Liegt ein kompletter Geschmacksverlust vor, wird dies in der Fachsprache Ageusie genannt. Davon werden Geschmackseinschränkungen abgegrenzt, bei denen das Geschmacksempfinden nicht komplett aufgehoben, jedoch eventuell stark verändert ist. Dazu zählen die funktionelle Ageusie, bei der die Geschmackswahrnehmung deutlich eingeschränkt ist, sowie die partielle Ageusie. Dies ist der Verlust einer Geschmacksrichtung (wie zum Beispiel „süß“ oder „salzig“).
Ein gestörtes Geschmacksempfinden tritt häufig in Verbindung mit einer starken Erkältung oder einer Nebenhöhleninfektion auf. Nach Abheilen der Infektion ist in der Regel der Geschmack wieder voll intakt. Liegen andere Ursachen vor, beziehungsweise bleibt der Geschmacksverlust bestehen, muss unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.
Inhaltsverzeichnis
Damit Geschmack entstehen kann
Ist das Geschmacksempfinden völlig in Ordnung, wird dies Normogeusie genannt. Dafür sind drei Regionen im Körper nötig. Diese müssen zusammen funktionieren, damit ein normales Geschmacksempfinden entstehen kann. Bei einem Geschmacksverlust ist eine der drei Regionen gestört und dies kann im schlimmsten Fall zu einem Totalausfall, einer Ageusie, führen.
Das Sinnesorgan für den Geschmack
Das Sinnesorgan für den Geschmack besteht aus Geschmacksknospen, die sich zu Tausenden im Bereich von Zunge und Gaumen befinden. Damit lassen sich fünf verschiedene Geschmacksrichtungen unterscheiden, wie sauer, süß, salzig, bitter und umami. Der Begriff umami entstammt dem Japanischen und bedeutet so viel wie „köstlich“ oder „wohlschmeckend“ und verkörpert den Geschmack von Salzen der Aminosäure Glutamat, die in Proteinen vorkommt.
Die Hirnnerven
Von den zwölf Hirnnerven, die wir Menschen besitzen, sind drei zuständig für den Geschmack. Das sind die Hirnnerven VII, IX und X. Diese Nerven leiten die Informationen von den Geschmacksknospen zum Gehirn weiter. Liegen hier irgendwelche Veränderungen vor, kann dies einen Geschmacksverlust nach sich ziehen.
Das Gehirn
Im Gehirn laufen die gesammelten Informationen zusammen, werden weiterverarbeitet und dann für uns als Geschmack wahrnehmbar. Auch hier kann die Ursache für einen Geschmacksverlust liegen.
Ursachen für Ageusie
Wie bereits erwähnt, können die Ursachen für einen Geschmacksverlust in allen drei für den Geschmack wichtigen Bereiche des Körpers liegen.
Beeinträchtigung der Geschmacksknospen
Geschmacksknospen können kurzzeitig oder auch permanent geschädigt sein. Ursachen dafür sind Infekte bzw. Infektionen (zum Beispiel Scharlach), Chemotherapeutika, Bestrahlungen und Autoimmunkrankheiten, wie das Sjögren-Syndrom. Weitere Auslöser sind Vitamin B12 Mangel oder Eisenmangel, wodurch Zunge und Mundschleimhaut in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies kann eine Geschmackseinschränkung oder einen Geschmacksverlust nach sich ziehen.
Alkohol, Nikotin und bestimmte Medikamente (zum Beispiel ein Antimykotikum mit dem Wirkstoff Terbinafin) oder Mundspülungen (mit dem Wirkstoff Chlorhexidin) zählen ebenso zu den Ursachen. Weitere Auslöser sind Nieren- und Lebererkrankungen, Diabetes mellitus, Schilddrüsenfehlfunktionen und mangelnde Mundhygiene.
Beeinträchtigung der drei Hirnnerven
Hirnnerven können geschädigt werden, was die Informationsweiterleitung von den Geschmacksknospen zum Gehirn stört. Dies kann zu einem Geschmacksverlust führen. Ursachen für die Beeinträchtigungen der Gehirnnerven sind Operationen, Gehirntumore, Enzephalitiden (Entzündungen des Gehirns), Neuritiden (Nervenentzündungen) oder, bedingt durch eine Schädelbasisfraktur, Verletzungen von Hirnstamm oder Großhirn.
Beeinträchtigungen des Gehirns
Die Hirnnerven leiten die Geschmacksinformationen ins Gehirn weiter. Liegt dort eine Störung vor, ist der Geschmack auf irgendeine Art und Weise gestört. Eine mögliche Ursache dafür ist zum Beispiel das Vorliegen einer Alzheimer-Erkrankung, bei der Gehirnzellen absterben. Weitere Ursachen sind schwere Verletzungen im Bereich des Schädels, Multiple Sklerose, Epilepsie und Gehirntumore. Auch eine Depression kann als Begleitsymptomatik einen Geschmacksverlust mit sich führen.
