Der auch als Erdbeerfleck bekannte Blutschwamm (Hämangiom) ist Betroffenen oftmals sehr unangenehm, insbesondere dann, wenn er sich an leicht sichtbaren Körperstellen wie dem Gesicht befindet. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Blutschwämme mit voranschreitendem Alter üblicherweise vergrößern. Es kommt also auf eine frühzeitige Behandlung an, wenn ein Hämangiom im Anfangsstadium ohne größere Vernarbungen entfernt werden soll.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Als Blutschwamm oder Hämangiom bezeichnet man eine meist gutartige Tumorwucherung von Blutgefäßen. Am bekanntesten sind Blutschwämme im Bereich des Gesichtes oder Kopf, weil sie dort am auffälligsten sind. Sie können aber auch an anderen Organen oder Organsystemen auftreten, so zum Beispiel an
- Geschlechtsorganen,
- Leber,
- Nervensystem
- oder Nieren.
Circa 75 Prozent der Hämangiome sind bereits schon bei der Geburt vorhanden oder entwickeln sich in den ersten Lebenswochen, weshalb sie auch einen besonderen Stellenwert in der Kinderheilkunde einnehmen. In diesen Fällen bestehen sehr gute Heilungschancen. Etwa 80 Prozent der bereits zur Geburt vorhandenen Blutschwämme bilden sich im Laufe der späteren Entwicklung des betroffenen Kindes zurück, sogar bis hin zum völligen Verschwinden. Zu unterscheiden sind dabei folgende Hauptformen von Hämangiomen:
- Kapilläres Hämangiom (Haemangioma capillare): Diese Blutschwämme machen etwa 30 bis 40 Prozent aller Hämangiome aus und bestehen aus Kapillargefäßen. Sie besitzen in der Regel eine hellrote Färbung und bildet sich in vielen Fällen bis zum siebten Lebensjahr von selbst wieder zurück.
- Kavernöses Hämangiom (Haemangioma cavernosum): Ein Blutschwamm mit überwiegend roter bis purpurner Färbung, der auch als Kavernom bekannt ist. Die Wucherungen gehen hier aus den kavernösen Gefäßhohlräumen hervor und neigen ähnlich wie kapilläre Hämangiome dazu, sich von selbst zurückzubilden. Allerdings tendiert diese Form der Blutschwämme auch zu ernsten Komplikationen, darunter Superinfektionen und Nekrosen. Dies ist vor allem deshalb sehr gefährlich, weil kavernöse Hämangiome vorrangig im Bereich des Nervensystems, Gehirns und Rückenmarks entstehen.
- Sklerosierendes Hämangiom (Haemangioma cirsoideum): Das sklerosierende Hämangiom entsteht maßgeblich im Erwachsenenalter und manifestiert sich als beweglicher roter Gefäßknoten im Lederhaut- und Unterhautgewebe.
- Papillarkörperhämangiom (Haemangioma plantotuberosum): Dieses blau-rote Hämangiom entsteht ausschließlich aus Gefäßwucherungen unterhalb des Papillarkörpers der Haut.
Neben diesen Haupteinteilungen gibt es noch zahlreiche Unterkategorien, welche Hämangiome nach ihrer Lage oder Form einteilen, so zum Beispiel das
- Augenhöhlenhämangiom (Orbitahämangiom),
- Leberhämangiom,
- Plazentahämangiom (Chorangiom),
- Traubenhämangiom
- oder Wirbelsäulenhämangiom.
Das Augenhöhlen- oder Orbitalhämangiom entsteht hierbei namensgemäß aus den Blutgefäßen der Augenhöhle. Bei dieser Form des Blutschwamms kann es zu Komplikationen kommen, da das Hämangiom auf Dauer zur Verlagerungen des Augapfels und auch zu Sehstörungen führen kann. Darüber hinaus existiert die sogenannte Angiomatose, welche die Entstehung mehrerer, körperweiter Gefäß- oder Lymphgeschwulste beschreibt. Ein Beispiel für gefäßbezogene Angiomatose ist das Kasabach-Merritt-Syndrom, bei dem es zur Ausbildung mehrerer kavernöser Hämangiome und Riesenhämangiome kommt. Das Syndrom betrifft vor allem Frauen und geht mit einer Gerinnungsstörung des Blutes einher.
Ursache noch ungeklärt
Die dem Blutschwamm zugrundeliegenden Ursachen sind noch weitgehend unerforscht. Gesichert scheint allein die Annahme, dass es zu einem Hämangiom kommt, wenn sich Blutgefäße neu bilden oder anfangen zu wuchern. Als Ursache werden genetische Komponenten diskutiert, da eine familiäre Häufung bekannt ist. Weil außerdem vor allem Frühgeborene häufig von einem Blutschwamm betroffen sind und dieser eine starke Übereinstimmung zum Gewebe der Plazenta aufweist, geht man davon aus, dass auch nicht vollständig beendete Reifungsprozesse im Mutterleib ursächlich sein können. Gestützt wird diese Annahme durch eine italienische Studie aus dem Jahr 2014, bei der Wissenschaftler herausfanden, dass Babys, deren Plazenta bereits ein Chorangiom aufwiesen auch anfälliger für die Entwicklung von Hämangiomen waren.
