Was ist das Alice im Wunderland Syndrom?
Der Mathematiker Lewis Carroll veröffentlichte 1865 den Weltbestseller “Alice´s Adventures in Wonderland”. Das Alice im Wunderland Syndrom (AIWS) ist eine Wahrnehmungsstörung, bei der Wahrnehmungsverzerrungen eintreten können, die an die Geschehnisse im Buch erinnern. Das Syndrom hat allerdings keinen psychiatrischen Charakter. Vielmehr tritt es als mögliche Begleiterscheinung einer Migräne, Epilepsie oder anderen Erkrankungen auf. In diesem Artikel geht es um die Hintergründe, Ursachen, Symptome und Therapie.
Inhaltsverzeichnis
Das Syndrom
Das Alice im Wunderland Syndrom bezeichnet eine Wahrnehmungsstörung, bei der die Betroffenen ihre Umwelt und sich selbst verzerrt sehen. Vor allem erscheinen Menschen, Tiere und Gegenstände kleiner wie größer, als sie in Wirklichkeit sind. Der Name täuscht insofern, denn es handelt sich nicht um eine eigenständige Krankheit. Vielmehr tritt eine solche Aura in der Vorphase eines epileptischen Anfalls oder einer Migräne-Attacke auf. Manche Kinder erleiden Migräne als Schwindelanfälle, ihnen wird übel und sie erbrechen sich. Vorher plagen sie lebhafte Halluzinationen. In der Regel tritt das Syndrom nicht alleine auf, sondern zusammen mit anderen Erkrankungen, wie beispielsweise
- Migräne,
- Epilepsie,
- Gehirnschäden,
- Creutzfeldt-Jakob-Krankheit,
- hohes Fieber,
- Drogenkonsum,
- Hypnagogie (Schlafparalyse),
- Virusinfektionen, z.B. mit Epstein-Barr-Virus oder Coxsackie-Virus B1.
Symptome
Zum Alice im Wunderland Syndrom gehören akustische Halluzinationen, ein gesteigertes Tastempfinden und ein Verlust des Gefühls für Zeit und Raum. Weil sich ihre Wahrnehmung verändert, können die Betroffenen die Orientierung verlieren und stürzen. Auch deuten Außenstehende das Verhalten möglicherweise als psychische Krankheit ein, was es aber nicht ist. Weitere mögliche Symptome sind:
- Angstzustände,
- Panikattacken,
- das Gefühl, verrückt zu werden,
- Verwirrtheit,
- Wahrnehmung des eigenen Körpers verändert sich,
- verzehrtes Sehen (Metamorphopsie),
- plötzliche Müdigkeit,
- Übelkeit und Erbrechen,
- Schwindel,
- Kopfschmerzen,
- Blässe,
- plötzliche Verhaltensänderungen bei Kindern, z.B. Stille und Angst.
Therapie
Das Alice im Wunderland Syndrom lässt sich bisher nicht eigenständig behandeln. Es ist eher durch Wahrnehmungsverzerrungen als durch Halluzinationen oder Illusionen gekennzeichnet und muss daher von psychotischen Störungen unterschieden werden. Betroffene sollten darüber aufgeklärt werden, dass die Symptome selbst nicht schädlich sind. Im Fokus steht die Therapie der Basiskrankheit wie zum Beispiel die Migräne. Oft verbessert sich das Syndrom, sobald die Grunderkrankung sich bessert. Tritt das Syndrom im Kindesalter auf, verschwindet es häufig im Laufe der Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter.
Alice im Wunderland – Kurze Zusammenfassung der Geschichte
Die Abenteuer von Alice im Wunderland wurden zum Weltbestseller. Das Mädchen Alice sieht ein weißes Kaninchen, das auf eine Uhr guckt und sagt, es komme zu spät. Alice folgt ihm in den Kaninchenbau und gelangt an einen Raum voller Türen. Sie findet einen Schlüssel, mit dem sie die kleinste Tür öffnet, passt aber nicht durch. Dann trinkt sie einen Zaubertrank, der sie klein genug macht, doch die Tür ist jetzt zu. Schließlich kommt sie doch noch ins Wunderland, trifft das weiße Kaninchen und wächst ins Gigantische. Dann wird sie wieder klein und läuft in den Wald, eine Raupe bringt sie auf ihre normale Größe zurück. Alice kommt zu der Herzogin und trifft die Grinsekatze, danach lernt sie auf einer irren Tea-Party den Märzhasen und den verrückten Hutmacher kennen. Sie landet bei der Herzkönigin und dem Herzkönig; die Herzkönigin möchte unbedingt jemand den Kopf abschlagen. Alice spielt mit Tieren und anthropomorphen Spielkarten Croquet, der Schläger ist ein Flamingo und der Ball ein Igel. Die Herzkönigin verurteilt alle bis auf Alice zum Tod, der Herzkönig begnadigt sie indessen. Ein Greif führt Alice zum Schildkrötensupperich, einer Mischung aus Kih und Schildkröte. Dann folgt eine Gerichtsverhandlung, in dem sich der Herzbube rechtfertigen muss, die Torten der Königin gestohlen zu haben. Der verrückte Hutmacher tritt als Zeuge auf, ebenso Alice. Die ist jetzt jedoch so groß geworden, dass sie das Gericht sprengt. Bevor es weitergeht, wacht Alice neben ihrer Schwester auf.
Litt Lewis Carroll am Alice im Wunderland Syndrom?
In Anlehnung an die seltsamen Geschehnisse des Buches verlieh der britischen Psychiater John Todd im Jahre 1955 dem Syndrom den Namen des Bestsellers von Lewis Caroll. Der Autor litt eventuell selbst unter Migräne, und Forschende vermuten, dass ihm selbst diese visuellen Halluzinationen im Vorfeld seiner Anfälle zu schaffen machten. Allerdings lässt sich die Erzählung auch als LSD-Trip erklären oder als schamanische Erfahrung im Trancezustand. Bereits 1955 wurde vermutete, dass Carroll seine eigenen Erfahrungen in seinen Büchern verarbeitete. Dies war umstritten, weil der Autor in Tagebüchern nie Symptome einer Migräne erwähnte. Doch es gibt vage Hinweise. Dr. Klaus Podoll aus Aachen fand eine Zeichnung von Carroll, in der einer Figur ein Bereich am Kopf fehlt. Das deutet auf einen blinden Fleck, der typisch für die Aura vor einer Migräne ist. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Jan Dirk Blom: Alice in Wonderland syndrome - A systematic review, Neurology Clinical Prctice, 2016, cp.neurology.org
- Tirza Naarden, Bastiaan C. ter Meulen, Sarah I. van der Weele, u.a.: Alice in Wonderland Syndrome as a Presenting Manifestation of Creutzfeldt-Jakob Disease, frontiers in Neurology, 2019 , frontiersin.org
- Grant Liu, Alessandra Liu, Jonathan Liu, u.a.: Alice in Wonderland Syndrome: Presenting and Follow-up Characteristics (S19.003), Neurology, 2014, n.neurology.org
- Reena Gogia Rastog, Juliana VanderPluym, Kara Stuart Lewis: Migrainous Aura, Visual Snow, and “Alice in Wonderland” Syndrome in Childhood, Seminars in Pediatric Neurology, 2016 Volume 23, Issue 1, Pages 14-17, sciencedirect.com
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