Die unscheinbaren Taubnesseln mit den schönen weißen oder purpurnen Blüten sind essbar und enthalten viele gesunde Stoffe. Taubnesseltee ist ein Hausmittel gegen Atemwegserkrankungen, Husten und Entzündungen im Mund sowie bei Frauenleiden.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Lamium album (Weiße Taubnessel), Lamium masculatum (Purpurrote Taubnessel, Rote Taubnessel), Lamium galeobdolon (Goldnessel)
- Volksnamen: Kraut der lächelnden Mutter, Kuckucksnessel, Todeskraut, Nessel, Nettel, Tote Nessel, Zauberkraut, Zaubernessel
- Pflanzenfamilie: Lippenblütler (Lamiaceae)
- Vorkommen: In Europa auf stickstoffreichen Böden weit verbreitet
- Verwendete Pflanzenteile: Alle Teile der Pflanze
- Inhaltsstoffe: Schleim- und Gerbstoffe, Mineralstoffe, Spurenelemente wie Magnesium und Kalzium, dazu Flavonoide und ätherische Öle
- Anwendungsgebiete:
- Menstruationsbeschwerden
- Magen-Darm-Beschwerden
- Entzündungen in Hals, Mund und Rachen
- Durch Husten bedingte Schmerzen
- Blutreinigung
Übersicht
- Triebe, Blüten und Blätter lassen sich für Salat, Suppen und Aufläufe nutzen oder als Beilage und Pesto, auch zusammen mit der mindestens ebenso gesunden Brennnessel. Sie sollten Taubnessel nur kurz dünsten, sonst verliert sie Aroma und Vitalstoffe.
- Die drei bekanntesten Arten der Gattung, die Weiße Taubnessel, die Rote Taubnessel und die Goldnessel decken sich von ihren Wirkungen her weitgehend, wobei die gesunden Inhaltsstoffe in der Roten Taubnessel am konzentriertesten vorkommen.
- Der Gattungsname Lamium stammt vom griechischen Wort Lamos für den Rachen beziehungsweise Schlund und lehnt sich an die Blüten an, deren Form sich mit etwas Fantasie mit einem geöffneten Mund assoziieren lässt .
- Taubnessel wächst an Wegrändern, in Gärten mit ungemähtem Rasen, auf feuchten Gräbern, Wiesen, Schutthalden und Äckern. Da sie einen nährstoff- und vor allem stickstoffreichen Boden mag, profitiert sie vom Einsatz stickstoffhaltiger Dünger in der modernen Landwirtschaft, der im Übermaß generell viele Ökosysteme schädigt und diverse Wildpflanzen bedroht. Taubnessel ist ein Stickstoffanzeiger: Wenn sie sich in ihrem Garten verbreitet, bedeutet das viel Stickstoff – das Gleiche gilt für die Brennnessel.
- Taubnesseln blühen bereits ab März und sind eine wertvolle Nahrungspflanze für Wildbienen, Wildhummeln und andere Insekten in der für sie noch kargen Zeit des beginnenden Frühlings. Um Taubnesseln zu essen oder als Heilpflanze zu nutzen ist es deshalb besser, sie erst ab Mai zu ernten, wenn die Insekten genügend andere Blüten finden.
- Taubnesseln haben im Unterschied zu Brennnesseln keine Brennhaare, die schmerzhafte Quaddeln auf der Haut verursachen. Daher rührt der Name Taubnessel oder Tote Nessel in der Bedeutung von „empfindungslos“ oder auch „keine Empfindungen verursachend“.
Medizinische Wirkungen
Taubnesseln sind, trotz ihrer langen traditionellen Anwendung, pharmakologisch unzureichend untersucht. Bekannt ist, dass sie Inhaltsstoffe enthalten, die medizinische Wirkungen auslösen:
- Triterpene fördern den Auswurf,
- Schleimstoffe lindern Reize bei entzündlichen Erkrankungen besonders der Schleimhäute,
- Gerbstoffe ziehen zusammen, wirken so gegen Magen-Darm-Leiden und stillen leichtere Blutungen auf Haut und Schleimhaut und
- die enthaltenen Flavonoide dienen als Schutz vor pathogenen Mikroben.
Purpurrote und weiße Taubnessel könnten laut verschiedener Studien, deren Ergebnisse in einem umfassenden Review zusammengetragen wurden, aufgrund der enthaltenen Stoffe folgendermaßen wirken:
- antibakteriell,
- antiseptisch,
- harntreibend und
- wundheilend.
