Vergissmeinnicht bezeichnet Frühlingsblumen mit kleinen blauen, bisweilen auch rosa, gelben oder weißen Blütensternen. Aus den rund 50 Arten wurde aus dem Wald-Vergissmeinnicht das Garten-Vergissmeinnicht kultiviert, das in diversen Sorten als Zierpflanze dient. Weniger bekannt sind die Blumen heute in ihrer Bedeutung als Heilpflanze, die sie in der Volksmedizin hatten, besonders gegen Lungen- und Lympherkrankungen.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Myosotis (Gattung)
- Volksnamen: Mausöhrlein (Acker-Vergissmeinnicht), Blauer Augentrost, Je länger, je lieber; historisch: Froschäuglein, Männertreu, Katzenauge, Blauer Himmelsschlüssel
- Familie: Raublattgewächse (Boraginaceae)
- Verbreitung: Die Gattung ist in Eurasien, Afrika, Amerika und Australien verbreitet, bevorzugt in der gemäßigten Klimazone, von den rund 50 Arten kommen um die 40 in Europa vor.
- Verwendete Pflanzenteile: Die gesamte Pflanze
- Inhaltsstoffe: Unter anderen Alkaloide, Flavonoide, Saponine (Schleimstoffe) und Fettsäuren, Gerbstoffe und Kalium
- Anwendungsgebiete: Vor allem in der Volksheilkunde, beispielsweise gegen geschwollene Lymphknoten, virale und bakterielle Erkrankungen, äußerlich gegen Quetschungen, Zerrungen, Prellungen und Verstauchungen, historisch gegen Lungen- und Darmtuberkulose sowie gegen chronische Bronchitis. Die Anwendung ist bislang nicht ausreichend wissenschaftlich belegt!
Vergissmeinnicht – Eine Übersicht
- Der lateinische Gattungsname Myosotis bedeutet auf Griechisch „Mauseohr“. Angeblich stammt er von den samtig behaarten Blättern, die an die Ohren von Mäusen erinnern sollten. Das ist aber umstritten, da die Form der Blätter bei vielen Arten nicht einem solchen Ohr entspricht. Einige Forschende vermuten daher, dass „Mausohr“ ursprünglich andere Pflanzen bezeichnete.
- Dem deutschen Namen „Vergissmeinnicht“ entspricht das Englische „Forget-me-not“ und das französische „Ne m’oubliez pas“. Der Ursprung dieser Bezeichnung ist unzureichend geklärt, in jedem Fall gelten die Blumen in verschiedenen Kulturen als Symbol für Treue, Verbindung, Erinnerung und Liebe.
- Die Pflanzen der Gattung enthalten zwar in geringer Menge Stoffe, die in sehr großen Mengen Vergiftungen auslösen können. Deren Konzentration ist aber derart niedrig, dass Vergissmeinnicht-Spezies nicht nur als ungiftig zu bezeichnen sind, sondern sich sogar in der Wildkräuterküche nutzen lassen.
- Wald-Vergissmeinnicht wurde mit anderen Kräutern wie Lavendel, Salbei, Thymian, Ysop oder Lungenkraut zu Tinkturen und Heilsalben verarbeitet. Historisch wurde Vergissmeinnicht gegen ähnliche Beschwerden und mit ähnlichen Zubereitungen angewandt wie Beinwell und Lungenkraut. Dabei galt auch in der Volksheilkunde die Wirkung der Myosotis-Arten als schwächste der drei Kräuter.
- Vergissmeinnicht-Arten enthalten nachweislich Stoffe, die medizinisch wirken, wie Gerbstoffe, Flavonoide und Kalium. Wissenschaftlich untersucht sind konkrete Wirkungen bisher nur unzureichend.
- Russische Forschende sehen in Myosotis-Extrakten ein deutliches Potenzial für gesundheitsfördernde Produkte, weil Vergissmeinnicht sich in großen Mengen anbauen lässt. Selbst bei schwächerer Konzentration, zum Beispiel der entsprechenden Flavonoide in den einzelnen Pflanzen, lassen sich die gewünschten Stoffe so in bedeutsamem Ausmaß gewinnen.
Inhaltsstoffe
Eine komparative Studie fasste 2014 zusammen: Pflanzen der Gattung Myosotis enthalten Alkaloide, Saponine (Schleimstoffe) und Fettsäuren. Detaillierte Untersuchungen über die chemischen Bestandteile spezifischer Myosotis-Arten stehen noch aus. Neben Gerbsäuren / Gerbstoffen (Tanninen) ist eine deutliche Konzentration von Kalium hervorzuheben.
Der sibirische Wissenschaftler Yu. V. Shinkarenko untersuchte genauer den Anteil mehrerer Flavonoide in ausgesuchten Myosotis-Arten aus verschiedenen Regionen Sibiriens. Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die unter anderem die Farbe geben, aber auch diverse andere Funktionen erfüllen: So schützen sie Pflanzen vor Fressfeinden, pathogenen Mikroben und weiteren Schäden durch die Umwelt.
