Eifersucht ist ein grundmenschliches Gefühl und auch bei Tieren, die soziale Bindungen aufbauen, verbreitet. Auch unser Hund, der um Aufmerksamkeit bellt, wenn wir die Katze streicheln, zeigt dieses Gefühl. In Maßen und mehr noch, in begründeten Fällen, lässt sich Eifersucht weder vermeiden noch ist sie ungesund. Die Ursachen, die ihr zugrunde liegen sind das Bedürfnis nach Anerkennung, Vertrauen und Bindung. Ist sie jedoch unbegründet und/oder nimmt ein übersteigertes Maß an, kann schnell ein regelrechter Eifersuchtswahn enstehen, welcher am Ende jede Form von Beziehung zerstört.
Inhaltsverzeichnis
Berechtigte Eifersucht
Brach unser Partner unser Vertrauen, zum Beispiel durch wiederkehrende Lügen, eine heimliche Sexaffäre zu einem anderen Menschen oder dadurch, dass er offensichtlich Teile seines Lebens vor uns verheimlicht, ist Eifersucht nicht schädlich, sondern ein wichtiges Warnsignal. Das Gegenteil wäre hier Naivität.
Wer sich vernachlässigt fühlt, wenn der Partner auf Partys als Entertainer brilliert, die Ehefrau aber ignoriert, der ist noch nicht übermäßig eifersüchtig. Oft handelt es sich hier um Missverständnisse, die sich am besten dadurch klären lassen, indem die Betroffenen darüber reden. So versteht es ein Partner oft nicht, dass eine Situation, in der er sich zuhause fühlt, für sein Gegenüber fremd ist. Ihm erscheint jetzt die Partnerin, die wortlos bei der Feier aufsteht und verschwindet als Spaßverderberin, die “immer nur rumnörgelt”, ihr erscheint der Partner als jemand, der sich immer nur anderen gegenüber von seiner besten Seite zeigt.
Während in solchen Situationen reden hilft und Verständnis für die Wahrnehmung des Anderen vieles klären kann, ist eine Beziehung vergiftet, wenn ich heimlich das Handy meines Partners überprüfe, ihn als Betrüger darstelle, weil er sich mit einer ehemaligen Kommilitonin über alte Zeiten unterhält oder ihm ein sexuelles Interesse unterstelle, wenn er beim Bezahlen im Cafe der Bardame zulächelt. Steigert sich solche Eifersucht, ist auf kurz oder lang die Beziehung zerstört. Für den zu Unrecht Verdächtigten gibt es am Ende keine Alternative dazu, sich zu trennen, um der Hölle zu entkommen.
Emotionale und sexuelle Eifersucht
Eine aktuelle Studie aus Pennsylvania zeigte, dass es “die” Eifersucht nicht gibt, sondern dass sich die konkrete Ausprägung nach der Form der Beziehung richtet, die ein Mensch bevorzugt. Menschen mit einem starken Bedürfnis nach Nähe in der Partnerschaft sind demnach besonders sensibel, wenn sie emotionale Untreue vermuten und können sich so in eine Form der Eifersucht hineinsteigern, in der sie nicht glauben, dass der Partner sie “wirklich liebt”. Nimmt diese Form Übermaße an, setzen sie ihre Partner unter immer stärkeren Druck, der baut Distanz auf, um sich selbst zu schützen, und die Beziehung gerät in eine destruktive Spirale.
Wer jedoch Wert auf Unabhängigkeit in der Beziehung liegt, der hat wenig Angst vor der emotionalen Untreue, er sieht sie nicht einmal im gleichen Licht wie der Partner, der sich nach Nähe sehnt. Er hat keine Probleme damit, wenn die Freundin oder der Freund mit anderen ins Kino geht, einen anderen Freundeskreis hat, oder sich allein nachts in Clubs herumtreibt. Im Gegenteil, das nimmt er für sich selbst ja auch in Anspruch und sieht es gerade als Zeichen einer gesunden Beziehung an, in der beide “nicht ständig aufeinander hocken”. Solchen Menschen ist jedoch häufig die sexuelle Treue sehr wichtig.