Extrakte aus der Weißen Taubnessel zeigten im Versuch Effekte auf Hornhautepithelzellen. Die Forschenden sind der Meinung, dass nach weiteren in vivo-Untersuchung Taubnessel-Extrakt möglicherweise als Arzneimittel zur Behandlung von Augenkrankheiten in die Praxis eingeführt werden könnte.
Andere Forschungen deuten darauf hin, dass Stoffe der Taubnessel helfen könnten, Hepatitis C Viren abzuwehren.
Anwendungen in der Volksmedizin
Die getrockneten Blüten der Weißen und Purpurroten Taubnessel sind als Heiltee ein Hausmittel gegen Entzündungen der oberen Atemwege. Gegurgelt dient der Tee als Arznei gegen Entzündungen in Mund und Rachen. Als Sitzbad wird er genutzt, um chronischen Weißfluss bei Frauen zu behandeln. Bäder und Waschungen sollen auch Juckreiz mildern. Der Tee ist auch gut geeignet, um den Harnfluss zu fördern, was bei Entzündungen in den Harnwegen, der Blase und den Nieren helfen kann.
Äußerlich eingesetzt wird Taubnessel-Extrakt in der Volksheilkunde gegen:
- Bauch- und Unterleibskrämpfe,
- unregelmäßige Menstruation,
- Juckreiz,
- Schwellungen und
- Prellungen.
Umschläge sollen die Heilung bei kleinen Hautwunden, Entzündungen, Sonnenbrand und Insektenstichen unterstützen.
Im Magen-Darm-Trakt dienen Zubereitungen mit Taubnessel gegen gereizte Schleimhäute, Völlegefühl und dazu, die Darmfunktionen zu stärken und den Appetit anzuregen. Taubnesseltees sollen auch entspannen, den Schlaf fördern, Stress abbauen und nervöse Stimmungen beruhigen.
Regelmäßige Einnahme von Taubnesseltee soll
- das Herz-Kreislauf-System unterstützen,
- die Blutzirkulation verbessern,
- den Lymphfluss fördern,
- die Atemwege kräftigen und
- allgemein stärken.
Auch gegen spezielle Leiden wie Augenflimmern und Ohrendröhnen wird der Tee eingesetzt. Die Wirksamkeit bei all diesen Beschwerden ist aber weder wissenschaftlich belegt noch hinreichend wissenschaftlich untersucht.
Taubnessel in der Medizingeschichte
In den Kräuterbüchern der frühen Neuzeit sind Taubnesseln erwähnt. So empfahl der Arzt Lonicerus (1528-1586) Taubnesselwasser „für die weisse Zeit der frawen“. Albrecht von Haller (1707-177), ein Schweizer Arzt und Naturforscher, nutzte die Taubnessel mitsamt der Blüten „als zuverlässiges Mittel wider den weissen Fluss und die Kröpfe“. Sebastian Kneipp (1821-1897) sah im Blütentee eine Arznei gegen Schmerzen im Mittelohr. Johann Künzle (1857-1945) meinte, Taubnessel helfe gegen Eiweißausscheidungen im Urin.
Taubnesseltee
Für einen Taubnesseltee übergießen Sie rund vier Teelöffel des frischen Krautes mit heißem Wasser, lassen alles zehn Minuten ziehen und seihen es ab. Trinken Sie mehrmals täglich eine Tasse des jeweils frisch zubereiteten Suds gegen Verschleimungen und Magen-Darm-Erkrankungen.
Nesselblütentee – äußere Anwendung
Im gleichen Verhältnis, indessen mit größeren Wasser- und Pflanzenmengen, setzen Sie Blütentee ein, um Sitzbäder zuzubereiten. Sie fügen einen halben Liter des Suds einem Sitzbad auf Körpertemperatur hinzu oder tränken damit Umschläge, die sie auf juckende, entzündete oder verletzte Haut auflegen. Den Tee für die Umschläge bereiten sie frisch zu und legen ihn handwarm auf, denn so fördert er die Durchblutung am besten und dann können die bioaktiven Stoffe in tiefere Hautschichten eindringen. Den Umschlag lassen sie rund zehn Minuten auf der Haut liegen.
Weiße Taubnessel
Die Weiße Taubnessel kommt in drei Unterarten von Europa über West- und Zentralasien bis Indien und China vor und ist als Neophyt in Nordamerika weit verbreitet. Mit ihren Pollen ist sie eine wichtige Pflanze für die Honigbienen. Indessen wird sie vor allem durch Hummeln bestäubt, die mit langem Rüssel den Nektar heraussaugen. Weiße Taubnessel gedeiht in Europa prächtig, bedingt durch die Überdüngung mit Stickstoff, sie gilt als Pionierpflanze und Kulturfolger.