Des Weiteren werden hormonelle Faktoren und verschiedene Toxineinflüsse, wie beispielsweise Alkohol- und Nikotinkonsum der Mutter als Ursachen der Bildung eines Blutschwamms diskutiert.
Diagnose
Die Diagnostik bei einem Hämangiom ist stark abhängig vom Ausmaß und der Lokalisation der Wucherung. Neben einer ausführlichen Anamnese und blickdiagnostischen Untersuchung sollten dabei auch weitere Untersuchungsmethoden in Betracht gezogen werden. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn ein Befall von inneren Organen vermutet wird. Hier kann es unter Umständen zu schwerwiegenden Störungen der Organfunktion kommen, zum Beispiel dann, wenn die Nieren, das Gehirn oder die Leber betroffen sind.
Außerdem sind Blutschwämmchen manchmal auch ein erstes Anzeichen für ein den ganzen Körper betreffendes Fehlbildungssyndrom oder eine schwerwiegende Erbkrankheit. Dies bedeutet, dass es vorkommen kann, dass Betroffene zusätzlich zum Hämangiom noch an anderen Fehlbildungen oder Einschränkungen leiden. Aus diesen Gründen ist es wichtig, Betroffene eingehend zu untersuchen und sich nicht nur auf die offensichtliche Gefäßwucherung zu konzentrieren. Zur weiteren Diagnostik stehen über die Anamnese und körperliche Untersuchung hinaus folgende Untersuchungsverfahren zur Verfügung:
- Ultraschalluntersuchung (v.a. Duplexsonografie zur Farbdarstellung des Blutflusses),
- Röntgenuntersuchung,
- CT und MRT sowie
- Blutuntersuchungen, vor allem im Hinblick auf genetische Ursachen.
Therapie
Die Behandlung des Blutschwamms kann sehr unterschiedlich gestaltet sein. Da es bei mehr als Dreiviertel der Betroffenen zu einer selbständigen Rückbildung der Gefäßwucherung kommt, gehen die behandelnden Ärzte sehr häufig nach Diagnosestellung zuerst einmal den Weg des abwartenden Verhaltens. Hierbei wird das Hämangiom regelmäßig hinsichtlich der Größe, der Ausweitung und des Wachstums kontrolliert. Ist eine Rückbildung zu verzeichnen, wird am bisherigen Vorgehen nichts verändert. Anders sieht es dagegen aus, wenn Komplikationen auftreten oder sich die Gefäßwucherung unkontrolliert ausbreitet. Zu den drohenden Komplikationen zählen dabei:
- Blutungen,
- Gefäßverschluss durch einen Thrombus,
- geschwürartiger Gewebezerfall,
- Kompression umliegender Organe,
- Funktionsverlust,
- Depressionen aufgrund von ästhetischen Defiziten
Auch dann, wenn sich das Hämangiom an funktionell wichtigen Orten wie Sinnesorganen, Mundbereich und Händen oder an kosmetisch kritischen Arealen wie Gesicht, Kopf oder im Genitalbereich befindet, wird oft eine Behandlung empfohlen. In solchen Fällen, wird vom abwartenden Verhalten Abstand genommen und es werden frühzeitig entsprechende Behandlungsschritte eingeleitet.
Medikamentöse Therapie
Eine medikamentöse Behandlung kommt unter verschiedenen Ausgangslagen zur Anwendung. Zum einen ist sie notwendig, wenn sich das Hämangiom an einer für chirurgische Eingriffe schlecht erreichbaren oder nicht empfehlenswerten Stelle befindet (zum Beispiel im Bereich der Augenhöhle). Zum anderen sind Medikamente auch angezeigt, wenn das Hämangiom schnell wuchert oder Betroffene an mehreren, über den Körper verteilten Hämangiomen leiden. Dabei werden vor allem folgende Medikamentengruppen genutzt:
Kortikosteroide und Interferone
Diese Medikamentengruppen werden eingesetzt, weil sie die Wucherung eindämmen können. Sie können entweder systemisch durch Tabletten verabreicht werden oder lokal in oder auf das Hämangiom gebracht werden. Hier kommen direkte Injektionen oder eine Salbenanwendung in Betracht. Es sei aber darauf hingewiesen, dass es sich sowohl bei pharmazeutischen Kortikosteroiden als auch bei Interferonen um Hormonpräparate handelt, die massiv in das natürliche Hormongeschehen des Körpers eingreifen. Die möglichen Nebenwirkungen sind folglich sehr umfangreich und nicht zu unterschätzen, weshalb beide Medikamentengruppen mittlerweile nur noch in Einzelfällen angewendet werden.