Von der schlechten Eigenschaft zum Wahn
Gesteigerte Eifersucht kann in einen Wahn übergehen. Die Grenzen sind fließend, doch der Unterschied liegt darin, dass gesteigerte Form immer noch einen Anker in der Wirklichkeit hat, während eine Wahnerkrankung sich selbst bestätigt und jeden äußeren Reiz lediglich in das geschlossene System des Wahns integriert.
Ein Wahn verzerrt pathologisch die Wirklichkeit, und die Betroffenen halten an ihrer verdrehten Sicht mit absoluter Überzeugung fest, auch wenn ihre Wahrnehmung im Gegensatz zur objektiven Realität, zur eigenen Lebenserfahrung und zu dem Urteil von Freunden und Bekannten steht.
Wahnkranke weigern sich oft, ihre Urteile überhaupt zu prüfen. Sie brauchen und sie wollen keine Begründung und blicken oft verächtlich auf diejenigen herab, die „die Wahrheit“ nicht verstanden haben. „Es ist so“, und wer das mit besten Gründen bezweifelt, gilt dem Wahnhaften entweder als dumm oder als Lügner.
Die Betroffenen beziehen äußere Vorgänge auf sich selbst, selbst Naturphänomene wie Regen oder Sonnenschein, aber auch Gespräche, deren Gegenstand ein gänzlich anderer ist, Blicke oder Wortfetzen, Texte auf Plakatwänden, Zitate in Fernsehshows etc.
Das hat der Eifersuchtswahn mit Größenwahn, Abstammungswahn oder Verschwörungswahn gemein – tatsächlich leiden manche Betroffene generell unter Wahnvorstellungen. Diese Kranken glauben dann nicht nur, dass ihr Partner hinter ihrem Rücken Sex mit anderen hat; sie meinen zum Beispiel auch, böse Mächte wollten sie mit Handystrahlen vergiften, sie wären ein verkanntes Genie, dass dunkle Kräfte aus Neid um ihren Platz an der Sonne brächten etc.
Eifersucht und Sexsucht
“Ein eifersüchtiger Kerl ist schlimmer als ein toller Hund.” Karel Capek
Krankhaft Eifersüchtige entsprechen den Ansprüchen, die sie an ihren Partner stellen, oft selbst keinesfalls – und pathologisch wird dieser Widerspruch, wenn es sich nicht mehr um Kalkül oder bewusst egoistisches Verhalten handelt.
So sind manche Betroffene selbst als notorische Schürzenjäger berüchtigt oder entsprechen dem, was in früheren Zeiten als “mannstoll” bezeichnet wurde. Sie müssen sich ständig durch sexuelle Errungenschaften selbst bestätigen, was bis hin zu sexuellen Übergriffen reicht. In der Regel prahlen sie mit ihren sexuellen Eroberungen.
Zugleich sind sie aber bei ihren jeweiligen Partnern und Partnerinnen extrem kontrollierend; sie ertragen es nicht, wenn diese einen anderen Mann oder eine andere Frau auch nur angucken. Dies hat auch mit pathologischen Formen der Projektion zu tun. Sie begreifen oft wirklich nicht, dass sie ihr eigenes Verhalten dem Partner unterstellen.
Während unter Umständen die Beziehungspartnerin abends allein vor dem Fernseher sitzt, während das Besitz ergreifende Gegenüber sturzbetrunken Sex mit einer Wildfremden in der Kneipen-Toilette hat, klingelt er dann eine Stunde später Sturm und überschüttet sie mit Vorwürfen.
Während er gerade Gefallen an einer Zwanzigjährigen gefunden hat und seine Noch-Freundin auf einer Gartenparty trifft, rastet er restlos aus, als die ihm sagt, dass sie nicht mit ihm mit dem Rad nach Hause fahren will, weil er betrunken ist. Sie wolle, so brüllt er, nur mit (…) ins Bett springen.
Bisweilen projiziert der Wahnhafte jetzt sein eigenes Verhalten umso mehr auf die Partnerin, je weniger deren Verhalten seinen Unterstellungen entspricht. Das ist kein Zufall: Ihm dämmert nämlich, dass sie sich umso weiter von ihm entfernt und schließlich trennen wird, je stabiler sie ist – je weniger ihr ausgeglichenes Verhalten seinem Wahn entspricht.
