Milzverletzung erkennen und behandeln
Unter einer Milzruptur versteht man den Riss der Milz (Milzriss). Diese Verletzung entsteht meist durch einen Unfall mit einem starken Stoß in die Bauchregion (stumpfes Bauchtrauma). Heftige Blutungen mit Bauchschmerzen können die Folge sein. Manchmal tritt dies auch erst mit zeitlicher Verzögerung auf. Abhängig von dem Ausmaß des Traumas und weiteren Faktoren gibt es verschiedene Therapiemethoden, bei denen zunächst immer eine konservative Behandlung und ein Organerhalt angestrebt werden. Ein schwerwiegender Milzriss mit starkem Blutverlust ist allerdings ein akuter Notfall, der umgehende medizinische Versorgung und oftmals einen operativen Eingriff erfordert.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Eine Rissverletzung der Milz wird im medizinischen Fachjargon als Milzruptur bezeichnet, wobei zwischen einer einzeitigen und zweizeitigen Ruptur unterschieden wird. Bei einer einzeitigen Verletzung sind zeitgleich die äußere Milzkapsel und das funktionelle Gewebe der Milz (Milzparenchym) betroffen und es kommt zu einer sofortigen Blutung in die Bauchhöhle. Liegt eine besondere Schwere des Vorfalls mit einer massiven Blutung vor, kann die Verletzung für die Betroffenen schnell eine akute Lebensgefahr darstellen.
Anders ist es bei der selten auftretenden zweizeitigen Ruptur, bei der die Kapsel zunächst intakt bleibt und somit die Blutung in die Bauchhöhle für eine gewisse Zeit zurückhält. Dabei kommt es zur Ausbildung eines Hämatoms in der Milz, welches je nach Schweregrad der Verletzung und Blutung einen inneren Druck bis zu einem Kapselriss entstehen lassen kann.
Laut der „American Association of the Surgery of Trauma (AAST)“ gibt es fünf Schwergerade (Grad I-V) für eine Milzruptur mit Hämatom-Bildung oder Kapselriss. Die schwersten Verletzungsformen stellen eine Zertrümmerung des gesamten Organs dar oder ein Abreißen am Gefäßstiel, der normalerweise die Blutversorgung der Milz sicherstellt. Aber auch andere Klassifikationen der Milzverletzungen finden in der Praxis Anwendung.
Symptome
Durch Blutungen in die Bauchhöhle sind die häufigsten Symptome akute Bauchschmerzen und Schmerzen im linken oder gesamten Oberbauch (Milzschmerzen). Teilweise strahlen die Schmerzen bis in die linke Flanke und Schulter aus (Kehr-Zeichen). Je nach Schwere der Verletzung kann es zudem zu einer starken und mitunter sehr schmerzhaften Bauchdeckenspannung kommen.
Passiert die Einsickerung von Blut nur langsam und handelt es sich um einen zweizeitigen Milzriss, so kann die Verletzung nach einem ersten Schmerzintervall auch für eine gewisse Zeit symptomlos bleiben. Bleibt die Symptomatik gering ausgeprägt, ist ein Erkennen der Verletzung, insbesondere bei Polytraumen nicht selten erschwert.
Ab einer gewissen Menge von Blutverlust und einer daraus folgenden Unterversorgung des Körpers (und Gehirns) mit Blut, können auch allgemeine Symptome wie Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen oder Verwirrtheit hinzukommen. Liegt ein sehr großer Blutverlust vor, können schnell gefährliche Reaktionen wie Atemnot und Schockzustände (Kreislaufschock, hämorrhagischer Schock) auftreten.
Ursachen
Die Milz befindet sich unter dem linken Rippenbogen in einer recht gut geschützten Lage. Damit es zu einem Riss des Organs kommt, bedarf es einer massiven Krafteinwirkung, beispielsweise durch einen Autounfall oder einen Sturz vom Fahrrad, bei dem der Lenker oder ein anderer Gegenstand in die linke Seite gerammt wird. In den meisten Fällen sind solche stumpfen Bauchverletzungen ursächlich für eine Milzruptur.