Der Gang zum Arzt
Bei Geschmacksstörungen bis hin zum Geschmacksverlust ist der Gang zum Arzt unumgänglich. Eine ausführliche Anamnese ist eine sehr wichtige Voraussetzung dafür, die Ursache für den Geschmacksverlust herauszufinden. Arzt oder Ärztin stellen die verschiedensten Fragen, wie zum Beispiel seit wann und in welchem Ausmaß der Geschmack beeinträchtigt ist, ob der Geschmacksverlust plötzlich kam oder sich ganz langsam gesteigert hat.
Des Weiteren ist es wichtig zu wissen, ob neben den Geschmacksstörungen auch Probleme mit dem Riechen oder weitere Beschwerden wie zum Beispiel Schwindel, Sehstörungen, Gefühlsstörungen oder Kopfschmerzen vorliegen. Auch wird abgefragt, welche Medikamente eingenommen werden, ob geraucht und/oder regelmäßig Alkohol getrunken wird und welche Erkrankungen bereits vorhanden sind. Danach erfolgen eine körperliche Untersuchung sowie Laboruntersuchungen, und häufig werden noch weitere Überprüfungen bei Fachärzten (HNO-Arzt, Radiologe, Neurologe) angeordnet.
In einigen Städten existieren spezielle Zentren für Geschmacksstörungen. Diese sind besonders gut auf Betroffene vorbereitet. Gerade, was die Diagnostik und die Behandlung anbelangt, sind diese Zentren eine zu empfehlende Anlaufstelle.
Spezielle Untersuchungen
Zu den speziellen Untersuchungen gehören die Elektrogustometrie und die Messung der Hirnströme. Bei der Elektrogustometrie werden Geschmacksknospen mit etwas Strom gereizt, wodurch eine Geschmackswahrnehmung ausgelöst wird. Jedoch ist diese Untersuchung nicht sehr sicher, da der Reiz der Geschmacksknospen eine subjektive Wahrnehmung auslöst.
Um eine objektive Überprüfung durchzuführen, werden die Hirnströme gemessen. Elektroden, platziert auf der Kopfhaut, registrieren Geschmacksreize, ausgelöst durch verschiedene Geschmacksstoffe. Mit dieser Untersuchungsmethode lässt sich feststellen, in welcher Region die Störung ist: bei den Geschmacksknospen, bei den Hirnnerven oder im Gehirn selbst.
Des Weiteren werden neben einer Untersuchung beim Zahnarzt noch Verfahren wie CT (Computertomographie), MRT (Magnetresonanztomographie), Sialographie (Überprüfung der Speicheldrüsen) und eine Lumbalpunktion (dabei wird etwas Nervenwasser entnommen) angewandt. Eventuell ist eine Gewebeentnahme der Mundschleimhaut oder der Zunge nötig.
Behandlung
An erster Stelle steht, die Ursache beziehungsweise die zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln. Bei ursächlichen bakteriellen Infektionen ist ein Medikament aus der Reihe der Antibiotika das Mittel der Wahl. Sind bestimmte Medikamente an dem Geschmacksverlust „schuld“, muss ein Alternativpräparat versucht werden.
Ist die Ursache ein Tumor, so wird dieser eventuell entfernt und/oder mit einer Chemo– und/oder Strahlentherapie behandelt. Ist die Schilddrüse der Übeltäter, werden entsprechende Schilddrüsenmedikamente verordnet. Bei anhaltender Mundtrockenheit können Speichelersatzstoffe helfen.
Mundhygiene
Unzureichende Mundhygiene kann zu Geschmackseinschränkungen führen. Zähneputzen, mindestens zweimal täglich, und das Reinigen der Zunge gehören zu einer richtigen Mundhygiene. Morgendliches Ölziehen, vor dem Zähneputzen, ergänzt das Ganze. Dafür wird ein gutes, kalt gepresstes Öl, zum Beispiel Sonnenblumen- oder Sesamöl, verwendet. Davon wird ein Teelöffel oder Esslöffel voll mit der Zunge zwischen die Zähne gepresst, „gekaut“ und im ganzen Mund verteilt.
Je länger das Öl im Mund bleibt, umso besser. Dieses Prozedere wird vor dem Zähneputzen durchgeführt. Was dabei äußerst wichtig ist, ist das Ausspucken des Öls. Dies darf auf keinen Fall geschluckt werden, da es die ganzen Gifte im Mund bindet. Auch ein Gurgeln und Spülen des Mundes und des Rachens sorgt für ein gesundes Mundklima. Hier ist darauf zu achten, dass das Mundwasser ohne Alkohol, nicht zu scharf und am besten so natürlich wie möglich ist, zum Beispiel mit Inhaltsstoffen wie Myrrhe, Zimt, Salbei und anderen Kräutern.