Promiskuitivität und krankhafte Eifersucht sind keine Gegensätze: Die sexuellen Eroberungen braucht der Wahnhafte ja, um sich seinen sexuellen Wert zu beweisen, an dem er zweifelt. Aus dem gleichen Grund fürchtet er, dass seine (feste) Partnerin mit anderen Sex hat – er selbst hält sich nämlich für ungenügend. Das Paradox zwischen dem Einklagen von sexueller Treue des Partners und eigener Promiskuitivität fügt sich so im Wahn zusammen.
Früher oder später wird sich jeder psychisch gesunde Mensch aus einer solchen Beziehung lösen. Damit setzt bei dem Kranken aber nur eine neue Spirale aus Besitz ergreifenden Eroberungen, sexueller Selbstbestätigung und zerbrochenen Beziehungen ein. Eifersüchtig ist er ja gerade, weil er sich selbst zutiefst einsam fühlt, und die Nähe, die diese Einsamkeit beenden könnte, durch seine Übergriffe unmöglich macht.
Basiserkrankungen
Tatsächlich liegt einem Eifersuchtswahn häufig eine Basiserkrankung zugrunde. Er ist zum Beispiel typisch für Alkoholismus, paranoide Schizophrenie, eine bipolare Störung, das Borderline-Symptom sowie narzisstische Störungen und tritt bisweilen gemeinsam mit Angststörungen und psychosomatischen Erkrankungen auf. Auch Hypochondrie, das Münchhausen-Syndrom, oder die dissoziative Persönlichkeitsstörung sind häufig mit krankhafter Eifersucht verbunden.
Was zeichnet Eifersuchtswahn aus?
Der Betroffene ist überzeugt, dass sein Partner ihn betrügt oder hintergeht, auch wenn alle Beweise dagegen sprechen. Im Gegenteil: Gibt der Partner keinen realen Anlass, misstrauisch zu sein, sieht der Wahnhafte das gerade als Beleg dafür, dass der Partner sein Verhalten tarnt.
Auch wenn Freunde, Bekannte und Verwandte dem Eifersüchtigen gut zureden, dass sie nicht das geringste Zeichen gesehen haben, dass seine Vermutungen rechtfertigt, bleibt er bei seiner Überzeugung. Eifersuchtswahn geht hier sogar über in Verschwörungswahn: Wer dem Betroffenen versucht, seinen Irrsinn auszureden, “steckt mit dem Partner unter einer Decke”.
Es handelt sich nicht um harmlose Spinnerei. Menschen, die wahnhaft von der Untreue des Lebenspartners überzeugt sind, werden diesem gegenüber aggressiv, übrigens selten gegenüber dem vermeintlichen Rivalen. Das reicht bis zum Mord – wir sprechen dann vom Intimizid.
Wie entsteht krankhafte Eifersucht?
Eifersucht entspringt eigenen Bedürfnissen und nur scheinbar dem Verhalten anderer. Die Ursachen sind vielfältig, doch es laufen im gesteigerten Fall meistens drei Probleme ineinander: Die Betroffenen messen erstens ihren Wert daran, wie sehr andere sie lieben, sich um sie kümmern, sie bewundern – haben aber selbst Probleme, Liebe zu geben.
Dies geht oft einher mit einer narzisstischen Störung, also einem falschen Selbst, dass durch die Bewunderung anderer aufrechterhalten wird. Solche Menschen fühlen sich wertlos, wenn sie nicht die Aufmerksamkeit und Zuneigung eines anderen bekommen. Dazu kommen zweitens Selbstzweifel, das Gefühl, nicht liebenswert zu sein und drittens ein Besitzdenken, in dem der Partner zum persönlichen Eigentum und dem ebenso ausgeweiteten wie labilen Ego wird.
Das Drama daran ist, dass Menschen mit einer so ausgerichteten Psyche das, wonach sie sich sehnen, nämlich Aufmerksamkeit und Liebe im positiven Sinne durch jemand anders bekommen, durch ihr eigenes Verhalten zerstören. Zur Liebe gehört nämlich Vertrauen, und dieses attackieren die Eifersüchtigen durch ihr kontrollierendes Verhalten.
Wie soll sich jemand einem Partner öffnen, ihm Liebe schenken, wenn dieser ihn bespitzelt, wie soll jemand durch Bindung seinem Partner Sicherheit geben, wenn dieser durch ständige Anschuldigungen bestenfalls Distanz schafft.
