Elephantiasis (Elefantiasis) kennen wir auch als „Elefantenmann-Krankheit“. Dabei vergrößern sich Teile des Körpers extrem, als ob die Betroffenen zum Beispiel Beine „wie ein Elefant“ haben. Oft schwellen auch die äußerlich sichtbaren Genitalien an, bis zum Beispiel der Hodensack einem aufgeblasenen Ballon ähnelt. Die Ursache ist ein Stau der Lymphflüssigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Die Krankheit kann erworben oder angeboren sein. Genau genommen, handelt es sich bei erworbener und angeborener Elephantiasis nicht um die gleiche Krankheit, sondern um eine Sammelbezeichnung für ähnliche Symptome verschiedener Erkrankungen.
Elephantiasis tropica
Die Elephantiasis tropica ist ein fortgeschrittenes Stadium verschiedener Infektionen. Ursache sind häufig Fadenwürmer wie Filaria malayi, bisweilen auch Lepra. Die Würmer werden von Moskitos übertragen. Mit dem Mückenstich gelangen sie in die Lymphen, nisten sich ein und lösen so eine chronische Entzündung aus, die wiederum zu einem Lymphstau führt. Durch diesen Lymphstau verhärtet die Haut und ihre Oberfläche vergrößert sich extrem.
Insbesondere in Ländern des tropischen Afrikas sollten Sie deshalb unbedingt unter einem Moskitonetz schlafen und in Sumpfgebieten einen Moskitohut tragen, bei dem ein Netz die Gesichtshaut bedeckt. Damit schützen Sie sich zugleich vor Malaria und der durch Tsetse-Fliegen übertragenen Schlafkrankheit.
Tumore
Krebs kann ebenfalls zu einer „Elefantenhaut“ führen. Die Tumore verschließen unmittelbar im Lymphsystem die Lymphgefäße und das gleiche kann durch Metastasen von anderswo sitzenden Primärtumoren geschehen. Mittelbar kann zudem die Krebsbehandlung zu einer Elefantenkrankheit führen. Oft müssen die Lymphbahnen mit entfernt werden, wenn der Chirurg Metastasen heraus schneidet.
Vorsicht ist geboten: Bildet sich als Folge einer Krebstherapie eine Elephantiasis, können sich an den verschlossenen Lymphen wiederum Karzinome bilden. Solche Karzinome wachsen in der Regel sehr schnell, und die Ärzte können das Leben der Patienten nur durch eine Amputation der betroffenen Gliedmaße retten – wenn überhaupt. Diese auf eine Elephantiasis folgende Krebsform bildet nämlich schnell viele Metastasen, und so ist häufig nur noch eine Palliativmedizin möglich.
Elephantiasis congenita hereditaria
Diese Form der Elefantenkrankheit ist angeboren. Bei Säuglingen schwellen hier Körperteile an, weil die Betroffenen genetisch bedingt kaum Lymphabflüsse haben.
Diagnose
Eine Elephantiasis lässt sich vom Arzt in der Regel auf einen Blick erkennen, nicht aber deren Ursache. Sind Fadenwürmer der Auslöser, entnimmt der Arzt eine Gewebeprobe und kann sie spätestens unter dem Mikroskop, aber auch schon mit bloßen Augen identifizieren.
Behandlung
Weder erworbene noch angeborene Elephantiasis ist ansteckend. Die fortgeschrittenen Schäden lassen sich oft nicht mehr korrigieren, doch die Symptome des Lymphstaus können gelindert werden. Allerdings ist eine Therapie unbequem: Die Betroffenen müssen sich mehrmals pro Woche einer Lymphdrainage unterziehen und dauerhaft Kompressionsbandagen tragen. Ist die Haut durch die Schwellungen überdehnt und hängt jetzt schlaff herunter, hilft oft nur noch die plastische Chirurgie. Diese bringt aber keine optimalen Ergebnisse: Auch wenn es gelingt, die Haut zu straffen, gewinnt sie ihre alte „Frische“ und Elastizität nicht wieder, sondern bleibt verhärtet.
Der Elefantenmensch
Die unter Elephantiasis zusammengefassten Symptome wurden durch den betroffenen Engländer Joseph Carey Merrick (1862-1890) bekannt. An dieser Krankheit leidende wurden seinerzeit als fragwürdige „Sensationen“ in Freakshows neben Frauen mit „Damenbart“ oder Kleinwüchsigen ausgestellt, zwischen dem „dicksten Mann der Welt“ und dem „Eisbären, der Schrecken der Eskimos“.
