Schmerzen am Steißbein – Kokzygodynie
Die Kokzygodynie umschreibt das Auftreten von Steißbeinschmerzen aufgrund verschiedener Ursachen, die in einigen Fällen auch unbekannt bleiben. Die Beschwerden können über einen langen Zeitraum bestehen und Betroffene stark einschränken. In den meisten Fällen sind es Frauen, die unter Schmerzen am Steiß leiden. Gängige Behandlungsmethoden sind vor allem symptombezogen. Die Vielzahl an möglichen Auslösern bedingt aber, dass ganz verschiedene Therapieansätzen herangezogen werden, um die Krankheit zu bekämpfen.
Inhaltsverzeichnis
Ein kurzer Überblick
Treten Steißbeinschmerzen auf, können diese sehr unterschiedlich wahrgenommen werden und der Verlauf kann sehr verschieden sein, was die Kokzygodynie nicht selten zu einer langwierigen Krankheitsgeschichte macht. Vor der ausführlichen Beschreibung des Krankheitsbilds findet sich hier zunächst eine kurze Übersicht mit den wichtigsten Fakten.
- Definition: Die Kokzygodynie beschreibt Schmerzen, die direkt am Steißbein auftreten oder in diese Körperregion ausstrahlen (Pseudo-Variante). Sie gehört zu den Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens, wobei die Krankheitsauslöser sehr vielfältig sind.
- Symptome: Die auftretenden Steißbeinschmerzen sind sehr unterschiedlich in der Intensität und Dauer. In der Regel verstärken Druck und Belastung die Beschwerden. In einigen Fällen werden die Schmerzen auch in umliegenden Körperbereichen wahrgenommen.
- Ursachen: Es wird prinzipiell zwischen bekannten Ursachen aufgrund eines Traumas und unbekannten Ursachen unterschieden. In beiden Fällen kommen vielerlei Auslöser in Frage, wobei die traumatischen Schmerzen meist von einer Verrenkung, Prellung oder Fraktur des Steißbeins herrühren.
- Diagnose: Durch Abtasten und gezieltes Bewegen des Steißbeins kann in der Regel das Vorliegen einer echten Kokzygodynie diagnostiziert werden. Zur Ursachenklärung und zum Ausschluss anderer möglicher Erkrankungen werden oft noch Röntgenuntersuchungen oder weitere bildgebende Verfahren hinzugezogen.
- Behandlung: In erster Linie werden konservative symptomatische Therapien angewandt, die beispielsweise mittels Wärme, Entspannung und Bewegung Schmerzen lindern sollen. Daneben gibt es viele weitere Ansätze, wie zum Beispiel die Gabe von Schmerzmitteln. Ein operativer Eingriff und eine Entfernung des Steißbeins wird grundsätzlich als die letzte Option angesehen.
- Naturheilkundliche Behandlung und alternative Therapiemethoden: Zur Schmerzbehandlung können auch muskuloskelettale und manuelle Therapien, wie die Osteopathie und Chiropraktik, herangezogen werden. Andere alternative Möglichkeiten bieten unter anderem die Akupunktur oder die Homöopathie.
Definition
Der Begriff Kokzygodynie (lateinische Schreibweise: Coccygodynia) leitet sich von der betroffenen Körperregion des Steißbeins (Os coccygis) ab und beschreibt mit der Wortendung „-dynie“ das Auftreten von Schmerzen. Demzufolge spricht man auch von Steißbeinschmerzen oder einer Steißbeinneuralgie. Laut der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) gehört die Kokzygodynie zu den Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens.
Das Steißbein schließt sich dem Kreuzbein (Os sacrum) an und bildet den untersten Abschnitt der Wirbelsäule, an dem verschiedene Muskeln und Bänder ansetzen. Bei den meisten Menschen sind die einzelnen Steißwirbel zu einem Knochen verschmolzen (Synostose). Das Steißbein wird als ein Überbleibsel der Schwanzwirbel von Wirbeltieren angesehen, welches sich bei der menschlichen Evolution zurückgebildet hat. Trotzdem spielt das Steißbein aber für den Aufbau der Körperstatik eine wichtige Rolle.