Gift für die Beziehung
Tatsächlich tötet die krankhafte Überzeugung von der Untreue des Partners auf Dauer jede gesunde Beziehung, es sei denn, der davon Betroffene gerät an einen masochistischen Partner, der auf solchen Psychoterror anspringt. Psychisch stabile Menschen reagieren auf das psychische Gefängnis, in das der Eifersüchtige sie sperrt, auf Dauer mit Trennung: Irgendwann suchen sie sich einen Partner, der ihnen den lebenswichtigen Freiraum lässt. Oder sie gehen folgerichtig wirklich eine Affäre ein, um einen Ausgleich zu dem Dauerstress zu schaffen. Dadurch fühlt sich der Betroffene wiederum bestätigt.
Menschen, die an pathologischer Eifersucht leiden, haben oft genau diese Erfahrung immer wieder in Beziehungen gemacht, ohne aber dazu zu lernen. Das liegt nicht daran, dass sie generell nicht lernfähig sind, sondern daran, dass ihr Wahnsystem so in sich geschlossen ist, dass sie selbst aus diesem psychischen Gefängnis nicht hinaus kommen.
Dabei können Betroffene am Anfang von Beziehungen auf Geschlechtspartner sogar reizvoll sein, weil der frische Beziehungspartner die Grenze zwischen Aufmerksamkeit und Überwachung noch nicht versteht. Erst einmal erscheint nämlich der Eifersüchtige als das Gegenteil von Gleichgültigkeit.
Gerade Menschen, die selbst Beziehungen hinter sich haben, in denen es dem Partner egal war, ob sie mit jemand anders schlafen, mit jemand anders ausgehen, haben oft das Gefühl, dass es dem Partner auch egal ist, ob sie überhaupt in einer Beziehung sind oder nicht. Der Eifersüchtige gibt dem Partner jetzt das Gefühl, gebraucht zu werden. Er giert nach Aufmerksamkeit, und manche Menschen geben diese Aufmerksamkeit am Anfang einer Beziehung nur allzu gerne.
Was tun gegen Eifersucht?
Hat die Eifersucht noch keine wahnhaften Züge angenommen, lässt sie sich in den Griff bekommen. Das setzt allerdings voraus, dass der Betroffene ein Bewusstsein über das Problem entwickelt.
Zuerst einmal muss er realisieren, dass seine Eifersucht erstens nichts mit dem Partner zu tun hat und zweitens keine Liebe ist. Es geht nicht um den Anderen, sondern um den Betroffenen selbst, und der muss sich jetzt seiner Angst stellen, verlassen zu werden oder nichts wert zu sein.
Dann müssen die Betroffenen beginnen, sich selbst anzunehmen und als liebenswerten Menschen zu akzeptieren. Das ist ein langer Prozess, weil die Wurzeln des mangelnden Selbstwerts meist in der Kindheit liegen.
Weiterhin geht es darum, selbst etwas zu tun. Eifersüchtige machen sich in hohem Ausmaß von ihrem Partner abhängig, und wenn sie sich abhängig gemacht haben, geben sie ihrem Partner die Schuld. In Wirklichkeit halten sie nämlich ihren Partner, und auch andere Menschen, für attraktiver, interessanter, generell für besser als sich selbst.
Dieses mangelnde Gefühl für den eigenen Selbstwert verändert ein Mensch am besten durch eigene Erfahrungen. Wer eigene soziale Kontakte pflegt, eigenen Interessen nachgeht und eigene Freunde trifft, der wird unabhängiger. Wer sich aber unabhängiger fühlt, der hat weniger zu verlieren. Seine Angst schwindet, dass der Partner ihn verlässt, weil er auch ohne Partner gut leben könnte. Langsam verändert sich dadurch auch die Beziehung selbst zum Positiven. Die eigenen Unternehmungen machen nämlich die Beziehung wieder lebendig.
Risikofaktoren
Eifersucht selbst ist ein Grundgefühl, ob wir sie mögen oder nicht, genau wie Zorn, Trauer oder Freude. Bestimmte Risikofaktoren können sie zum Wahnsinn ausarten lassen. Neben dem Gefühl der Minderwertigkeit gehört dazu eine depressive Grundstimmung, ein pathologisches Konsumverhalten, neben Alkoholmissbrauch auch der Missbrauch anderer Substanzen, wobei besonders psychoaktive Drogen die Wahrnehmung verzerren können.
