Der Lebensbaum trägt seinen Namen, weil er französischen Seeleuten das Leben rettete. Auch wegen seiner immergrünen Zweige gilt er als Lebenssymbol. Wir kennen ihn als allgegenwärtige Heckenpflanze. Thuja occidentalis, so der lateinische Name, lässt sich medizinisch einsetzen – zum Beispiel gegen Infektionen der Atemwege und bakterielle wie virale Erkrankungen. Sie sollten aber Arzneien nicht im Selbstversuch herstellen, da Sie sich mit dem im Lebensbaum enthaltenen Thujon vergiften können.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Thuja occidentalis
- Volksnamen: Thuja
- Vorkommen: USA, Kanada, Europa
- Verwendete Pflanzenteile: Zweigspitzen
- Anwendungsgebiete: Rheuma, Gicht, chronische Schmerzen, als Insektizid, bakterielle Hautinfektionen wie Herpes simplex, Warzen, in kombinierten Fertigpräparaten vor allem bei entzündliche Erkrankungen der Atemwege und bei Erkältung.
Inhaltsstoffe
In den Kategorien der Heilpflanzenlexika gilt Lebensbaum als Ätherische-Öl-Droge: Ätherische Öle sind zu 0,4 bis vier Prozent vorhanden, besonders das toxische Thujon in den Formen a-Thujon und ß-Thujon, zudem a-Terpinen, Sabinen, Limonen, Campher, Borneol und Fenchon. In Spuren vorhanden sind auch Carvotanaceton, Origanen, Origanol, Terpinolen, Thujyalkohol, a- und y-Thujaplicin.
Hinzu kommen das Lignan Plicatsäure, die Sesquiterpene Occidentalol, Occidol (in den Holzteilen des Baumes), die Flavonoide Procyanidin-B3, Prodelphinidin 2, die Bioflavonoide Amentoflavon und Bilobetin. An Gerbstoffen enthält Thuja Catechin und Gallocatechin, an Glykosiden Occidensid, Umbelliferon und p-Cumarsäure.
Weiterhin bietet der Lebensbaum wasserlösliche Polysaccharide (4,1 Prozent in den frischen Zweigspitzen), davon besonders Pentosen und Glykoproteine; dazu in den Zweigspitzen 2,1 Prozent wasserlösliche Mineralstoffe, 1,7 Prozent freie Säuren und 1,3 Prozent Gerbstoffe. Thuja hat einen hohen Gehalt an Vitamin C.
Wirkungen
Wirkstoffe in den Zweigspitzen regen das Immunsystem an und wirken gegen Viren, bestimmte Bakterien und andere Mikroben. Extrakte aus den Zweigspitzen sind in Fertigpräparaten mit Echinacea enthalten, um entzündliche Erkrankungen der Atemwege zu behandeln.
Pharmakologische Eigenschaften – in vitro und in vivo Studien
Zahlreiche Studien, sowohl in vitro als in vivo, belegen inzwischen, dass Thuja das Immunsystem stimuliert und stärkt und außerdem gegen Viren wirkt. Das antivirale Potenzial hat Effekte vor allem über die Makrophagen und Monozyten. Thuja aktiviert die Makrophagen, dies zeigt sich darin, dass die Cytokinsekretion ansteigt, die NO2-Produktion angeregt wird und die CD-4-positiven T-Zellen aktiviert werden.
In vivo zeigten Versuche bei Mäusen, dass Thuja-Polysaccharide dafür sorgten, dass die koloniebildenden Granulozyten und Makrophagen zunahmen, ebenso die Milzzellen, während sich die hämatopoetischen Vorläuferzellen regenerierten.
Wie wirkt Thuja auf das Immunsystem?
Der Wirkmechanismus von Thuja auf die Immunabwehr des Körpers ist nur unzureichend erforscht. Eine Hypothese lautet, dass die verantwortlichen Wirkstoffe mittels der M-Zellen im Darm mit dem lymphatischen Gewebe rund um den Darm in Kommunikation treten und so die mukosale Immunreaktion auslösen.