Eine Kokzygodynie tritt eher selten auf. Am häufigsten betroffen sind Frauen mittleren Lebensalters. Viele mögliche Ursachen kommen in Frage, die zu einem Großteil auf Traumata oder andere Erkrankungen zurückgeführt werden können. Aber nicht in jedem Fall kann der Auslöser bestimmt werden, die Ursachen bleiben dann unbekannt oder werden auf andere Erkrankungen und psychosomatische Gründe zurückgeführt. Die Krankheit kann chronischer Natur sein und die Erkrankten langfristig beeinträchtigen.
Bei der Erkrankung kann zwischen der echten Form und der Pseudo-Kokzygodynie unterschieden werden. Während eine echte Steißbeinneuralgie ihren Ursprung im Steißbein oder im sakrokokzygealen Gelenk (Verbindung von Kreuz- und Steißbein) hat, kommt es bei der Pseudo-Variante zu ausstrahlenden Schmerzen, die an anderer Stelle verursacht werden.
Symptome
Die Steißbeinschmerzen können nur von kurzer Dauer sein oder chronisch werden. Sie treten direkt am Steißbein oder in den umliegenden Körperbereichen auf beziehungsweise strahlen dorthin aus. Teilweise werden die Beschwerden als sehr stark empfunden. Dabei sind die Schmerzen häufig ziehend, stechend oder brennend und verstärken sich unter bestimmten Belastungen und Bewegungen. Jeder Druck auf das Steißbein wird als besonders schmerzhaft wahrgenommen. Betroffene berichten von Schwierigkeiten beim Sitzen, Hinsetzen, Aufstehen und Treppensteigen. Auch kann es zu Beschwerden während des Stuhlgangs und Geschlechtsverkehrs kommen.
Strahlen die Schmerzen aus, werden sie manchmal auch als Rückenschmerzen (Kreuzschmerzen, Ischiasschmerzen), als Hüftschmerzen und Leistenschmerzen oder als Gesäßschmerzen wahrgenommen.
Ursachen
Aus medizinischer Sicht wird grundsätzlich zwischen der traumatischen und idiopathischen Kokzygodynie unterschieden.
Traumatische Schmerzen am Steißbein entstehen meist durch Verletzungen. Stürze jeglicher Art, anderweitige Unfälle sowie eine natürliche (vaginale) Geburt, können der Auslöser für eine Verrenkungen (Luxation), Prellung (Kontusion) oder seltener für eine Fraktur des Steißbeins sein. Dabei können auch benachbarte Strukturen wie Bänder und Muskelfasern in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch im Rahmen von Schwangerschaften wird vermehrt über Beschwerden am Steißbein berichtet. Hierbei werden Reizungen oder Überdehnungen von Bändern, die am Steißbein ansetzen, als mögliche Ursache vermutet.
Zudem können angeborene Fehlbildungen oder schlecht verheilte Wirbelbrüche des Steißbeins schmerzhaft sein oder im Laufe der Zeit Schmerzen verursachen. Da es auch durch eine übermäßige Gewichtsbelastung (Übergewicht) zu Schmerzen am Steißbein kommen kann, gilt Adipositas als ein Risikofaktor.
Lässt sich selbst nach ausführlichen Untersuchungen (in selteneren Fällen) keine nachweisbare Ursache finden, wird die Erkrankung als idiopathisch bezeichnet. Möglicherweise können bestimmte Besonderheiten in der Anatomie (Formabweichungen) des Steißbeins (Positionen und Beweglichkeit der Steißbeinwirbel) schmerzauslösend sein. Auch besteht die Vermutung, dass eine Verschmelzung zwischen Kreuz- und Steißbein (sakrokokzygeale Verbindung) für auftretende Beschwerden verantwortlich sein könnte.