Vertrauensmissbrauch
Ein wichtiger psychischer Faktor ist realer Missbrauch von Vertrauen in vergangenen Beziehungen. Wer von seinem Partner belogen und betrogen wurde, dem fällt es schwer, sich noch einmal auf jemand einzulassen. Er erwartet geradezu, dass der neue Partner ihn wieder betrügt und sucht nach geheimen Zeichen dafür. Indessen gehört es zu den psychischen Grundweisheiten, dass Menschen mit derartigen Beziehungsmustern tatsächlich wieder an betrügerische Partner geraten, während sie ehrliche Partner nach kurzer Zeit durch ihre Eifersucht wieder vergraulen.
Dahinter steckt eine tragische Psycho-Logik: Dem Betrüger fällt es einfach, mit der Eifersucht umzugehen, selbst, wenn sie krankhaft wird. Im Unterschied zum unbescholtenen Partner fällt ihm immer wieder eine Lüge ein, um den Betroffenen zu beschwichtigen – und kaum ein Mensch ist so leicht zu manipulieren, wie jemand, der an einem Wahn leidet.
Dem ehrlichen Partner jedoch gehen die falschen Unterstellungen anfangs auf die Nerven, wenn er tiefe Gefühle in der Beziehung entwickelt, leidet er zunehmend am tyrannischen Verhalten, früher oder später wird er seine Rolle als zu Unrecht Beschuldigter aber nicht mehr mitspielen, eben weil er nichts Unrechtes getan hat.
Hat sich die alte Erfahrung des Vertrauensmissbrauchs indessen zum Wahn entwickelt, wird der Betroffene kein Verständnis mehr dafür entwickeln können, dass es diesmal andere Gründe hat, wenn der neue und ehrliche Partner ihn verlässt. Vielmehr fühlt er sich jetzt bestätigt, dass “sie doch alle gleich sind”.
Latente Homosexualität
Ein Auslöser für pathologische Eifersucht kann auch latente bzw verdrängte Homosexualität sein. Ob Mann oder Frau, die Betroffenen verspüren jetzt extreme Verlustängste, wenn Freunde oder Freundinnen, für die die Freundschaft keine sexuelle Komponente hat, sexuelle Beziehungen eingehen.
Da den Betroffenen ihre sexuelle Anziehung nicht bewusst ist, versuchen sie, ihre Eifersucht zu rationalisieren. Der neue Partner “tut ihr nicht gut”, “ich möchte ihn davor schützen, ausgenutzt zu werden”, sind übliche Suggestionen. Dieser Wahn ist besonders gefährlich. Die Betroffenen spalten ja gerade ab, dass es sich um (sexuelle-intime) Eifersucht handelt. Es gäbe keinen Grund, eifersüchtig zu sein, weil der Freund aus dem Sandkasten endlich seine große Liebe gefunden hat.
Doch die Bindung an diesen Freund, an diese Freundin hatte bereits zuvor libidinöse Züge. Nicht nur Sexualpartner des anderen Geschlechts, sondern auch Freundschaften des Objekts der Begierde zu Menschen des gleichen Geschlechts können jetzt gefährliche Handlungen auslösen.
So sind Eifersuchtsdramen bekannt, in denen der Täter einen Freund lebensgefährlich verletzte, nachdem der Täter sich lange im Ausland aufgehalten hatte und, als er wiederkam, ein anderer Mann scheinbar die Stelle des besten Freundes angenommen hatte, und nach der Tat sagten: “Ich liebe ihn, ihr versteht das nicht.”
Übergeordnete Phänomene
Fast immer liegt dem Wahn ein übergeordnetes Phänomen zugrunde, und das wahnhafte Verhalten lässt sich nur ändern, wenn diese Ursache behandelt wird. Oft baut sich aber über den ursprünglichen Erkrankungen ein Gerüst aus Verhaltensstörungen auf, das Stück für Stück abgetragen werden muss.