Merrick sah als Kleinkind vollkommen normal aus. Seit dem 5. Lebensjahr verformte sich jedoch seine Haut. Als Jugendlicher arbeitete Joseph bei Messrs. Freeman’s Cigar Manufacturers, musste den Job aber beenden, weil er bald mit seiner deformierten rechten Hand keine Zigarren mehr drehen konnte.
Ein „Monster“ auf dem Jahrmarkt
Mit seinem „Manager“ Tom Norman machte er sein Leiden zum Broterwerb. Die beiden tingelten über die Jahrmärkte, wo sich Merrick als „Monster“ präsentierte. Der Arzt Fredrick Treves sah ihn 1886 in London, untersuchte ihn und veröffentlichte einen Artikel über den „Elefantenmenschen“ im British Medical Journal. Die britischen Behörden untersagten Merrick, sich selbst als Monster auszustellen, deshalb reiste er nach Belgien, kehrte aber bereits im Dezember 1886 zurück. In London raubten ihm Straßendiebe seine Einkünfte von 50 Pfund, heute wären das mehrere tausend Euro. Er wandte sich in seiner Not an Treves, und der verschaffte ihm einen Platz im London Hospital. Merrick war jetzt eine Berühmtheit, und es gründete sich ein Joseph-Merrick-Fund. Dieser finanzierte ihm einen langfristigen Aufenthalt in der Klinik.
Keine psychische Störung
Wie viele Menschen, die durch eine Krankheit körperlich behindert sind, hielten auch Merrick viele Zeitgenossen für geistig minderbemittelt oder sogar für psychisch krank. Dies lag auch daran, dass seine Sprache nur sehr schwer zu verstehen war. Es handelte sich nicht um eine Entwicklungsstörung, sondern die Missbildungen durch den Lymphstau drückten auf Zunge und Kehlkopf, und darum konnte er sich nur mühsam artikulieren. Treves betonte, dass Merrick ein sehr intelligenter Mensch war und eine sanfte Art hatte.
Merrick starb am 11. April 1890 völlig überraschend, vermutlich nach einem Schlaganfall oder Herzinfarkt. Wegen seinen Missbildungen konnte er nur im Hocken schlafen. Der Tote lag allerdings im Bett auf dem Rücken, was Merrick nie getan hatte. In der Rückenlage sank nämlich sein überschwerer Kopf nach hinten und drückte die Luftröhre ab. Dies war vermutlich die Ursache seines Todes. Bis heute wird spekuliert, ob Merrick seinem Leben selbst auf diese Art ein Ende setzte. Dies wird sich weder be- noch widerlegen lassen, allerdings litt Merrick trotz seiner Deformationen nicht an Depressionen und galt als lebensfroher Mensch.
Jack the Ripper – Ein Elefantenmensch?
Kurz nach seinem Tod kamen die ersten Gerüchte in Umlauf, dass es sich bei dem Londoner Frauenmörder Jack the Ripper um Merrick handelte. Diese lassen sich aber unter der Vorliebe des viktorianischen Englands für alles Monströse verbuchen: Jack the Ripper handelte „wie ein Monster“, Merrick sah „wie ein Monster“ aus.
Falsche Projektionen
Die Idee, dass Verbrecher körperlich deformiert sind, war einerseits ein literarischer Stereotyp: Shakespeare schildert den englischen König Richard III als geborenes Scheusal in jeglicher Hinsicht. Von Geburt an ein buckliger Zwerg passt dieses schreckliche Aussehen zu einem gänzlich bösartigen Charakter. Während Macbeth durch seine Machtgier zum Verbrecher wird und letztlich an seinem krankhaften Ehrgeiz zugrunde geht, macht Richard keine Entwicklung durch, sondern verkörpert das abgrundtiefe Böse. Auch die christliche Figur des Teufels zeichnet sich durch alle Attribute aus, die die Zeitgenossen als hässlich ansahen: Ziegenfüße- und hörner, affenartige Gesichtszüge, Buckel und Hinkebein.