Purpurrote Taubnessel
Die Purpurrote Taubnessel unterscheidet sich von ihrem weiß blühenden Verwandten, wie der Name es sagt, durch die Farbe ihrer Blüten. Sie findet sich allerorten in Lücken auf Äckern, Gärten, Weinbergen, an Müllkippen, Schotterplätzen und Wegen, am Waldrand und generell in der Halblichtzone. Wie die Weiße Taubnessel profitiert sie vom hohen Stickstoffgehalt durch Mineraldünger und besiedelt daher besonders viel gedüngte Äcker.
Gefleckte Taubnessel
Die Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum)ist weniger häufig als die rot- und weißblühenden Arten. Sie besiedelt Saumbiotope, Mauern, Gräben und offene Laubwälder. Im Gebirge wächst sie bis in rund 2000 Meter Höhe.
Taubnesseln sammeln
Taubnesseln lassen sich in der gesamten Wachstumszeit sammeln, am besten sind aber März bis Mai und September bis Oktober. Um sie zum Essen zu nutzen, ist es besser, den ganzen Spross nur im Frühjahr zu ernten, im Sommer dagegen die oberen jungen Blätter zu pflücken. Diese schmecken zarter als die voll ausgewachsenen Teile des Krauts.
Taubnesselblätter lassen sich wie Spinat verarbeiten, als Beilage nutzen, in Suppen als Gemüsekraut verwenden, sie schmecken in Salaten oder im Pesto, passen klein gehackt zu Kräuterquark und -joghurt.
Taubnesselblätter lassen sich gut zusammen mit anderen essbaren Gartenpflanzen und Kräutern mischen und ergeben so ein schmackhaftes Gewürzkraut für Suppen. Für eine solche Mischung sammeln Sie Blätter zum Beispiel von:
- Taubnesseln,
- Brennnesseln,
- Bärlauch,
- Waldmeister,
- Giersch,
- Liebstöckel,
- Zitronenmelisse,
- Petersilie,
- Huflattich,
- Spitzwegerich,
- Frauenmantel,
- Wiesenklee,
- Blüten der Schafgarbe,
- Quendel,
- Löwenzahn und
- Sauerampfer.
Die zerkleinerten Blätter bieten eine ausgezeichnete Basis für eine Kräutersuppe. Der mild würzige Geschmack der Taubnessel wird mit Sekt verglichen. Beim Sammeln gilt generell: Meiden Sie Gegenden, die mit Schadstoffen belastet sind. Taubnesseln gedeihen an reichlich gedüngten Äckern ebenso wie an viel befahrenen Straßen. Dort sollten Sie aber gerade nicht sammeln, sondern eher im Garten, am Wegesrand oder auf Schotterplätzen.
Triebspitzen blühender Taubnesseln harmonieren mit Gurke und Schafskäse, sie passen zu einer Gemüselasagne mit gerösteten Nüssen. Die zerkleinerten Blätter lassen sich in Rührei und Bratlingen einsetzen. Für Smoothies eignen sich Taubnesseln nicht besonders gut. Den sekt- bis pilzartigen Geschmack, der Suppen eine besondere Note gibt, wird in Smoothies von manchen als „muffig“ beschrieben. Geröstete Wurzeln der Taubnesseln lassen sich zermahlen als Kaffeeersatz nutzen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Salehi, B.; Armstrong, L. et al.: Lamium Plants - A Comprehensive Review on Health Benefits and Biological Activities. In: Molecules. 2019, Vol. 24, Issue 10, S.1913, MDPI
- Pourmirzaee Sheikali Kelayeh, T.; Abedinzade, M et al.: A review on biological effects of Lamium album (white dead nettle) and its components. In: Journal of Herbmed Pharmacology, 2019, Vol. 8, Issue 3, S. 185-193. , JHPO
- Paduch, R; Woźniak, A.: The Effect of Lamium album Extract on Cultivated Human Corneal Epithelial Cells (10.014 pRSV-T). In: Journal of Ophthalmic and Vision Research, 2015, Vol 10, Issue 3, S. 229-37, NCBI
- Yalcin, F.N.; Kaya, D.: Ethnobotany, pharmacology and phytochemistry of the genus Lamium (Lamiaceae). In: Fabad Journal Pharm Science, 2006, Vol. 31, Issue 1, S. 43-52., Research Gate
- Zhang, H.; Rothwangl, K. et al.: Lamiridosins, hepatitis C virus entry inhibitors from Lamium album. In: Journal of Natural Products, 2009, Vol. 72, Issue 12, S. 2158-62. , ACS Publications
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) (Herausgeber): Stoffliste des Bundes und der Bundesländer, Kategorie „Pflanzen- und Pflanzenteile“. Basel 2014.
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.