Beta-Blocker
Eigentlich sind ß-Blocker wie Propranolol Medikamente, die bei Herzpatienten zur Behandlung von Hypertonie, Herzinsuffizienz und koronarer Herzkrankheit eingesetzt werden. Im Rahmen dieser Anwendung ist Medizinern vor einigen Jahren jedoch durch Zufall aufgefallen, dass es bei der Einnahme, sozusagen als unerwartete Nebenwirkung, zu einer spontanen Rückbildung von Blutschwämmchen kommt. Man erklärt sich diesen Effekt über die gefäßverengende Wirkung der Medikamente und konnte diesen auch in Studien belegen. Seit 2014 sind Beta-Blocker auch zur Behandlung von Hämangiomen zugelassen und mittlerweile das Mittel der Wahl, wenn eine medikamentöse Therapie herangezogen werden soll. Sie können in Form von einem Gel direkt auf dem Hämangiom angewendet werden oder als Tabletten über den Blutweg wirken.
Chemotherapeutika
Da es sich bei Blutschwämmen trotz allem um Tumorwucherungen handelt, ist auch der Einsatz von antikarzogenen Wirkstoffen theoretisch möglich. Allerdings sollten diese Medikamente wirklich nur im Notfall, also bei dauerhaft ausbleibendem Behandlungserfolg oder hohem Komplikationsrisiko zum Einsatz kommen, da chemotherapeutische Präparate immer eine Reihe an massiven Nebenwirkungen mit sich bringen.
Operative Therapie
Die operative Therapie besteht im Wesentlichen aus der chirurgischen Entfernung, Laser- oder Kältebehandlung (Kryotherapie) des Hämangioms. Bei der chirurgischen Entfernung wird der Blutschwamm nach lokaler Betäubung oder je nach Größe und Lokalisation auch in Vollnarkose chirurgisch entfernt. Sie kommt zum Einsatz, wenn die medikamentöse Therapie nicht den gewünschten Erfolg zeigt, umliegende Strukturen beeinträchtigt werden oder der emotionale Stress durch die Verunstaltung sehr hoch ist. In jedem Fall sollte das behandelnde medizinische Team zusammen mit Betroffenen Nutzen und Risiken eingehend abwägen.
Die Laser- und Kryotherapie haben zum Ziel, die strukturellen Prozesse im Blutschwämmchen zu zerstören und die Gefäßwucherung zum Schrumpfen zu bringen. Beide Formen können allerdings nur bei kleinen Hämangiomen angewendet werden oder nach vorheriger medikamentöser Therapie, da sie eine zu geringe Eindringtiefe aufweisen, um großflächige Geschwüre zu erreichen.
Hausmittel
Das Repertoire an Hausmitteln für die Behandlung von Hämangiomen ist sehr breit gefächert. Viele Betroffenen greifen auf diese zurück, was nicht zuletzt an der Tatsache liegt, dass sie durch die Strategie des kontrollierten Abwartens in eine Lage der Unzufriedenheit und Untätigkeit gebracht werden. Gute Erfolge werden bei einer lokalen Anwendung mit einer Mischung aus Apfelessig und Honig erzielt. Hierbei wird das betroffene Hautareal mehrmals täglich mit dieser Mischung behandelt. Auch eine lokale Behandlung mit Knoblauch kann das Hämangiom zur Rückbildung bringen. Bei der Ernährung können Kartoffeln, Knoblauch und Tees aus Hafer und Lindenblüten positive Wirkung zeigen.
Naturheilkundliche Therapie
Auch Mutter Natur hält einiges bereit, was sich bei der Behandlung von kleineren Blutschwämmchen als erfolgversprechend herausgestellt hat. Hier kommen insbesondere Auszüge folgender Pflanzen als Umschlag, Salbe oder Öl zur Anwendung:
- Ringelblume,
- Zypresse,
- Teebaum,
- Rhizinus,
- Eukalyptus,
- Arnika.
(ma)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V.: Hämangiom (Blutschwämmchen) (Abruf: 15.07.2019), kinderaerzte-im-netz.de
- Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie e.V. (DGKCH): S2k-Leitlinie Hämangiome, infantil im Säuglings- und Kleinkindesalter (Abruf: 15.07.2019), Leitlinien-Detailansicht
- Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Hämangiom (Blutschwamm) (Abruf: 15.07.2019), gesundheit.gv.at
- Mayo Clinic: Hemangioma (Abruf: 15.07.2019), mayoclinic.org
- UpToDate, Inc.: Infantile hemangiomas: Management (Abruf: 15.07.2019), uptodate.com
- Hamm, Henning / Höger, Peter H.: Hauttumoren im Kindesalter, Dtsch Arztebl Int, 2011, aerzteblatt.de
- National Health Service UK: Overview - Birthmarks (Abruf: 15.07.2019), nhs.uk
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.