in Spirulina enthaltene Vitamin B12 zu rund 80 Prozent nicht für Menschen nutzbar und deshalb als Nahrungsergänzung für Veganerinnen und Veganer nicht geeignet. Das Eiweiß in den Bakterien ist zwar hochwertig, die winzige Tagesmenge davon in Nahrungsergänzungsmitteln wie Pulver oder Tabletten hat für den menschlichen Körper aber eine verschwindend geringe Bedeutung: Zehn Tabletten enthalten etwas mehr als zwei Gramm davon. Durch Eier, Milchprodukte, Vollkorn, Hülsenfrüchte, Nüsse oder Ölsamen führen wir uns erheblich mehr Protein zu.
Beim Eisen sieht es ähnlich aus: Zwar enthält Spirulina in relativen Prozentzahlen viel Eisen, die absolute Menge davon, die wir mit Tabletten, Kapseln oder Trockenpräparaten zu uns nehmen, ist jedoch sehr gering. Mehr noch: Spirulina kann in größeren Mengen sogar zu einer Eisenunterversorgung führen. Die Algen enthalten Eisen, weil sie Eisen binden. Statt es dem Körper zuzuführen, kann es so möglicherweise zugeführtes Eisen sogar entziehen.
Um eine ausreichende Zufuhr von Eisen zu gewährleisten, braucht es außerdem hierzulande normalerweise keine Nahrungsergänzungsmittel, denn viele „normale“ Lebensmittel liefern den Stoff, und wir nehmen mit ihnen viel mehr Eisen auf als mit Spirulinakapseln: Spinat, Grünkohl, Eier, Fleisch, Kürbiskerne, Schwarzwurzeln, Leinsamen, Hülsenfrüchte, Mandeln oder Avocados.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wiesen 2019 in einem Laborbericht deutlich auf folgendes hin: Bei Spirulina überwiegt „Pseudo“-Vitamin B12, das für Menschen wertlos ist, bei weitem gegenüber unter Umständen verwertbarem Vitamin B12. Deswegen seien Gehaltsangaben für Vitamin B12 bei Spirulinaprodukten nicht zuverlässig.
Zu hohe Angaben in der Kennzeichnung solcher Produkte könnten problematisch werden für Hochrisikogruppen wie vegan lebende Menschen, aber auch für ältere Menschen und solche, die sich vegetarisch ernähren. Eine ausreichende Vitamin B12-Versorgung sei derzeit bei veganer Ernährung nur durch Einnehmen eines Nährstoffpräparates möglich. Dabei seien gezielt genutzte Monopräparate nach ärztlicher Beratung Multi-Vitaminpräparaten vorzuziehen.
In Deutschland sind Werbeaussagen für Spirulinakapseln, -pulver, -tabletten etcetera wie „reich an Protein“ oder „reich an Vitamin B12“ explizit verboten, wenn die Tagesdosis nicht mindestens 30 Prozent des Tagesbedarfs deckt. Erlaubt ist ein Verweis auf den hohen Chlorophyllgehalt. Dieser muss jedoch genau angegeben werden.
Eine wissenschaftliche Einschätzung der European Food Safety Authority erkannte keinen Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme von Spirulina und einem normalen Level an Blutglukose. Auch zeigt sich kein Einfluss der Bakterien auf den glykämischen Index, und es ließen sich bei gesunden Menschen auch keine antioxidativen Wirkungen feststellen.
Was unterscheidet Spirulina von Chlorella?
Chlorella ist ebenfalls eine Süßwasseralge, die in Deutschland als Superfood und Nahrungsergänzungsmittel gehandelt wird. Was unterscheidet die beiden Algenarten voneinander? Anders als Chlorella hat Spirulina keine Zellulosewände. Deswegen sind bei Spirulina alle enthaltenen Stoffe im Organismus besser verfügbar als bei diesen Einzeller-Algen.
Hat die Einnahme von Spirulina Nebenwirkungen auf die Schilddrüse?
Menschen, die an einer genetisch bedingten Phenylketonurie leiden, dürfen kein Spirulina zu sich nehmen, da diese die Aminosäure Phenylalanin enthält. Stoffe in Spirulina können Allergien auslösen. Kommt es bei Ihnen zu allergischen Reaktionen, dann verzichten Sie auf die Cyanobakterien.