Propaganda und Lügen
Die historische Forschung belegte indessen, dass Richard III alles andere als ein grausamer König war, sondern soziale Reformen durchsetzte, die den Armen zugute kamen. Das schlechte Image verliehen ihm die Tudors, die ihn, den letzten seines Geschlechtes, regelrecht abschlachteten – Richard starb im Kampf, und er starb als Held. Die Thronräuber der Tudors hatten nur eine einzige Möglichkeit, sich zu legitimieren – den Tyrannenmord. Darum verformten sie den gutmütigen Richard zum Despoten. Shakespeare malte dann ein abstoßendes Äußeres hinzu. Eine plastische Rekonstruktion seiner Gesichtszüge belegte jüngst das Gegenteil: Trotz eines leichten Buckels war Richard ein ausgesprochen attraktiver Mann.
Das Böse hat kein Gesicht
Kriminellen eine besondere Physiognomie zu unterstellen, war und ist ein Trugschluss unseres assoziativen Denkens. Es gibt keinen Zusammenhang zwischen körperlichen Behinderungen und krimineller Energie. Das „schnelle Denken“, unsere falsche Projektion, führt ganz im Gegenteil dazu, dass körperlich attraktive Kriminelle besonders erfolgreich ihren Verbrechen nachgehen können, während herzensgute Menschen mit körperlichen Deformationen zusätzlich unter Stigmatisierung leiden.
Das Munkeln über Merrick als Jack the Ripper war insofern eine typische „Räuberpistole“, die jeder kriminalistischen Grundlage entbehrt. Jack schlitzte seine Opfer mit chirurgischer Präzision auf und entnahm ihnen kunstfertig die Organe. Merrick war wegen seiner Behinderungen nicht einmal fähig, Zigarren zu drehen, geschweige denn, Feinschnitte mit einem Skalpell durchzuführen. Außerdem wäre ein Mensch, der als „Monster“ über die Jahrmärkte zog, auch in Verkleidung in Whitechapel aufgefallen, allzumal seit den ersten Morden ganz London nach „auffälligen“ Personen Ausschau hielt.
Woran litt Merrick?
Merricks Krankheit war offensichtlich genetisch bedingt. Die Erkrankung veränderte seine Haut und verformte seine Knochen. So vergrößerten sich Kopf, Beine und Arme extrem. Die linke Hand blieb normal, darum konnte er im Alltag einigermaßen zurecht kommen. Die Ärzte gingen seinerzeit davon aus, dass Merrick an Elephantiasis litt. Wie gesagt, bezeichnet diese Diagnose aber Symptome unterschiedlicher Krankheiten und bis heute ist nicht geklärt, um welche Krankheit es sich handelte.
Ashley Montagu meinte 1971, die genetisch bedingte Neurofibromatose erkannt zu haben, 1986 galt das Proteus-Syndrom als Ursache der Missbildungen. Der Unterschied zur Neurofibromatose liegt darin, dass die Neurofibromatrose nur Nervenzellen betrifft. Bei Merrick war aber auch das Gewebe beschädigt.
Eine Genmutation?
Seit 2013 laufen Untersuchungen an Merricks Genom, geleitet von Michael Simpson am Londoner Guy’s Hospital. Simpson vermutete, dass Merrick eine einzigartige Mutation hatte, die nicht vererbt worden sei. Genauer gesagt, bei Merrick soll das AKT1-Gen verändert gewesen sein, ein Gen, das das Wachstum reguliert und den Zelltod beeinflusst. Kann das Gen diese Funktionen nicht mehr erfüllen, sind Gewebemissbildungen die Folge. Simpson diagnostiziert in drei Jahren 20 Fälle dieser extrem seltenen Mutation. (Dr. Utz Anhalt)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V.: Lymphatische Filariose (Elephantiasis) (Abruf: 07.08.2019), dahw.de
- Merck & Co., Inc.: Lymphatische Filariose (Abruf: 07.08.2019), msdmanuals.com
- Prof. Dr. med. Peter Altmeyer: Filariose lymphatische B74.8 (Abruf: 07.08.2019), enzyklopaedie-dermatologie.de
- World Health Organisation (WHO): Lymphatic filariasis (Abruf: 07.08.2019), who.int
- Centers for Desease Control and Prevention (CDC): Parasites - Lymphatic Filariasis (Abruf: 07.08.2019), cdc.gov
- Genetic and Rare Diseases Information Center (GARD): Lymphatic filariasis (Abruf: 07.08.2019), rarediseases.info.nih.gov
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.