Der pathologisch Eifersüchtige gerät zum Beispiel auch mit der Polizei in Konflikt, weil er sich ständig in Schlägereien verwickelt, ihm fehlt es an Impulskontrolle, und er hat ein Autoritätsproblem; er ritzt sich die Arme und inszeniert Pseudosuizidversuche, uma uf sich aufmerksam zu machen. Er ist drogenabhängig und leidet unter Zwangsvorstellungen, er sammelt psychosomatische Erkrankungen.
Die Verlustängste fallen nicht vom Himmel. Betroffene haben häufig Verlusterfahrungen gemacht, oft sind sie Waisenkinder, die ständig nach den liebenden Eltern suchen, die sie niemals hatten und niemals mehr haben können. Andere wurden als Kinder sexuell von Vater oder Mutter missbraucht, und dieser sexuelle wie Vertrauensmissbrauch gerade der Bezugspersonen, ohne die sie nicht leben konnten, prägt sich in ihre weiteren Beziehungsmuster ein.
Es muss sich aber nicht um sexuellen Missbrauch handeln – Vernachlässigung wirkt ebenso wie Gift. Wer als Kind vernachlässigt wurde, der erwartet diese Vernachlässigung im späteren Leben immer wieder und fürchtet sie zugleich. Geht der Partner jetzt allein aus oder verbringt ein Wochenende mit den Eltern ohne das “vernachlässigte Kind” ist das alte Gefühl wieder da – die Hilflosigkeit. Den Partner zu kontrollieren, in einen Käfig einzusperren, bietet jetzt die krankhafte Gewissheit, dass er nicht verschwindet wie Mutter oder Vater.
Ein extrem eifersüchtiger Mensch ist vor allem ein Mensch, der mit Nähe nicht umgehen kann, weil er die positive Erfahrung von Nähe als Kind nicht gemacht hat.
Wie verhalten sich pathologisch Eifersüchtige?
Für Menschen, die unter krankhafter Eifersucht leiden, verdrängt diese Hobbys, Beruf, Freundschaften und soziale Kontakte. So komisch es sich anhört, die Überzeugung von der Untreue des Partners verdrängt auch die Beziehung selbst: Der Betroffene nimmt nämlich die reale Beziehung überhaupt nicht mehr wahr.
Statt sich darum zu kümmern, was er und sein Partner/seine Partnerin gemeinsam kochen könnten, wohin sie in Urlaub fahren wollen, was es im Kino gibt oder auch nur, zusammen das Geschirr abzuwaschen, verschwindet hinter dem Wahn. Die Eifersucht wird für die Kranken zum Alkohol des Alkoholikers. Genau das zeichnet eine Sucht aus.
Sind Sie gefährdet?
Sie können sich selbst überprüfen, ob sie eine krankhafte Eifersucht entwickeln:
1) Lesen Sie die SMS ihres Partners, wenn er nicht dabei ist; durchsuchen Sie seine persönlichen Sachen nach vermeintlichen Beweisstücken?
2) Interpretieren Sie Verhalten ihres Partners als Hinweise auf Untreue, ohne dass dafür ein Grund besteht?
3) Überprüfen Sie heimlich, was ihr Partner tut, wenn er allein ist?
4) Befragen Sie Bekannte, Freunde und Verwandte darüber, was ihr Partner tut, wenn Sie nicht dabei sind? Merken Sie, dass es sich dabei nicht um Neugier, sondern um Misstrauen handelt?
5) Unterstellen Sie ihrem Partner Untreue, werden Sie dabei ausfällig?
6) Kontrollieren Sie ihren Partner mit Anrufen, SMS, oder Emails? Beschimpfen Sie ihn, wenn er auf Facebook oder Instagram mit anderen Menschen chattet?
7) Glauben Sie ihrem Partner nicht, wenn er erzählt, was er bei der Arbeit, auf dem Weg nach Hause oder vor dem Frühstück gemacht hat?
Trifft das auf sie mehrheitlich zu? Dann empfiehlt sich eine Beratung durch einen Psychotherapeuten oder Psychologen zu einer Eifersuchtssprechstunde. Hier können Sie Ursachen, Hintergründe und mögliche Lösungen für ihr Verhalten finden.
Wenn ihre Eifersucht nicht pathologisch ist, kommen Sie nach dem ersten Schritt, dem Bewusstsein über das Problem, relativ einfach aus den belastenden Mustern heraus.
