Ein Blinddarmdurchbruch ist die gefährliche Eskalation einer Blinddarmentzündung. Dabei platzt der Wurmfortsatz und der Inhalt des Darms und die dort grassierenden Bakterien können in die Bauchhöhle gelangen. Das kann den Tod bedeuten.
Inhaltsverzeichnis
Blinddarmentzündung
Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) beginnt mit einer kleinen Entzündung am Wurmfortsatz, dem Anhängsel am Blinddarmabschnitt des Dickdarms. Besonders häufig geschieht dies bei Kindern und Jugendlichen. Das Leitsymptom sind starke Bauchschmerzen im rechten Unterbauch. Beginnt die Behandlung rechtzeitig, lässt sich die Entzündung fast immer in den Griff bekommen. Dazu wird in einer Operation der biologisch überflüssige Wurmfortsatz entfernt.
Warum entzündet sich der Wurmfortsatz?
Der Wurmfortsatz ist ein zehn Zentimeter langer Darmschlauch. Er endet blind, und die Öffnung verbindet ihn mit dem Blinddarm. Bei einer “Blinddarmentzündung” entzündet sich jetzt nicht der Blinddarm, sondern der Wurmfortsatz, nämlich weil die Verbindung zum Blinddarm verstopft ist. Dann stauen sich Flüssigkeiten im Wurmfortsatz. So vermehren sich Bakterien aus dem Dickdarm und verursachen die Entzündung.
Meist verstopft die Öffnung durch Kotsteine, das ist verhärteter Kot; auch ein Abknicken des Wurmfortsatzes im Bauchraum kann Entzündungen auslösen. Bisweilen sind auch Fremdkörper wie Knochensplitter oder Obstkerne Ursache für die Verstopfung. Auch Parasiten, Viren und Bakterien können den Wurmfortsatz entzünden.
Symptome
Wenn das Kind in den Brunnen gefallen, der Wurmfortsatz geplatzt ist, ist es zu spät, auf Symptome zu achten. Doch dem geht eine längere Entzündung voraus. Die ersten Anzeichen sind akute Bauchschmerzen in der Höhe des Bauchnabels oder im Magenbereich, die in den Unterbauch wandern – auf der rechten Seite.
Ungewöhnlich für Bauchschmerzen ist jetzt: Die Bauchdecke ist außerordentlich angespannt und zieht sich schon bei sanften Berührungen zusammen, was weitere Schmerzen verursacht.
Unspezifische Symptome wie Fieber, Übelkeit und Erbrechen können hinzukommen. Allerdings beginnen Entzündungen des Wurmfortsatzes bei Senioren fast immer ohne Fieber und starke Schmerzen, während die Schmerzen bei Kleinkindern am stärksten sind.
Der Durchbruch
Verschlimmert sich die Entzündung und der Wurmfortsatz bricht durch, wird es kritisch. Bakterien breiten sich mit dem Darminhalt in die Bauchhöhle, dort entstehen Eiterherde und oft kommt es zu einer Bauchfellentzündung.
Die Schmerzen steigen rapide und breiten sich im ganzen Bauchraum aus, die Muskeln verspannen sich, und die Bauchdecke wird hart. Die Betroffenen müssen schleunigst zur Operation – denn eine Entzündung des Bauchfells kann tödlich enden.
Sie sollten deshalb bei starken Bauchschmerzen, die sich steigern, einen Arzt aufsuchen.
Verwechslungen
Die Schmerzen einer Blinddarmentzündung lassen sich bei Frauen leicht mit Regelschmerzen, Entzündungen der Eierstöcke und Eileiterschwangerschaften verwechseln.
Diagnose
Der Arzt drückt auf bestimmte Regionen des Bauchraums und stellt fest, ob der Druck Schmerzen auslöst. Treten die Unterbauchschmerzen rechts auf, liegt eine Blinddarmentzündung als Ursache nahe.