Thuja-Extrakt als Arznei – Klinische Studien
Polysaccharide aus der Thuja stimulieren das Immunsystem und lassen sich isolieren. In Arzneimitteln gegen Erkältungen finden Sie eine Mischung aus Sonnenhut, Wildem Indigo und Thuja. Thuja als Einzelarznei wurde kaum klinisch geprüft. Es gibt jedoch viele klinische Studien zu einem Wasserethanolextrakt aus folgenden Pflanzen: Thuja occidentalis, Echinacea purpurea, Echinacea pallida und Baptisia tinctoria. Diese Untersuchungen zeigten eine deutliche Überlegenheit des pflanzlichen Mittels gegenüber Placebos, gemessen anhand der AUC-Werte der Rhinitis-Skala, Bronchitis-Skala und der Beurteilung der Schwere der Erkrankung durch Arzt / Ärztin. Der größte Effekt zeigte sich, wenn die Betroffenen das Präparat gleich zu Beginn einer Erkältung einnahmen.
Weitere Studien zu diesem pflanzlichen Arzneimittel zeigten deutliche Effekte, wenn es als Komplementärmedizin zu Antibiotika bei der Therapie bakterieller Entzündungen der oberen Atemwege eingesetzt wurde.
Toxizität – Lebensbaum und Todesgift
Der Hauptwirkstoff Thujon ist toxisch. Thujon war früher im Getränk Absinth enthalten, was den Genuss dieses Rauschmittels in größeren Mengen gefährlich machte. Zur Alkoholvergiftung gesellte sich dann die toxische Wirkung des Thujons: Krämpfe und auf Dauer Schäden an Leber und Nieren. Eine Überdosis führt zu Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall und Magen-Darm-Katarrhen, zu Kopfschmerzen, Nervosität und chronischen Krämpfen. Eine hohe Überdosis kann zum Tod führen.
Symptome können auch auftreten, wenn Sie in größeren Mengen Tee aus frischen Zweigspitzen trinken – eine genaue Angabe für eine sichere Menge solchen Tees ist kaum möglich, da der Thujon-Gehalt in den Zweigspitzen schwankt.
Deswegen dürfen Sie Thuja innerlich nicht unkontrolliert einsetzen und sollten bei flüssigen Extrakten aus den Blättern unbedingt auf Fertigarzneimittel zurückgreifen, die die Wirkstoffe enthalten. Eine Dosis von 1,25 Milligramm Thujon pro Kilogramm Körpergewicht gilt als ungefährlich. In Fertigarzneien, die Thuja enthalten und die gegen Atemwegserkrankungen eingesetzt werden, ist der Thujongehalt so niedrig, dass keinerlei Gefahren bestehen.
Auch äußerlich eingesetzt ist Thuja (Thujonextrakt) nur in genauer Dosierung und unter ärztlicher Kontrolle zu empfehlen. Die menschliche Haut reagiert tendenziell sehr empfindlich auf den Wirkstoff – Ekzeme und krankhafte Reaktionen der Haut mit Quaddeln, Rötungen und Juckreiz können die Folge sein.
Wie hoch der Gehalt an Thujon in den Auszügen ist, hängt von den ausziehenden Mitteln und der Temperatur beim Extrahieren ab. Ein mit 90 Prozent Ethanol durchgeführter Extrakt enthält 7,9 Milligramm Thujon pro Gramm der Droge, ein 30-prozentiger Ethanolextrakt nur noch 2,8 Milligramm Thujon, ein Extrakt mit gereinigtem Wasser lediglich 0,6 Milligramm Thujon. Eine Destillation mit Wasserdampf ergibt einen hohen Thujon-Anteil von 7,6 Milligramm. Die Phytotherapie setzt für pflanzliche Arzneimittel mit Lebensbaum in der Regel einen 30-prozentigen Ethanolextrakt ein – der Thujon-Gehalt ist gesundheitlich unbedenklich.
Gegen Viren, Bakterien und Insekten
Die toxische Wirkung war und ist bisweilen gewünscht. So bremst der Giftstoff auch die Vermehrung von Viren, die Warzen auslösen. Voraussetzung ist, dass keine dicke Hornhaut das Thujon hindert, die Hautschichten zu durchdringen. Thujaöl wirkt auch giftig auf Insekten und lässt sich verwenden, um Insekten zu töten beziehungsweise abzuwehren.