Stellt sich indessen heraus, dass die Ursache eine psychiatrische Erkrankung ist, dann sorgen Sie dafür, dass sie an spezielle Therapeuten weitergeleitet werden.
Mörderische Eifersucht
Eifersucht kann töten. Der Grund dafür ist einfach: Die Hauptursache für Gewalttaten sind Kränkungen. Gekränkte Herrscher metzelten ganze Völker nieder, hinter vielen Kriegen standen Kränkungen als Auslöser.
Ohne die tieferen ökonomischen Ursachen weg zu psychologisieren, spielte dies selbst im Ersten Weltkrieg eine Rolle: Seine britischen Verwandten betrachteten Kaiser Wilhelm II stets als von oben herab. Der Aufbau der deutschen Flotte in den Jahren vor 1914 war auch diesem tiefen Gefühl von Minderwertigkeit geschuldet.
In Beziehungen aber kränkt nichts so sehr wie der Entzug von Liebe. Wer jetzt als Kind keine bedingungslose Liebe erfuhr, und sich in späteren Beziehungen zu Recht oder zu Unrecht ungeliebt fühlt, der entwickelt im schlimmen Fall Rachegefühle gegenüber dem Partner.
Das Mörderische am Eifersuchtswahn liegt jetzt in dem Grundgefühl: Wenn ich sie oder ihn nicht haben kann, dann auch kein Anderer. So grotesk es sich anhört. Wenn der Betroffene vernichtet, was er zu lieben glaubt, dann gewinnt er scheinbar eine verlorene Kontrolle zurück – die er in Wirklichkeit allerdings niemals hatte.
Zerstören von Beziehungen
Nur in den wenigsten Fällen führt Eifersucht zum Mord, aber oft drangsalieren Betroffene ehemalige Partner viele Jahre lang, wenn diese eine neue Beziehung haben. Sie sind sich dabei durchaus bewusst, dass die alte Beziehung vorbei ist, aber können ihr Verhalten dennoch nicht ändern.
Sie lauern ihrem Ex-Partner auf, sie sammeln Informationen über die Ex-Freundin, die in jeder Hinsicht nutzlos sind, sie tragen akribisch jedes Detail über das Leben in der neuen Beziehung zusammen, ohne dass es irgend einen objektiven Sinn hätte.
Stellt sich der “Erfolg” ein, dann gewinnen sie den Partner zwar nicht zurück, haben es aber immerhin geschafft, die neue Beziehung zu zerstören.
Übrigens muss sich die Eifersucht von Menschen, die keine Erfahrung von Liebe und Nähe gemacht haben, nicht nur auf den gegenwärtigen oder vergangenen Partner beziehen. Genau so versuchen sie, die Beziehungen der Menschen in ihrem sozialen Umfeld zu stören.
Sei es der Kumpel, auf den sie eifersüchtig sind, weil er als Frauenschwarm gilt, den sie bei potenziellen Sexualpartnerinnen in ein schlechtes Licht rücken; sei es die beste Freundin, der sie zu den unattraktivsten Kleidungsstücken raten, um neben ihr glänzen zu können.
Konflikte in der Beziehung
Gesteigerte Eifersucht in einer Beziehung kann auch zu schädlichen Mustern von beiden Partnern führen. Während der oder die Betroffene den Partner oder die Partnerin auf Schritt und Tritt beobachtet, vermeidet der Überwachte alles, was Verdacht erregen könnte und setzt sich so immer stärkerem Druck aus. Mehr noch: Um seinen Partner nicht zu beunruhigen, verheimlicht er Dinge, bei denen es nichts zu verheimlichen gibt.
Ohne irgendwelche Hintergedanken trifft er sich zum Beispiel mit seiner ehemaligen Chefin. Da die Partnerin das aber als sexuelle Annäherung verstehen könnte, trifft er sich heimlich. Bekommt die Partnerin das jetzt heraus, sieht sie sich bestätigt, denn offensichtlich hat er ja Grund, das Treffen zu verheimlichen.
Gefragt sind beide Partner. Der Eifersüchtige geht in der Regel davon aus, dass der Andere sich nur “richtig” verhalten müsste, und alles wäre gut. Doch er selbst ist es, der sein Gedankengefängnis aufbrechen kann.