Zu erwähnen ist noch, dass Rauchen und das regelmäßige Trinken von Alkohol der Mundschleimhaut schadet.
Hausmittel
Hausmittel können bei einfachen Geschmacksstörungen, zum Beispiel in Verbindung mit Infekten im HNO-Trakt, helfen.
Ingwer
Ingwer kann die Geschmacksnerven aktivieren und somit den Geschmack stimulieren. Dafür wird am besten regelmäßig eine Scheibe roher Ingwer gekaut, idealerweise vor den Mahlzeiten. Wem das zu scharf ist, der trinkt zwei bis drei Tassen Ingwertee am Tag. (Eine Scheibe Ingwer wird in Wasser, je nach Belieben für ein paar Minuten oder auch länger, gekocht.)
Cayennepfeffer
Cayennepfeffer hilft bei verstopfter Nase und regt ebenso die Speichelproduktion an. Diese wiederum ist wichtig für den Geschmack. Verfeinern Sie Ihre Speisen mit Cayennepfeffer. Wer diesen gar nicht mag, kann als Alternative schwarzen Pfeffer verwenden.
Apfelessig
Apfelessig schmeckt bitter und etwas säuerlich. Dies stimuliert die Geschmacksnerven, wirkt antibakteriell und unterstützt die Behandlung bei Geschmacksverlust. Am besten wird ein Esslöffel Apfelessig mit etwas gutem Honig in einem Glas lauwarmen Wasser aufgelöst und die Mixtur morgens vor dem Frühstück getrunken. Das Ganze kann gerne am Abend nochmals wiederholt werden.
Rhabarbersaft
Rhabarbersaft, vor dem Essen getrunken, verbessert die Geschmackswahrnehmung.
Verzicht auf Zucker
Der Verzicht auf Zucker, über mehrere Wochen hinweg, kann das Schmecken wieder verbessern.
Tipps aus der Naturheilkunde
Die Naturheilkunde kann bei leichteren Beschwerden helfen und auch die schulmedizinische Therapie unterstützen.
Geschmacksstörungen werden in der Naturheilpraxis häufig mit der Akupunktur behandelt. Aber auch die Fußreflexzonenmassage ist eine passende Therapieform. Aus der Phytotherapie sind die Heilkräuter Kamille, Pfefferminze und Salbei zu nennen. Mundwasser, die Kamille und Pfefferminze enthalten, sind ebenso zu empfehlen wie das regelmäßige Ausspülen mit lauwarmem Salbeitee.
Ebenfalls einen Versuch wert
Bei Geschmacksverlust nach einer Grippe wird aus dem Bereich der Homöopathie oft Natrium chloratum, nach heftigem Schnupfen Pulsatilla empfohlen. Wer lieber Schüßler Salze verwendet, nimmt Nummer 8 Natrium chloratum D 6 und/oder Nummer 10 Natrium sulfuricum D6.
Allgemeine Tipps
Trockenheit im Mund und unzureichende Speichelproduktion können zu Geschmacksverlust führen. Deshalb sollten Sie genügend Wasser trinken und dies am besten in kleinen Schlucken. Reichern Sie Ihren Speiseplan mit ausreichend Obst und Kompott an. Beides enthält viel Flüssigkeit. Wasser mit Zitrone, das Kauen von Kaugummis (wenn der Magen in Ordnung ist) und das Lutschen von Eiswürfeln tragen ebenso zu einer gesteigerten Speichelproduktion bei. Allein schon der Geruch und der Anblick einer aufgeschnittenen Zitrone regt die Speichelproduktion an.
Zusammenfassung
Zusammenfassend ist zu sagen, dass ein Geschmacksverlust unbedingt ernst zu nehmen ist. In Verbindung mit Infekten im oberen Atemtrakt kommen Geschmacksbeeinträchtigungen häufig vor, vergehen aber in der Regel von selbst. Ist dies nicht der Fall, muss auch hier eine ärztliche Untersuchung erfolgen.
Unterstützend zu jeglicher Therapie, aber auch präventiv, wirkt die tägliche, ausreichende Mundhygiene. (sw)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Merck and Co., Inc.,: Übersicht über Geruchs- und Geschmacksstörungen (Abruf: 26.06.2019), msdmanuals.com
- Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V.: S2K-Leitlinie Riech- und Schmeckstörungen, Stand: Oktober 2016, Leitlinien-Detailansicht
- UpToDate, Inc.: Evaluation and treatment of taste and smell disorders (Abruf: 26.06.2019), uptodate.com
- National Institute on Deafness and Other Communication Disorders: Taste Disorders (Abruf: 26.06.2019), nidcd.nih.gov
- Bromley Steven M.: Smell and Taste Disorders: A Primary Care Approach, American Academy of Family Physicians, Januar 2000, aafp.org
- Mattle, Heinrich / Mumenthaler, Marco: Neurologie, Thieme, 13. Auflage, 2012
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.