Phytotherapie gegen Insekten
In der Naturheilkunde gibt es andere Heilpflanzen, die ebenfalls gegen Insekten wirken und die Haut weniger reizen. Dazu gehören Öle aus Lavendel, Zitronenmelisse, Bergamotte, Walnussbaum, Gewürzlorbeer, Zitronengras und Katzenminze.
Thujaöl in der Komplementärmedizin
In der Komplementärmedizin dient das reizende Thujaöl als Counterirritans. Die durch das Öl gereizte Haut soll die biochemischen Prozesse in Gang bringen, um die betroffene Körperregion zu versorgen und zu aktivieren. Ein durch das Lebensbaumöl ausgelöster Schmerz soll dazu führen, den chronischen Schmerz zu lindern, indem durch den akuten und lokalen Reiz die körpereigene Schmerzregulation in Aktion tritt.
Anwendungsgebiete sind rheumatische Schmerzen, Gelenkschmerzen, steife Muskeln, Kopfschmerzen und neuralgische Schmerzen. Um die Reizwirkung des Öls medizinisch zu nutzen, sollte dieses nur sehr gezielt und kontrolliert eingesetzt werden. Thujaextrakte lassen sich auch in der Begleittherapie zu Antibiotikabehandlungen bei bakteriellen Infektionen einsetzen, besonders gegen Herpes simplex labialis.
Lebensbaum in Volksmedizin, Mythos und Homöopathie
Thuja leitet sich ab vom griechischen Wort thyein, was ins Lateinische einging als thus, und das bedeutet Weihrauch. Damit war nicht speziell die gleichnamige Pflanze gemeint, sondern das Darbringen eines Rauchopfers an die Götter. Thuja occidentalis bekam den Namen erst viele Jahrhunderte später, denn der Baum stammt ursprünglich aus Nordamerika.
Bei amerikanischen Indigenen galt Thuja als Schutzpflanze. Sie räucherten mit den Zweigen die Räume Verstorbener aus und reinigten Wände und Böden mit Thujazweigen. Der Lebensbaum ist hier ein Beispiel dafür, wie reale biochemische Wirkungen in die Metaphysik übertragen wurden – die Wirkstoffe im Lebensbaum bekämpfen pathogene Mikroben, die für das menschliche Auge ebenso unsichtbar sind wie die Schaden bringenden Geister in den Vorstellungen der Indigenen.
Im Europa der frühen Neuzeit bekam der neu eingeführte Lebensbaum schnell symbolische Bedeutungen zugeschrieben. Die immergrünen Zweige galten als Symbol der Unsterblichkeit – ein Grund dafür, warum Thuja als Friedhofspflanze beliebt ist. Bei den Feiern zu Allerheiligen und am Palmsonntag wurden Thujazweige bald ein Sinnbild dafür, den Tod zu überwinden. Es gibt heute zahlreiche Zuchtformen des Thuja, die auf nassen, aber auch trockenen und schattigen Böden wachsen. Zu den bekanntesten gehören unter anderen Spiralis, Brabant und Smaragd.
Symbolische Zuschreibungen der Thuja gingen in Heilslehren ein, bei denen sich medizinische Anwendung und esoterisch-religiöse Assoziation vermischten. So sollte der Lebensbaum Körper und Seele zusammenführen und die Identität stärken. Räucherungen mit Thuja dienen in esoterischen Ritualen dazu, „verlorene Seelenanteile“ zurückzuholen.
Die Homöopathie setzt Thuja in extrem verdünnten Lösungen gegen Entzündungen ein: Gegen Hauterkrankungen wie Geschwüre, Ausschlag, Gürtelrose oder Flechten sowie gegen Infektionen der Atem- und Harnwege, auch gegen Herpes im Genitalbereich. „Thuja extern“ dient in der Homöopathie dazu, Warzen zu behandeln. In der Homöopathie sollen extrem verdünnte Thujaextrakte auch gegen fettige Haare und Schweißgeruch helfen. Eine Wirkung ist nicht belegt, und da bei starken Verdünnungen keine Wirkstoffe mehr vorhanden sind, auch unwahrscheinlich.