Helfen kann hier zum Beispiel ein Tagebuch, in dem er/sie ehrlich über seine/ihre Gefühle schreibt und diese mit dem Partner diskutiert. Für den Partner ist es wichtig, zu zeigen, dass er/sie diese Gefühle ernst nimmt, auch wenn sie mit dem konkreten Verhalten des Objekts der Eifersucht nichts zu tun haben.
Für den Betroffenen selbst steht jetzt die Achtsamkeit im Vordergrund: Was empfinde ich? Wann habe ich das schon einmal empfunden? Mit sechs zu Sylvester, als ich allein im Bett lag und traurig war, dass mich niemand in den Arm nahm? Schreiben Sie auf, wann Sie besondere Eifersucht empfinden, und wann überhaupt keine. Was sind die Auslöser?
Sie können auch eine Verhaltenstherapie auf sich nehmen. Eifersüchtiges Verhalten ist ein Verhalten, und ein Verhalten lässt sich nur ändern, wenn man es ändern will, und vor allem, wenn man weiß, welches Verhalten es zu ändern gilt. Stark Eifersüchtige weisen Verantwortung von sich, und ein wichtiger Schritt ist es, diese auf sich zu nehmen.
Statt also dem Partner, den sie gerade öffentlich beleidigt haben, weil er mit einem Kumpel im Zoo war, zu sagen: “Du hast das provoziert”, ist es notwendig, sich einzugestehen, dass es keine Rechtfertigung für das eigene Verhalten gibt – erst nach diesem Eingeständnis finden sie Erklärungen.
Gerade für Beziehungen, die infolge der Angst vor dem Verlust der Liebe des Partners vergiftet sind, ist absolute Offenheit notwendig. Dazu gehört, dass die Partner vereinbaren, nach Eifersuchtsdramen zu einer “neutralen” Zeit darüber zu sprechen, was eigentlich passiert ist.
Der attackierte Partner sollte sich weder der Angriffe zur Wehr setzen noch klein beigeben. Besser ist es, spazieren zu gehen, und zu sagen, “wir reden darüber, wenn du dich beruhigt hast”, und es dann auch zu tun.
Während der Gespräche sollte man gegenüber dem Betroffenen nichts verheimlichen, so schwer das auch fällt. Der Eifersüchtige sollte sich derweil zwingen, zuzuhören. Dazu helfen übrigens Konzentrationsübungen wie Yoga. Er soll sich auf das konzentrieren, was der andere sagt, und nicht auf das, was im eigenen Kopf vor sich geht.
Der Attackierte tut gut daran, dem Eifersüchtigen zu verzeihen. Das bedeutet gerade nicht, das Verhalten als richtig darzustellen, aber zu zeigen, dass er die Ängste des Partners versteht. Vorwürfe, wie sehr die Eifersucht die Beziehung belastet, bringen nichts.
Alkoholismus und Eifersuchtswahn
Chronische Alkoholiker entwickeln bisweilen einen Wahn, vom Partner (und den Mitmenschen) betrogen zu werden. Dies geht einher mit allgemeinen Minderwertigkeitsgefühlen, die das Wissen um die eigene Sucht mit sich bringt. Eifersuchtswahn und Verfolgungswahn sind bei Alkoholikern eng verflochten. Gerade im alkoholisierten Zustand kann das bis zu Tötungsdelikten führen. Ein solcher Wahn betrifft fast ausschließlich Männer.
Für einen Partner gibt es hier nichts zu klären. Er kann sich nur aus der Beziehung verabschieden bzw. zum Partner auf Distanz gehen, bis dieser eine absolute Alkoholabstinenz erreicht hat. Intime Gespräche, die sonst bei gesteigerter Eifersucht eine Beziehung in ein freudvolles Erleben verändern können, sind hier nicht nur fehl am Platz, sondern potenziell eine gefährliche Augenwischerei.
Es ist nämlich vollkommen egal, was der Betroffene im nüchternen Zustand verspricht. Er ist eine tickende Zeitbombe ohne Kontrolle. Der nächste Vollrausch kann der letzte für den Partner sein. Den Alkoholentzug kann hier eine Psychotherapie unterstützen bzw. hochpotente Antipsychotika. Selbst bei absolutem Alkoholentzug bildet sich der Eifersuchtswahn bei dieser Krankheit aber nur sehr langsam oder gar nicht zurück. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
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Wichtiger Hinweis:
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