Weiterhin wird diskutiert, ob auch andere Krankheiten die Symptomatik einer Kokzygodynie hervorrufen können. So liegen Hinweise vor, dass ein tiefliegender Bandscheibenvorfall, verschiedene Erkrankungen ansetzender Muskeln und Bänder im Becken und Beckenboden, ein Tumor oder eine Zyste (beziehungsweise eine Fistel) die Strukturen am Steißbein überreizen, überlasten oder entzünden und so gleichartige Schmerzen verursachen können. Ebenso kommt eine Verbindung mit rheumatischen Krankheiten in Betracht. Auffallend häufig leiden an Morbus Bechterew-Erkrankte unter einer Steißbeinneuralgie.
Einige Untersuchungen lassen eine Verbindung zu psychischen Erkrankungen, wie etwa Depressionen, vermuten. So kommt es vor, dass Betroffenen mit idiopathischen Steißbeinschmerzen eine psychosomatische Erkrankung diagnostiziert wird.
Diagnose
Die Diagnose beruht nach einer ausführlichen Patientenanamnese fast immer auf einer körperlichen Untersuchung durch Abtasten (Palpation) und gezieltes Bewegen des Steißbeins und insbesondere der Steißbeinspitze. Dabei wird das Steißbein von außen und gegebenenfalls von innen befühlt. Werden durch den verursachten Druck Schmerzen ausgelöst, wird in aller Regel von einer echten Kokzygodynie ausgegangen.
Für die weitere Ursachenklärung und Behandlungsform oder zum Ausschluss anderer Erkrankungen können zusätzliche Untersuchungen veranlasst werden, wie etwa Röntgen oder andere bildgebende Verfahren.
Auf den Röntgenbildern lassen sich Veränderungen am Knochen erkennen, wobei die Diagnostik durch die variable Anatomie des Steißbeins erschwert wird (Anzahl, Form, Position und Verschmelzung der Steißbeinwirbel). Wird eine Verletzung sichtbar, erinnern sich Betroffene häufig nicht an einen Unfall. Typisch ist, dass zwischen dem ursächlichen Trauma und dem Auftreten der Schmerzen eine gewisse Latenzzeit besteht.
Zeigen die Röntgenaufnahmen keine Auffälligkeiten, werden je nach Patientenfall Ultraschalluntersuchungen, eine Computertomographie oder eine Magnetresonanztomographie durchgeführt. Dabei können unter anderem Tumore oder innere Entzündungen nachgewiesen werden. Da doppelt zu viele Frauen wie Männer betroffen sind, kann eine ergänzende gynäkologische Untersuchung sinnvoll sein.
Behandlung
Die Ursachenklärung ist wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Therapie. So weichen die Behandlungskonzepte je nach Ursache relativ weit voneinander ab und wurden bisher noch nicht umfassend auf ihre Wirkung überprüft. Sind die Schmerzen chronisch und bestehen über Monate oder sogar Jahre, ist die Behandlung deutlich schwieriger und meist sehr langwierig. In manchen Fällen gehen die Schmerzen aber auch ganz von alleine wieder zurück.
Häufig kommt eine konservative symptomatische Behandlung zur Anwendung, die vorranging physikalische Therapien umfasst. Dabei werden oft Wärmebehandlungen durch Sitzbäder und Fangopackungen sowie Massagen eingesetzt. Treten nur leichte Schmerzen auf, kann eine Kurzwellentherapie gegen die Beschwerden helfen.
Wenn die Beschwerden vorwiegend im Sitzen auftreten, können bestimmte Sitzkissen und Sitzringe schmerzlindernd wirken. Auch kommen hier Maßnahmen wie dynamisches Sitzen, moderate Bewegung und Gymnastikübungen (Physiotherapie) zur Stärkung der Rumpfmuskulatur in Frage, die ebenso zur Behandlung wie auch zur Prävention von Rückenschmerzen angewandt werden.
