Weidenröschen sind Pionierpflanzen, die auf Kahlschlägen und Schutthalden wachsen, aber von dichtem Wald verdrängt werden, da sie viel Sonnenlicht brauchen. Als Heilpflanzen dienen sie dazu, Beschwerden der Harnwege und der Blase zu lindern, besonders helfen sie aber gegen eine vergrößerte Vorsteherdrüse.
Inhaltsverzeichnis
Steckbrief
- Wissenschaftlicher Name: Epilobium (Gattung). Kleinblütiges Weidenröschen: (Epilobium parviflorum). Schmalblättriges Weidenröschen: (Epilobium angustifolium)
- Volksnamen: Kleinblütiges Weidenröschen: Männerkraut, Bachweidenröschen, Frauenblümli, wilder Flachs, Herrgottsjahr, Muttergotteshaar, Marienbettstroh; Schmalblättriges Weidenröschen: Feuerkraut, Stauden-Feuerkraut, Trümmerblumen, Waldweidenröschen oder Waldschlagweidenröschen.
- Familie: Nachtkerzengewächse (Onagraceae)
- Verbreitung: Das Kleinblütige und das Schmalblättrige Weidenröschen sind über die gesamte Nordhalbkugel verbreitet, in Eurasien wie Amerika. Das natürliche Verbreitungsgebiet des Kleinblütigen Weidenröschens erstreckt sich von Europa bis zu den Azoren, nach Madeira, Marokko, Algerien, Westasien, China, Korea und Japan. In Nordamerika und Neuseeland wächst es häufig als Neophyt.
- Verwendete Pflanzenteile: Kraut, Blüten und Wurzel
- Inhaltsstoffe: Unter anderen Gerbstoffe (Tannine wie Ellagitannine und Gallussäure), Flavonoide wie Kaempferol, Myricetin, Quercetin; Beta-Sitosterin, Palmitin- und Stearinsäure, Caprylsäure, Vitamin C, Oenothein B
- Anwendungsgebiete: Harnwegsbeschwerden, Prostataleiden, Blasen-, Zahnfleisch- und Schleimhautentzündungen.
Kleinblütiges und Schmalblättriges Weidenröschen – eine Übersicht
- Beide Arten sind Pionierpflanzen. Sie wachsen auf Kahlschlägen, Brandflächen, Schutthalden, in Hochstaudenfluren, an Böschungen, auf Waldlichtungen, an Wegrändern, an offenen lichtreichen Stellen. Im dichten Wald kommen sie nicht vor, da die Baumkronen zu viel Schatten werfen.
- Der Name „Weidenröschen“ kommt nicht, wie bisweilen angenommen, daher, dass diese Stauden bevorzugt in der Nähe von Weiden wachsen. Hingegen ähneln besonders die Blätter des Schmalblättrigen Weidenröschens denen von Weiden.
- Verschiedene Spezies der bis zu 190 Arten der Weidenröschen werden in unterschiedlichen Kulturen als Heilpflanzen eingesetzt, besonders gegen Blasen- und Harnwegsleiden.
- Weidenröschen wurden dafür genutzt, Kerzendochte zu flechten. Der Volksname „Wilder Flachs“ verweist darauf, dass die Fasern ähnlich wie Flachs eingesetzt wurden, zum Beispiel, um Schnüre zu flechten.
Inhaltsstoffe
Weidenröschen enthalten generell Gerbstoffe und Flavonoide. Flavonoide sind sekundäre Pflanzenstoffe. Dazu gehören zum Beispiel Farbstoffe oder Substanzen, die die Pflanze vor Schäden durch die Umwelt schützen.
Manche Flavonoide wirken antibakteriell, und auch gegen Pilze sowie gegen andere pathogene Mikrolebewesen. Einige dieser Schutzfunktionen wirken auch bei Menschen, und deswegen hat die medizinische Forschung Flavonoide im Visier.
Gerbstoffe sind Polyphenole, die Proteine in ihre Einzelteile zerlegen. In Pflanzen wirken sie als Verteidigung gegen mikrobielle Schädlinge. Bei Menschen hemmen Gerbstoffe Entzündungen, regulieren den Blutdruck und bekämpfen freie Radikale, gelten auch als Mittel zur Krebsprävention. Indessen können Gerbstoffe auch die Aufnahme bestimmter Mineralstoffe und Spurenelement schwächen.
Kleinblütige Weidenröschen enthalten das pflanzliche Hormon Beta-Sitosterin. In höheren Dosen soll dieses den Cholesterinspiegel senken, was heute indessen umstritten ist. Zudem enthält es Gallotannine, hydrolisierbare Gerbstoffe und Zuckerester der Gallussäure.
Die im Kleinblütigen Weidenröschen vorhandene Caprylsäure wird in der Medizin gegen Infektionen mit dem Candidapilz und verschiedenen Bakterien eingesetzt. Die ebenfalls enthaltene Caprinsäure wird in Kosmetika genutzt. Kleinblütiges Weidenröschen enthält zudem Palmitin- und Stearinsäure, Vitamin C und einen Stoff namens Oenothein B.