Diese schützenden Eigenschaften wirken bisweilen auch in der Biochemie des menschlichen Körpers. Deshalb spielen Pflanzen, die solche Flavonoide enthalten, eine Rolle in pflanzenbasierten Arzneien.
Flavonoide wie Quercetin, Rutin, Luteolin oder Flavin werden in einem weiten Spektrum von Medikamenten und Nahrungsergänzungen eingesetzt, unter anderem als Antioxidantien, die schädliche Ansammlungen freier Sauerstoffradikale im Körper verhindern.
Shinkarenko untersuchte den Level an Flavonoiden anhand von Proben aus 15 Spezies der Gattung Myosotis aus so unterschiedlichen Regionen wie dem Altaigebirge, Novosibirsk, Irkutsk und Krasnoyarsk. Hinzu kamen Pflanzen der Arten Myosotis sylvatica aus der Moldauregion im Nordosten Russlands, Myosotis sachalinensis M. Pop von der Insel Sachalin, Myosotis decumbens Host aus Murmansk und Myosotis popovii aus der Region Moskau. Alle Pflanzen wurden während der Hauptblütezeit entnommen.
Es zeigte sich, dass die Konzentration der Flavonoide sich ändert, abhängig von Umweltfaktoren, Verletzungen der Pflanze und den Phasen der Pflanzenentwicklung. Durchschnittlich lag der Anteil an Flavonoiden bei rund einem Prozent.
Während es deutliche Differenzen zwischen den einzelnen Spezies und den einzelnen Regionen gab, waren die Unterschiede bei Pflanzen aus derselben Population schwach oder mittel. Den höchsten Anteil an Flavonoiden (bis zu 7,4 Prozent) zeigte Myosotis asiatica, was diese Spezies besonders interessant für zukünftige Studien macht, um sie während der Hauptblüte als Quelle für Flavonoide zu nutzen.
Medizinische Wirkungen
Wesentliche Stoffe in Vergissmeinnicht sind Alkaloide, Flavonoide, Gerbsäuren und das Spurenelement Kalium. Es gibt zwar nur sehr wenige spezifische Studien zu Myosotis-Arten, doch medizinische Wirkungen der erwähnten Stoffe sind gut untersucht.
So unterstützen Gerbsäuren die Vernetzung von Eiweißmolekülen. Diese sind mit Haut und Schleimhäuten verbunden, und so wirken Gerbsäuren zusammenziehend (adstringierend). Ein solches Zusammenziehen stoppt beziehungsweise hemmt den Blutfluss bei Wunden, wirkt Durchfall entgegen und kann Entzündungen bremsen, besonders im Magen-Darm-Trakt.
Durch das Zusammenziehen fällt es pathogenen Mikroben schwerer, in den Körper einzudringen. Der Einsatz von Extrakten aus Vergissmeinnicht erscheint plausibel, um Hautentzündungen zu behandeln, Durchfall zu stoppen oder Magenbeschwerden zu lindern.
Kalium ist notwendig, damit die Zellen funktionieren, und wichtig, damit der Körper Energie aufbauen kann. Das Spurenelement wirkt zusammen mit Proteinen dabei, den osmotischen Druck zu regeln, und stabilisiert den Haushalt von Wasser und Elektrolyten. Für enzymatische Reaktionen des Eiweiß- und Zuckerstoffwechsels ist Kalium unabdingbar.
Diese Stoffe sind bei Vergissmeinnicht allerdings kein Alleinstellungsmerkmal, sondern Gerbsäuren liefern diverse Pflanzen, und viele davon in deutlich höheren Konzentrationen: Gerbstoffe finden sich zum Beispiel in Walnussblättern und Eichenrinde, in Blutwurz und Heidelbeere, in Erdbeer- und Brombeerblättern, in den Blättern des Breit- und Spitzwegerichs oder in Rosenblüten. Kalium liefern unter anderem Spinat, Mangold und Feldsalat, Vollkornprodukte, Fleisch und Fisch.
Eine Studie von Biologinnen und Biologen aus Skopje von 2010 fand unter 20 Pflanzen der mazedonischen Volksheilkunde keine deutlichen antioxidativen Wirkungen beim Wald-Vergissmeinnicht, erwähnt aber zusammenziehende Effekte und eine traditionelle Anwendung des Krauts gegen Augenerkrankungen.
Anwendungen in der Volksheilkunde
Die Volksheilkunde setzte Wald-, Acker- und Sumpfvergissmeinnicht ähnlich ein wie Beinwell oder Lungenkraut; dabei galt Vergissmeinnicht als das schwächere unter den Kräutern. Beliebt waren auch Tinkturen, die neben Waldvergissmeinnicht Lavendel, Thymian, Salbei, Ysop, Veilchen und Wegwarte enthielten und generell dazu dienten, den Organismus zu beleben.