Zusätzlich zum dynamischen Sitzen sollte bei einem Arbeitsplatz, der ein dauerhaftes Sitzen erfordert, regelmäßiges Stehen und Bewegung in der Arbeitsroutine eingebaut werden. Sind höhenverstellbare Schreibtische verfügbar, kann dabei leicht die „40-15-5-Regel“ angewandt werden: 40 Minuten arbeiten im dynamischen Sitzen, 15 Minuten arbeiten im Stehen, fünf Minuten bewegen.
Neben diesen Behandlungsoptionen werden häufig auch schmerzstillende Medikamente wie Analgetika und Antirheumatika verschrieben oder es werden örtliche Betäubungsmittel (Lokalanästhetika) gespritzt, die Schmerzen lindern und mit zusätzlichen Wirkstoffen (Kortikosteroiden) auch Entzündungsprozesse hemmen. Bei einer entsprechenden Diagnose im Zusammenhang mit einer Kokzygodynie werden aber auch andere Arzneimittel mit ganz unterschiedlichen Wirkungsspektren verabreicht. So werden bei vermuteten psychosomatischen Ursachen beispielsweise mitunter Antidepressiva eingesetzt.
Der Erfolg der symptomatischen Therapieformen ist prinzipiell höher, wenn kein Trauma vorliegt. Verletzungen des Steißbeins können auch operativ behandelt werden, sind aber nicht immer erfolgreich und mit Risiken verbunden. Daher sollten Operationen nur bei strenger Indikation und erst nach konservativen Therapieversuchen in Betracht gezogen werden. Zu den möglichen chirurgischen Maßnahmen zählen die Kokzygotomie (bilaterale Umschneidung des Steißbeins), die Kokzygektomie (Entfernung des Steißbeins oder bestimmter Teile) und Nervenoperationen.
Insgesamt gibt es nur wenige wissenschaftliche Belege über Erfolge einzelner Therapieansätze.
Naturheilkundliche Behandlung
Aufgrund der Vielzahl an möglichen Ursachen und möglichen Behandlungskonzepten, die teilweise schwierig zu bestimmen sind und einen langwierigen Verlauf begünstigen können, bieten sich auch Naturheilverfahren als Alternative oder als unterstützende Maßnahme für viele Betroffene an.
Dabei hat nicht nur die Wärmetherapie eine festen Platz in der Naturheilkunde, sondern auch weitere muskuloskelettale und manuelle Therapien (Osteopathie und Chiropraktik) kommen in Frage. Das Steißbein wird hierbei durch bestimmte Handgriffe mobilisiert und entlastet.
Spielen psychologische Ursachen eine Rolle, kann die Psychotherapie eine sinnvolle Ergänzung im Therapiekonzept darstellen.
Ebenfalls einen Versuch wert
Die Akupunktur aus dem Bereich der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) kann sich bei der Behebung von Steißbeinschmerzen als sehr wirksam erweisen. In der Homöopathie wird oft Hypericum perforatum (Johanniskraut) bei Nervenverletzungen oder bei Schmerzen angewandt, wie beispielsweise auch nach Stürzen auf das Steißbein. (tf, cs)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- National Health Service UK: Coccydynia (tailbone pain), (Abruf: 26.06.2019), nhs.uk
- UpToDate, Inc.: Coccydynia (coccygodynia), (Abruf: 26.06.2019), uptodate.com
- Mayo Clinic: Tailbone pain: How can I relieve it? (Abruf: 26.06.2019), mayoclinic.org
- Walter de Gruyter GmbH: Kokzygodynie (Abruf: 26.06.2019), pschyrembel.de
- Cleveland Clinic: Coccydynia (Tailbone Pain), (Abruf: 26.06.2019), clevelandclinic.org
- Bischoff, Hans-Peter / Heisel ,Jürgen / Locher, Hermann-Alexander: Praxis der konservativen Orthopädie, Thieme, 2009
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.