Rauchen gehört unbestritten zu den häufigsten Todesursachen. Dennoch war Tabak für Amerikaner ein wichtiges Heilkraut – eine heilige Pflanze. Auch in Europa schaffte Nicotiana tabacum ihren Durchbruch in der Medizin. Wirkstoffe im Tabak lassen sich unter anderem gegen entzündliche Beschwerden einsetzen sowie gegen Autoimmunerkrankungen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief zum Tabak
- Wissenschaftlicher Name: Nicotiana tabacum
- Volksnamen: Rauchkraut, Kraut, Knaster
- Verwendete Pflanzenteile: Blätter, selten Blüten oder Wurzel
- Anwendungsgebiete:
- Harntrieb
- Beruhigungsmittel
- Zahnschmerzen
- Insektenstiche
- Hautparasiten wie Milben oder Flöhe
- Anregen von Magensaft und Galle
Inhaltsstoffe
Die Tabakpflanze enthält Nikotin (0,08 Prozent), Nornicotin und andere Pyridinalkaloide, Betain, Asparagin, Allantoin, Kaffeegerbsäure, Enzyme und Nitrate. Hinzu kommen Ammoniumsalze, Cellulose, Proteine, Naturharz, Pflanzenwachs, Apfelsäure, Zitronensäure und Oxalsäure. An Mineralstoffen sind Nitrat, Kalium, Natrium, Calcium, Magnesium, Eisen und Chlor vorhanden.
Nikotin – Krämpfe, Atemlähmung, Herzstillstand
Nikotin ist ein Pyridinalkaloid aus den Blättern der Tabakpflanze, bei Zimmertemperatur flüssig und farblos. In niedrigen Dosen erregt es die Ganglien, indem es die postsynaptischen Membranen depolarisiert. In höheren Dosen blockiert es hingegen die Ganglien.
In geringen Dosen steigert Nikotin den Blutdruck, verstärkt das Ausschütten von Magensaft und erhöht den Tonus im Magen-Darm-Trakt. Hohe Dosierungen führen hingegen zu einem Abfall des Blutdrucks, der lange anhält, und zu einer Darmatonie.
Nikotin wirkt sich auf das zentrale Nervensystem aus. In mittleren Dosen ruft es Tremor hervor und stimuliert die Atmung, toxische Dosen führen hingegen zur Atemlähmung und zu Krämpfen. Nikotin ist hochtoxisch, die tödliche Dosis liegt bei einem mg/kg Körpergewicht, das entspricht in etwa der aufgenommenen Menge beim Essen von sechs Zigaretten.
Vergiftungen durch Nikotin zeigen sich als Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Zittern der Hände, Schwäche in den Beinen, Krämpfe bis hin zu Bewusstlosigkeit, Atemlähmung und Herzstillstand. Das bedeutet schnell den Tod.
Bei Nicotiana tabacum bilden sich 97 Prozent des Nikotins in den Wurzeln und gelangen von da in die anderen Pflanzenteile wie Blätter, Stängel oder Blüten. Getrocknete, unbehandelte Blätter von Nicotiana tabacum enthalten in der Regel zwischen 0,5 und acht Prozent Nikotin, es wurden aber auch schon mehr als zehn Prozent nachgewiesen.
Nikotin – Nervengift und Nervenschutz
Trotz seiner Toxizität lässt sich Nikotin möglicherweise in Medikamenten gegen Nervenkrankheiten nutzen. So kam ein Forschungsteam um Ursula Winzer-Serhan an der Universität in Texas im Mäuseversuch zu dem Ergebnis, dass Nikotin erstens den Appetit senkte (die Mäuse fraßen weniger und verloren an Gewicht) und zweites nikotinische Acetylcholinrezeptoren wirkten. Diese Eigenschaft ließe sich womöglich nutzen, um neurodegenerative Krankheiten zu behandeln.
Das bedeutet keineswegs, zu rauchen, weil das „gut für die Nerven ist“. Medizinisch ist anerkannt, dass Nikotin zwar bei Erwachsenen eine Schutzfunktion für die Nerven spielen könnte, in Entwicklungsphasen bei Embryonen, Kindern und Jugendlichen jedoch als Nervengift wirkt und die Hirnfunktionen schädigt, abhängig von der Dosis.
Tabak in der Naturheilkunde
In der Volksmedizin und Naturheilkunde dienten Tabakblätter als Mittel gegen Wurmbefall, aufgelegt gegen Mücken-, Bienen-, Wespen- und Skorpionstiche; verbrannt als Mittel, um Moskitos fernzuhalten sowie Läuse und Milben auf der Haut zu töten.
Tabakblätter zu verzehren diente dazu, ungewollte Embryonen abzutreiben und half gegen Verstopfung. Von einer in der Volksmedizin verbreiteten Anwendung als Abtreibungsmittel sowie bei Verstopfung wird dringend abgeraten wie von jedem Verzehr der Blätter und Wurzeln (außer in standardisierten Fertigprodukten), da bereits eine geringe Menge tödlich wirkt und der Nikotingehalt in den Blättern zudem zwischen weniger als einem und zehn Prozent schwankt.
Die abortive Wirkung ist unspezifisch, es handelt sich um einen allgemeinen toxischen Effekt. Gegen Verstopfung gibt es in der konventionellen Medizin wie in der Naturheilkunde effiziente Mittel, die vollkommen sicher sind, auch insofern besteht kein Grund, mit dem Leben zu spielen. Das gilt auch für Abtreibungen.