Mediziner drücken vor allem auf den “Lanz-Punkt”. Der liegt im rechten Drittel einer Linie zwischen dem linken und rechten Knochenvorsprung des Darmbeins. Auch Schmerzen beim Druck auf den Mc Burney-Punkt, der im rechten Drittel einer Linie zwischen dem Nabel und dem rechten Knochenvorsprung des Darmbeins liegt, können ein Hinweis auf eine Blinddarmentzündung sein. Dann misst der Arzt Fieber: Bei einer Appendizitis ist die Temperatur im After mindestens ein Grad höher als unter der Achsel.
Im Labor geben Blutuntersuchungen Aufschluss – so sind bei einer Entzündung die weißen Blutkörperchen (die Immunabwehr) und das C-reaktive Protein erhöht. Eine Ultraschalluntersuchung zeigt den entzündeten Wurmfortsatz an. Sicherheit gibt aber lediglich eine mikroskopische Untersuchung – und die halten viele Ärzte für zu aufwändig.
Bei Frauen zeigt eine gynäkologische Untersuchung, ob andere Ursachen wie eine Entzündung der Eierstöcke, vorliegen.
Auch gesunde Wurmfortsätze kommen unter das Messer
Ärzte schneiden versehentlich auch gesunde Wurmfortsätze heraus. Bis zu 40% der heraus geschnittenen Wurmfortsätze erweisen sich als gar nicht infiziert.
Handelt es sich um Pfusch? So einfach ist es nicht. Typisch für eine „Blinddarmentzündung“ sind Schmerzen, die sich vom Nabel in den rechten Unterbauch ziehen. Eine Appendizitis teilt ihre Symptome jedoch mit anderen Beschwerden, die diverse Ursachen haben können – von einer Eileiterschwangerschaft bis zu einer Lebensmittelvergiftung. Das bedeutet: Kein Arzt kann vor einer Operation felsenfest sicher sein, dass der Wurmfortsatz entzündet ist.
Selbst nach der Operation keine Klarheit
Vor der Operation ergeben Ultraschall, körperliche Untersuchung und Blutbild lediglich einen Verdacht. Bisweilen lässt sich selbst am heraus geschnittenen Wurmfortsatz nicht erkennen, ob eine Entzündung vorliegt.
Antibiotika statt Operation?
Eine Studie von 2015 mit 530 erwachsenen Probanden ergab, dass einfache Entzündungen des Wurmfortsatzes zu 70 % mit Antibiotika geheilt werden können. Ein CT hatte zuvor eine einfache Appendizitis belegt.
Diagnose zu aufwändig?
Skeptische Chirurgen halten eine solche Diagnose zu aufwändig. Eine Computer-Tomographie würde die Diagnostik extrem erweitern. Außerdem müsste man die Patienten, die Antibiotika nähmen, stationär beobachten. Das stehe in keinem Verhältnis dazu, dass jeder dritte Patient trotz CT und Antibiotika am Ende doch operiert würde.
Behandlung
Haben Sie den Verdacht, dass sich ihr Wurmfortsatz entzündet oder gar durchbricht, essen Sie nichts und gehen sofort zum Arzt oder besser noch ins Krankenhaus und lassen sich untersuchen.
Fast immer wird ein entzündeter Wurmfortsatz entfernt, also in einer Operation heraus geschnitten. Hier gilt: Je früher, desto besser. Es ist sinnlos, ein biologisch überflüssiges Organ zu “retten”, aber ausgesprochen sinnvoll, einen gefährlichen Blinddarmdurchbruch zu vermeiden.
Ist der Wurmfortsatz aber bereits durchgebrochen, ist eine sofortige Operation nicht möglich. Jetzt muss erst einmal die Infektion zurückgedrängt werden – mit Antibiotika und Flüssigkeiten, die über eine Vene eingeführt werden. Verbessert sich der Zustand des Patienten, erfolgt die Operation.
Nach der Operation bleiben Sie mehrere Tage im Krankenhaus.