Das Schmalblättrige Weidenröschen liefert Flavonoide wie Kaempferol, Myricetin, Quercetin sowie ihre Glycoside. Kaempferol, ein pflanzliches Östrogen, wird dahingehend erforscht, ob es gegen Krebs wirkt.
Es gilt als anti-entzündlich und anti-mikrobiell, soll das Herz ebenso stärken wie die Nerven, was wissenschaftlich aber nicht belegt ist. Es enthält wie auch andere Weidenröschen reichliche Gerbstoffe, Tannine wie Ellagitannine und Gallussäure. Eine rezente Studie zeigt, dass Umweltfaktoren sich deutlich auf die Menge der Flavonoide in den oberirdischen Teilen des Schmalblättrigen Weidenröschens auswirken.
Medizinische Wirkungen
In beiden genannten Weidenröschen vorhandene Inhaltsstoffe haben folgende nachgewiesenen beziehungsweise vermuteten Wirkungen: Sie ziehen zusammen, was erstens die Wundheilung fördert, zweitens Entzündungen hemmen kann und drittens gegen Durchfall hilft. Sie treiben Wasser, wirken gegen Bakterien und Viren, sie helfen, den Blutfluss zu regulieren, sie fördern die Empfängnis und regen die Blase an.
Außerdem treiben sie den Harn, hemmen potenziell das Wachstum von Tumoren und regen den Lymphfluss an. Schleimbildende Stoffe in den Pflanzen schützen verletzte, entzündete oder trockene Schleimhäute.
Der Stoff Oenothein B im Schmalblättrigen Weidenröschen zeigte in einer Studie eines polnischen Forschungsteams einen positiven Einfluss auf das Immunsystem. Weidenröschenextrakte wirkten in diesem Versuch aktiv gegen LNCaP Protatakrebszellen.
Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Committee on Herbal Medicinal Products, HMPC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency, EMA) empfiehlt den Gebrauch von Weidenröschen, um eine gutartige Vergrößerung der Vorsteherdrüse (Prostata) zu behandeln und Beschwerden des unteren Harntrakts zu lindern wie Harnverhalt oder Harndruck. Grundlage für diese Beurteilung sind keine wissenschaftlichen Studien, sondern der lange Gebrauch der Weidenröschen zu diesem Zweck.
Deutlich schreibt der Ausschuss auch, dass es an klinischen Studien zu den Pflanzen mangelt. Ausdrücklich führt er aus, dass Weidenröschen für solche Beschwerden erst dann eingesetzt werden sollen, wenn ein Arzt oder eine Ärzte ernste Ursachen für die Probleme ausgeschlossen hat (wie zum Beispiel einen bösartigen Tumor an der Vorsteherdrüse).
Laut HMPC sind keine Nebenwirkungen beim medizinischen Gebrauch von Weidenröschen bekannt. Weidenröschen verhindern laut der Europäischen Arzneimittel-Agentur ausdrücklich nicht die Vergrößerung der Prostata selbst, sondern mindern nur die daraus resultierenden Symptome.
Der Stoff Oenothein B in Weidenröschen zeigte sich in vitro und in vivo pharmakologisch wesentlich stärker als verwandte Polyphenole mit kleinerem Molekülgewicht. Dies betraf folgende Aspekte: Gegen Mikroben, gegen Krebs, als Antioxidans und hinsichtlich des Einflusses auf das Immunsystem. Die japanischen Pharmazeuten Takashi Yoshida, Morio Yoshida und Yoshiaki Amakura deuteten die Studienergebnisse dahingehend, dass die gesamte Struktur der Tannine notwendig sei, um diese größere Aktivität zu entfalten.
Eine kroatische Studie prüfte 2013 die antimikrobielle Aktivität (in vitro) der Blüten und Blätter des Schmalblättrigen Weidenröschens (Equilobium angustifolium L.) vom Berg Velebit in Kroatien. Unter anderem erfolgte die Prüfung an Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa (ein gramnegatives Stäbchenbakterium, das eitrige Infektionen auslöst), Proteus mirabilis (das bei Immunschwäche Wundinfekte, Sepsis und Pneunomien auslösen kann), drei verschiedenen Candidapilzen (die bei Immunschwäche rötende und brennende Infektionen verursachen), sowie Saccharomyces cerevisiae (einem einzelligen Hefepilz).
Die Extrakte aus den Blättern und die Extrakte aus den Blüten zeigten beide eine deutliche Aktivität gegen Pilze und Bakterien. Die Forschenden schließen daraus, dass es die Pflanze vielversprechend erscheinen lässt für eine komplementäre Kräutertherapie bei Beschwerden, die diese Mikroben verursachen.
Ein Review von 2006 fasste zusammen: Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass ein Extrakt aus Weidenröschen gegen Bakterien wirkt. Genauer gesagt hemmt er das Wachstum von Kolibakterien (Escherichia coli).