Der frisch ausgepresste Saft der Myosotis-Arten war ein Hausmittel gegen Nasenbluten. Eine solche Wirkung ist sehr plausibel, da die enthaltenen Gerbstoffe durch ihre adstringierende Wirkung Blutungen stoppen. Vergissmeinnicht-Extrakt galt auch als Mittel gegen Tuberkulose (sowohl in der Lunge wie im Darm), sowie gegen Bronchitis und andere entzündliche Erkrankungen der Atemwege.
Der Saft wurde auch ausgepresst oder die Pflanze zu einem Sud gekocht, um damit Prellungen, Zerrungen oder Verstauchungen zu behandeln. Tee oder verdünnte Tinktur wurde dafür mit Umschlägen auf die betroffenen Stellen gelegt oder der entsprechende Körperteil wurde mit dem Sud gebadet beziehungsweise gewaschen.
Die Blume
Myosotis-Arten sind klein, sie wachsen zwischen 20 und 40 Zentimeter in die Höhe und entwickeln lange Blütentriebe. Die meisten Spezies sind ein- oder zweijährig, seltener finden wir mehrjährige Arten.
Vergissmeinnicht vermehrt sich ausgezeichnet. Die Blumen säen sich selbst aus und kommen so jedes Jahr wieder, oft bilden sie Teppiche.
Manche Spezies sind Frühblüher, die bereits im April in bunten Farben glänzen und ihre Blüten schon im Juni wieder verlieren. Andere hingegen leuchten noch im Oktober blau aus dem Gras.
Die Bedeutung
Wie kommen die zarten Blumen zu ihrem einzigartigen Namen? So genau wissen wir das nicht, und jedes Land hat zu den „Forget-me-nots“ zahlreiche Mythen zu erzählen.
In einer deutschen Sage lag es an ihrem kleinen Wuchs. So fürchtete die Blume, dass Gott sie aufgrund ihrer Zwergenhaftigkeit vergessen könne und rief „Vergiss mich nicht“.
Noch tragisch-romantischer ist die Variante, in der ein liebestrunkenes Paar an einem Flussufer spazierte. Der Jüngling erblickte eine wunderschöne blaue Blume an der Wasserkante, wollte sie seiner Liebsten pflücken und fiel in den reißenden Fluss. Bevor er ertrank, rief er seiner Verehrten zu „Vergiss mein nicht“.
Der althochdeutsche Name „Fridiles auga“, das „Auge des Geliebten“, verweist darauf, dass die himmelblaue Farbe mit den Augen Verliebter assoziiert wurde, und die Blumen so zum Symbol der großen Liebe und der Treue wurden.
Indessen wurden als „Vergissmeinnicht“ vermutlich weniger die Myosotis-Arten bezeichnet, sondern vielmehr die Spezies des Ehrenpreises. „Vergissmeinnicht“ sollte demnach weniger romantisch gemeint gewesen sein: Im Gegenteil hätte die Vergänglichkeit der Blüten an die Treulosigkeit der Männer erinnert, die, wie die Blumen, zwar kurzzeitig in voller Pracht „aufblühten“, dann aber schnell verschwanden. „Vergissmeinnicht“ wäre in diesem Fall als Mahnung an die Männer zu verstehen.
Vergissmeinnicht pflanzen
Vergissmeinnicht ist eine ausgezeichnete Beetpflanze, ein Lückenfüller und eine Blume des Beetrandes, die sich in großen Mengen säen lässt, was auch gut ist, damit die kleinen Blüten ihre Schönheit zeigen. Sie gedeihen im Topf, auf der Terrasse, dem Hof und Balkon. Einmal an der richtigen Stelle ausgesät und nach der Blüte nicht entfernt, kommt Vergissmeinnicht jedes Jahr wieder.
Sie müssen auf das richtige Substrat achten. Myosotis ist eine sehr erfolgreiche Gattung, die unterschiedlichste Lebensräume besiedelt. Das heißt aber gerade nicht, dass jede Art des Vergissmeinnicht in jedem Substrat zurechtkommt. Im Gegenteil: Manche Spezies sind an Sandboden angepasst, während das Sumpf-Vergissmeinnicht in der Uferzone von Gewässern gedeiht, und das Wald-Vergissmeinnicht den Humus von Mischwäldern bevorzugt. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Oliver Tusevski, Mirko Trpevski, Ivana Lozanovska et al.: Antioxidant activity of phenolic compounds in methanolic extracts of some Macedonian medicinal plants collected on Jablanica Mountain; in: Bulletin of the Biology Students' Research Society, Volume 4, Seiten 103-111, 2010, ResearchGate
- Paulina Znajdek-Awizen, Wiestawa Bylka, Dorota Gawenda-Kempczynska et al.: Comparative study on the essential oils of Myosotis arvensis and Myosotis palustris herbs (Boraginaceae); in: Acta Physiologiae Plantarum, Volume 36, Issue 8, Seiten 2283-2286, 2014, SpringerLink
- Yu V. Shinkarenko: Content of Flavonoids in Plant Species of Genus Myosotis L.; in: Chemistry for Sustainable Development, Issue 5, Seiten 601-606, 2008, Sibran
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