Die Operation
Das Entfernen des Wurmfortsatzes ist eine der häufigsten Operationen am Bauch. Traditionell ist die Operation offen, der Chirurg schneidet also den Bauch auf. Moderner ist ein minimal invasiver Zugang mit drei kleinen Schnitten, die so genannte Schlüssellochtechnik. Die hat den Vorteil, dass statt einer längeren Schnittnarbe nur drei kaum sichtbare Narben verbleiben.
Beide Eingriffe dauern zwischen 20 und 30 Minuten.
Bei der offenen Operation öffnet der Chirurg den rechten Unterbauch mit einem circa sechs Zentimeter langen Schnitt. Dann trennt er den Wurmfortsatz vom Blinddarm und nimmt ihn heraus. Die Öffnung vernäht er mit der so genannten Tabaksbeutelnaht von innen nach außen; die Fäden lösen sich von selbst auf.
Ist der Wurmfortsatz durchgebrochen, dann spült der Arzt den geöffneten Bauchraum mechanisch aus und entfernt so Kot, Bakterien und Eiter. Außerdem leiten Drainagen die Entzündungsflüssigkeit aus dem Körper.
Bei der laparoskopischen Blinddarmoperation führt der Chirurg ein Endoskop in die Bauchhöhle ein, das Kohlendioxid-Gas in den Bauchraum bläst. Eine Kamera zeigt den gesamten Bauchraum. Zwei weitere Schnitte im Unterbauch bringen weitere Führungshülsen mit Mikroinstrumenten zum Wurmfortsatz.
Der Chirurg setzt jetzt zwei selbstknotende Schlingen ein, trennt mit ihnen den Wurmfortsaz vom Blinddarm und nimmt ihn mit einer Führungshülse aus dem Körper. Dann vernäht er die drei kleinen Schritte von innen nach außen.
Komplikationen
Jeder operative Eingriff in den Körper birgt ein Risiko, beim Entfernen des Wurmfortsatzes sind Komplikationen aber äußerst selten. Es kann wie bei allen Operationen zu Nachblutungen kommen, die inneren Wunden können sich infizieren.
Nach dem Entfernen des Wurmfortsatzes kann es zu einem Abszess in der Bauchdecke kommen. Hier sammelt sich dann Eiter, den der Arzt entfernen muss. Das kommt indessen wegen der Größe des Schnittes, bei einer offenen Operation häufiger vor.
Der Douglas-Abszess ist dramatischer. Er bildet sich circa eine Woche nach der Operation, geht mit hohem Fieber und Schmerzen einher. Hier sammelt sich der Eiter am tiefsten Punkt der Bauchhöhle und eine zweite Operation steht an.
Nach der Operation
Treten keine Komplikationen auf, dann kann der Patient wenige Stunden nach der Operation wieder trinken, einen Tag später darf er wieder essen. Das ist aber kein “Gesetz”, vielmehr beobachten die Ärzte genau, wie sich die Darmfunktion regeneriert.
Nach vier Tagen werden die meisten Patienten aus dem Krankenhaus entlassen, sollten sich aber noch mehrere Tage schonen. Vor allem das Gehen verursacht Schmerzen und die Betroffenen müssen längere Pausen einlegen. An den Arbeitsplatz können sie meist wieder nach zwei bis drei Wochen. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.: Blinddarmentzündung (Abruf: 06.08.2019), kinderaerzte-im-netz.de
- Herold, Gerd: Innere Medizin 2019, Selbstverlag, 2018
- Merck and Co., Inc.: Blinddarmentzündung (Abruf: 06.08.2019), msdmanuals.com
- Charité – Universitätsmedizin Berlin: Appendizitis (Blinddarmentzündung) (Abruf: 06.08.2019), kinderchirurgie.charite.de
- Mayo Clinic: Appendicitis (Abruf: 06.08.2019), mayoclinic.org
- National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases: Appendicitis (Abruf: 06.08.2019), niddk.nih.gov
- American College of Surgeons: Surgical removal of the appendix, Stand 2017, facs.org
- UpToDate, Inc.: Acute appendicitis in adults: Clinical manifestations and differential diagnosis (Abruf: 06.08.2019), uptodate.com
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.