Thuja als Abtreibungsmittel
In der frühen Neuzeit, als Abtreibungen illegal waren, dienten Thujazweige als Mittel, ungewollte Föten abzutreiben. Es handelte sich um eine aus der Not geborene, ebenso gefährliche wie unwirksame Methode, eine Schwangerschaft zu beenden. Thujon hat keine abortive Wirkung. Wenn der Fötus bisweilen doch abgestoßen wurde, dann durch die Krämpfe infolge der Vergiftung – häufiger als zur Abtreibung führte ein solcher Konsum von Thuja zum Tod.
Warum Lebensbaum? Die Medizingeschichte
Der Abendländische Lebensbaum stammt nicht aus dem „christlichen Abendland“, also dem vormodernen Begriff für Europa, sondern aus der, von Europa aus betrachtet, „Neuen Welt“ – aus dem Osten Nordamerikas. 1535 landete der Franzose Jacques Cartier mit seiner Mannschaft in Neufundland. Die Seefahrer waren schwerkrank, sie litten an Skorbut. Niemand wusste damals in Europa, dass es sich bei dieser Erkrankung um einen Mangel an Vitamin C handelt. Einheimische Huronen gaben den Männern einen Tee aus Thujarinde, und die Kranken gesundeten. Cartier nannte den Baum, der den Seefahrern das Leben gerettet hatte, „Arbor vitae“ – den Lebensbaum.
Thuja in der Phytotherapie
Pflanzliche Arzneimittel aus Thuja enthalten Zweigspitzen von circa zwei Zentimeter hohen Büschen aus kontrolliertem Anbau. Geerntet werden diese in der Regel im Juni. Die Droge Thujae occidentalis herba oder Lebensbaumspitzen stammt von der Grundform Thuja occidentalis oder kultivierten Formen wie Aureospicata, Lutea, Vervaeneana oder Wareana.
Fazit
Thuja occidentalis ist in der evidenzbasierten Phytotherapie und der evidenzbasierten Komplementärmedizin eine oft verwendete Heilpflanze. Ihre positiven Effekte auf das Immunsystem und gegen Viren sind sowohl durch in vitro als auch in vivo Studien belegt. Kombinierte Arzneimittel mit mehreren Heilpflanzen, die Thuja enthalten (Esberitox R), sind ebenso wirksam wie unbedenklich und sind als wirksame Komplementärmedizin zu einer Antibiotika-Therapie bei schweren bakteriellen Infekten bestätigt. Als Hausmittel sollten Sie die frischen Pflanzen jedoch nicht einsetzten – Thujon ist ein Gift und in höheren Dosen gefährlich. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- S. Chakraborty et al.: Antimicrobial activity of Cannabis sativa, Thuja orientalis and Psidium guajava leaf extracts against methicillin-resistant Staphylococcus aureus. In: J Integr Med. 2018 Sep;16(5):350-357. doi: 10.1016/j.joim.2018.07.005. Epub 2018 Jul 29, PubMed
- Belal Naser et al.: Thuja occidentalis (Arbor vitae): A Review of its Pharmaceutical, Pharmacological and Clinical Properties. In: Evid Based Complement Alternat Med. 2005 Mar; 2(1): 69–78. Published online 2005 Feb 9, PubMed
- M. Pudelek et al.: Therapeutic potential of monoterpene α-thujone, the main compound of Thuja occidentalis L. essential oil, against malignant glioblastoma multiforme cells in vitro. In: Fitoterapia. 2019 Apr;134:172-181. doi: 10.1016/j.fitote.2019.02.020. Epub 2019 Feb 27, PubMed
- IS Silva et al.: Evaluation of anti-inflammatory potential of aqueous extract and polysaccharide fraction of Thuja occidentalis Linn. in mice. In: Int J Biol Macromol. 2017 Dec;105(Pt 1):1105-1116. doi: 10.1016/j.ijbiomac.2017.07.142. Epub 2017 Jul 24, PubMed
Wichtiger Hinweis:
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