Tabak gegen Rheuma?
In der indischen Medizin sind Tabakblätter ein Mittel gegen Zahnschmerzen, Karies, Ohrenschmerzen, entzündete Mund- wie Nasenschleimhäute sowie gegen Geschwüre, Furunkel und andere Hautentzündungen. In China und afrikanischen Ländern (siehe hier) sind ganze Tabakblätter, äußerlich angewandt, oder Extrakte aus den Blättern ein Mittel gegen Hautschwellungen, Hautentzündungen, rheumatische Beschwerden und rheumatische Schmerzen. Wirkstoffe sind hierbei Phenole und Flavonoide, nicht das Nikotin.
Tabakrauch in der indianischen Medizin
Die Tabakpflanze wurde als erstes vermutlich von den Maya kultiviert. Die südlichste Verbreitung der Gattung liegt in Guatemala, wilder Tabak kommt in Nordamerika vor allem im Großen Becken vor bis hinein nach Südkanada.
Der Tabakrauch aus der Pfeife galt indigenen Kulturen Nordamerikas als heilig, und Rauchrituale waren spirituelle Veranstaltungen. Sie dienten dazu, mit der Geisterwelt in Kontakt zu treten, Friedensverhandlungen mit feindlichen Stämmen einzuleiten („Friedenspfeife rauchen“), „schädliche Geister“ zu vertreiben und „profan“, um Insekten und Parasiten zu vertreiben.
Tabak in der Homöopathie
In der Homöopathie gilt Tabak als Mittel gegen Herzbeschwerden, Abfall des Blutdrucks und Durchfall in Verbindung mit Erbrechen. In den homöopathischen Dosierungen sind keine nachweisbaren biochemischen Wirkstoffe enthalten, und insofern besteht auch keine toxische Wirkung.
Tabak in der Komplementärmedizin
In der Komplementärmedizin, also in Maßnahmen, die Hauptbehandlungen ergänzen, lässt sich Tabak nur sehr eingeschränkt einsetzen. Tabak wirkt beruhigend und harntreibend. Deswegen ist vorstellbar, Extrakte in Nahrungsprodukten als „Functional Food“ einzusetzen oder als spezielle Präparate, um einen Raucherentzug zu begleiten.
Tabakblätter gegen Tumore?
Sir Walter Raleigh brachte 1586 die Tabakpflanze nach England, doch ihr Konsum war verboten. Die Kirche stellte Nicotiana tabacum gar unter Bann. Doch die Eroberer der Neuen Welt, Portugiesen und Spanier, führten ihn auf die Iberische Halbinsel ein. Zuerst verbreitete sich die Tabakpflanze als Zierde in den Gärten des Adels.
Der französische Botschafter in Portugal stellte Versuche mit Tabakauflagen am Körper an. Angeblich heilte er damit einen Mann, der an einem Tumor litt, wobei nicht klar ist, ob es sich um ein Karzinom oder ein Hautgeschwür handelte. Jedenfalls veranlasste den Botschafter dieser Erfolg, weiter zu experimentieren, und er brachte den Tabak an den französischen Königshof.
Dort stellten die herrschenden Klassen bald fest, dass die getrockneten Blätter sich auch vorzüglich rauchen ließen, und die Rauchkultur nahm ihren Lauf. Der Name des Botschafters lautete Nicot und von ihm bekam das Nikotin seinen Namen.
Lungenkrebs, Unfruchtbarkeit und Herzkrankheiten
Heute ist Rauchen die verbreitetste Sucht und Zigaretten sind eines der häufigsten Genussmittel. Rauchen als „Volkskrankheit Nummer 1“ mit den bekannten Folgen wie Lungen-, Kehlkopf-, Darm- oder Mundkrebs, Unfruchtbarkeit, Herzkrankheiten, Erkrankungen der Atemwege, chronischer Bronchitis, Hirnschäden bei Embryonen etc. lässt kaum ahnen, dass sich die Tabakpflanze in Europa zuerst als Arzneimittel etablierte.
Zigaretten als Phytomedizin?
Wie Bilsenkraut und Ayahuasca war und ist die Tabakpflanze eine der „heiligen Pflanzen“, mit denen Schamanen in die Welt der Geister reisen. Tabak als Gift und Tabak als Medizin schließen sich gegenseitig nicht aus. Sehr viele medizinische Heilstoffe und Heilpflanzen können toxisch wirken.
So ist Bilsenkraut wegen seiner tödlich giftigen Wirkung nicht als Phytomedizin anerkannt, während die in ihm enthaltenen Alkaloide in reiner und strikt dosierter Form höchst wirksame Arzneimittel darstellen. Auch bei aus der Tabakpflanze gewonnenen Stoffen halten Sie sich besser an Fertigpräparate statt Selbstversuche zu starten. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Robles Noemi, Josefa Sabriá: Reproductive and Developmental Toxicology. Effects of ethanol and nicotine on human CNS development., Pages 333-339, 2011, sciencedirect
- Christian Agyare et al.: Anti-Inflammatory and Analgesic Activities of African Medicinal Plants.; in: Medicinal Plant Research in Africa: Pharmacology and Chemistry, Pages 725-752, 2013, researchgate
- Mons, Dr. Ute; Dr. Katrin Schaller: Kalter Tabakrauch. Fakten zum Rauchen, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg, 2016, dkfz
- Robert Koch-Institut Zentrum für Krebsregisterdaten: Lungenkrebs (Bronchialkarzinom), krebsdaten
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.