Menschen mit einer Schilddrüsenüberfunktion müssen zwar bei Meeresalgen aufpassen, da diese viel Jod enthalten, was die Beschwerden verstärkt. Spirulina wird hingegen in Süßwasser gewonnen, und deshalb enthält es kaum Jod und kann auch bei Menschen mit einer solchen Erkrankung konsumiert werden.
Spirulina – Tabletten, Kapseln, Pulver
Spirulina lässt sich als Kapseln erwerben, als Pulver, als Tablette oder gepresst. Die Qualität der Spirulinaprodukte unterscheidet sich abhängig von der Produktion und Konservierung.
Wie sauber ist Spirulina?
Für Spirulina-Produkte existieren keine Qualitätsstandards. Gerade bei Produkten im Internet sind Belastungen möglich, sowohl mit Schwermetallen wie Toxinen, aber auch Verunreinigungen durch andere Mikroorganismen. Sicher sind Produkte aus geschlossenen Systemen mit sauberem Wasser, zudem führen manche Anbieter eigene Schadstoffkontrollen und Zertifikate ein. Der Verband Naturland hat zum Beispiel Richtlinien für die Aquakultur von „Mikroalgen“ entwickelt.
Spirulina für Pferde?
Spirulina findet sich auch in Nahrungsergänzungen für Pferde, Katzen und Hunde. Beworben werden diese für Beschwerden des Kreislaufs und Stoffwechsels, bei gestörten Immunreaktionen, um Toxine zu binden und oxidativen Stress zu reduzieren, um Entzündungen abzuschwächen und Wunden zu heilen, Hautirritationen zu behandeln, zum Regenerieren und dafür, eine gesunde Muskulatur aufzubauen. Derlei Wirkungen bei Pferden, Hunden und Katzen sind wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen.
Die Verbraucherzentrale warnt: Um Krankheiten zu lindern, zu heilen und zu behandeln, sind keine Nahrungsergänzungen da, sondern Arzneimittel. In Deutschland sind jedoch keine Arzneimittel mit Spirulina zugelassen.
Fazit
In Regionen, wie zum Beispiel in Indien, in denen ein chronischer Mangel an in Spirulina enthaltenen Inhaltsstoffen besteht, und Spirulina in großem Ausmaß genutzt wird, kann ein Verzehr von Arthrospira platensis sinnvoll sein. Bei einer halbwegs ausgewogenen Ernährung ist hierzulande der Konsum solcher Produkte überflüssig. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- European Food Safety Authority: EFSA Panel on Dietetic Products, Nutritions and Allergies (NDA); Scientific Opinion on the substantiation of a health claim related to various food(s)/food constituent(s) claiming maintenance of normal blood glucose concentrations; in: EFSA Journal, Volume 8, Issue 2, Seite 1490 ff., 2010 , EFSA
- Deutsches Ernährungsberatungs- & -informationsnetz: Spirulina getrocknet. Lebensmittelgruppe: Gemüse und Gemüseerzeugnisse; in: DEBInet - Informationen, Rezepte, Adressen, Termine und Serviceleistungen rund um die Themen Ernährung - Ernährungsmedizin - Ernährungsberatung - Ernährungstherapie - Ernährungswissenschaft – Ernährungssoftware, abgerufen am 17.7.2021 , DEBInet
- Saioa Gómez-Zorita, Jenifer Trepiana, Maitane González-Arceo et al.: Anti-Obesity Effects of Microalgae; in: International Journal of Molecular Sciences, Volume 21, Issue 1, Seite 41, 2020, MDPI
- Christiane Lerch, Tobias Morlock, Verena Bock: Veganer und Vegetarier aufgepasst – Spirulina, Afa und Chlorella sind keine zuverlässigen Vitamin B12-Quellen!; in: Baden-Württemberg: Die Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit; Volume 11, Seite 10, 2019 , Baden-Württemberg: Die Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit
- Johnny Cesar Ponce-Canchihuamán, Oscar Pérez-Mendez, Rolando Hernández-Munos et al.: Protective effects of Spirulina maxima on hyperlipidemia and oxidative-stress induced by lead acetate in the liver and kidney; in: Lipids Health and Disease, Volume 9, Issue 1, Seite 35, 2010 , BMC
- Verbraucherzentrale: Spirulina – Viel Grün und wenig dahinter; in: Klartext Nahrungsergänzung, 2020, abgerufen am 22.07.2021, Verbraucherzentrale
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.