Anwendungen in Volksheilkunde und traditioneller Medizin
Verschiedene Arten der Weidenröschen werden in unterschiedlichen Kulturen als Hausmittel gegen diverse Erkrankungen eingesetzt. Kleinblütige Weidenröschen trugen den Namen „Männerkraut“, da sie gegen Entzündungen und Vergrößerungen der Prostata eingesetzt wurden.
Verbreitet war auch ein Tee mit Weidenröschen und Brennnessel gegen Harnverhalt, Blasenentzündung, Reizblase, Nierengrieß und Nierensteine sowie Harnsteine.
Ein solcher Tee wird zubereitet aus ein bis zwei Teelöffeln des getrockneten Krautes und rund 0,2 Liter Wasser, das Sie nach dem Ziehen in kleinen Schlucken trinken. Solch ein Tee galt auch als Mittel gegen Kopfschmerzen und Migräne.
Gegen Entzündungen in Mund, Rachen, am Zahnfleisch und an den Schleimhäuten setzt die Volksmedizin den Tee ebenfalls ein, allerdings stärker konzentriert (drei bis vier Teelöffel statt zwei), und dieser wird nicht geschluckt, sondern gegurgelt und danach ausgespuckt.
Weidenröschen sammeln und trocknen
Das Kleinblütige Weidenröschen sammeln Sie entweder kurz vor oder während der Blüte. Sie binden es zu Sträußen und trocknen es mit den Blüten nach unten an einem luftigen Platz. Beim Schmalblättrigen Weidenröschen verfahren Sie ebenso, es blüht indessen einige Wochen vorher – von Juni bis August.
Verbreitung Schmalblättriges Weidenröschen
Die Pflanze wächst auf der gesamten Nordhalbkugel und kann mit Kälte gut umgehen – sie wächst bis in den Norden Skandinaviens und in den Westalpen bis in 2500 Meter Höhe. In Alaska heißt es „Fireweed“, weil es die Flächen besiedelt, auf denen Waldbrände tobten.
Es handelt sich um eine typische Pionierpflanze, die sich auf Schuttplätzen und Trümmerflächen ausbreitet. Nach dem zweiten Weltkrieg verbreitete sich deshalb der Volksname „Trümmerblume“.
Sonstige Verwendung
Junge Pflanzen, Kraut und Wurzeln werden als Salat und Gemüse genutzt. Sie schmecken leicht säuerlich, was sich durch mildere Aromen mindern lässt.
In Russland ist fermentierter Weidenröschentee nicht nur ein Heilmittel, sondern auch beliebt, da er ähnlich schmeckt wie Schwarzer Tee. Er war vor allem historisch verbreitet, als sich in Russland Schwarzer Tee noch kaum verbreitet hatte.
Aus den Samenhaaren der Weidenröschen wurden Kerzendochte geflochten. Die Haida an der Pazifikküste Nordamerikas nutzen die äußeren Fasern, um Schnüre herzustellen, aus denen sie Netze für den Fischfang flechten. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- European Medicines Agency: Willow herb; Herbal medicine: summary for the public, 2015 (abgerufen am 02.02.2022), EMA
- Ivan Kosalec, Nevenka Kopjar, Dario Kremer et al.: Antimicrobial Activity of Willowherb (Epilobium angustifolium L.) Leaves and Flowers; in: Current Drug Targets, Volume 14, Issue 9, Seiten 986-9114, 2013, BENTHAM SCIENCE
- Marlene Monschein, Kerstin Jaindl, Sabina Buzimkic et al.: Content of phenolic compounds in wild populations of Epilobium angustifolium growing at different altitudes; in: Pharmaceutical Biology, Volume 53, Issue 11, 2015, Taylor & Francis Online
- Ingrid Schönfelder, Peter Schönfelder: Das Neue Handbuch der Heilpflanzen, Botanik Arzneidrogen, Wirkstoffe Anwendungen. Franckh Kosmos Verlag, 2. Auflage, 2011
- Vanessa Steenkamp, Gulumian Mary, Esam Elgorashi et al.: Studies on antibacterial, anti-inflammatory and antioxidant activity of herbal remedies used in the treatment of benign prostatic hyperplasia and prostatitis; in: Journal of Ethnophacology, Volume 103, Issure 1, Seiten 71–75, 2006, ScienceDirect
- Magdalena Stolarczyk, Marek Naruszwicz, Anna Karolina Kiss: Extracts from Epilobium sp. herbs induce apoptosis in human hormone-dependent prostate cancer cells by activating the mitochondrial pathway; in: The Journal of pharmacy and pharmacology, Volume 65, Issue 9, Seiten 1044–1054, 2013, OXFORD ACADEMIC
- Ben-Erik Van Wyk, Coralie Wink, Michael Wink: Handbuch der Arzneipflanzen: ein illustrierter Leitfaden. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, 2. Auflage, 2003
- Takashi Yoshida, Morio Yoshimura, Amakura Yoshiaki: Chemical and Biological Significance of Oenothein B and Related Ellagitannin Oligomers with Macrocyclic Structure; in: Molecules, Volume 23, Issue 3, Seiten 552, 2018, MDPI
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