Insbesondere Kinder, bei denen die körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, sind anfällig für solche Art von Verletzungen. Bei der ärztlichen Untersuchung gilt es unter gewissen Umständen aber auch Hinweise für Verletzungen aufgrund von Misshandlungen abzuklären.
Nur in seltenen Fällen treten ohne äußere Einflüsse spontane Milzrisse auf. Grund für diese Art der Verletzung sind verschiedene Erkrankungen, die zu einer Vergrößerung der Milz und einem übermäßigen Spannungsdruck des Organs führen. Das Pfeiffersche Drüsenfieber (infektiöse Mononukleose oder auch Epstein-Barr-Virus) ist dabei nur ein Beispiel für eine Erkrankung, die unter Komplikationen zu einer spontanen Milzruptur führen kann.
Diagnose
Liegt ein Trauma vor, wird dieser Umstand entsprechend der körperlichen Verfassung in der Anamnese und körperlichen Untersuchung genauestens untersucht. Äußerlich können gegebenenfalls die für stumpfe Verletzungen im linken Oberbauch typischen Blutergüsse, Prellungen oder (Rippen-) Brüche erkennbar sein.
Beim Abklopfen des Abdomens kann es zu einer sogenannten linksseitigen Flankendämpfung kommen, die aufgrund des in die Bauchhöhle ausgetretenen und dort geronnenen Bluts verursacht wird (Ballance-Zeichen). Auch können bei den Betroffenen typische Druckschmerzen ausgelöst werden.
Besteht der Verdacht auf eine Milzruptur oder müssen innere Verletzungen ausgeschlossen werden, sind bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder eine Computertomografie (CT) mit Kontrastmittel angeraten. Im akuten Notfall reicht eine schnelle abdominale Ultraschall-Methode (FAST-Sonografie) aus, um freie Flüssigkeit im Bauchraum auszumachen und somit die weitere Therapie umgehend einzuleiten. Unter Umständen sind auch engmaschige Ultraschall-Kontrolluntersuchungen angeraten. Präzisere Informationen können CT-Bilder liefern, die aber nur erstellt werden können, wenn sich die Betroffenen in einem stabilen Zustand befinden.
Handelt es sich um einen nur sehr leichten Milzriss, kann gegebenenfalls auch zusätzlich zur bildgebenden Diagnostik eine Blutuntersuchung stattfinden, um über bestimmte Blutwerte mögliche innere Blutungen und deren Ausmaß aufzudecken. Charakteristisch sind dabei abfallende Werte für Hämatokrit und Hämoglobin, während sich zeitgleich eine Leukozytose zeigt.
Behandlung
Bis in die achtziger Jahre war die operative Milzentfernung das Standardvorgehen bei einer Milzruptur. Über die Jahre wurden allerdings fortschrittliche Behandlungsmethoden entwickelt, die heute oftmals einen operativen Eingriff verhindern beziehungsweise einen Organerhalt ermöglichen. In erster Linie bestimmt der Schweregrad die Therapieform, aber insbesondere bei Kindern und Jugendlichen werden nicht-operative Maßnahmen und ein Erhalt der Milz angestrebt. Betroffene, die instabil sind und auch nach einer Blutsubstitution nicht stabilisiert werden können, müssen aber in jedem Fall operiert werden.
Konservative Therapie
Bei der konservativen Therapie stellen bis zum Schweregrad III (AAST) eine Intensivüberwachung mit Bettruhe und möglicherweise Bluttransfusionen die wichtigsten medizinischen Maßnahmen. Ist dies nicht erfolgreich, kann einer Operation manchmal auch eine selektive Angioembolisation vorgezogen werden. Dies betrifft in aller Regel aber nur Erwachsene. Dabei werden milzversorgende Blutgefäße künstlich verschlossen, um eine Stillung der inneren Blutung zu erreichen, aber die Milz und ihre Funktion zu erhalten.
Operation
Ist eine Operation nicht abzuwenden, ist die vollständige Entfernung der Milz (Splenektomie) die letzte Option. Dieses Vorgehen wird nur bei den schwerwiegendsten Fällen vorranging durchgeführt. Zuvor wird in aller Regel versucht, das Organ oder zumindest Teile davon zu erhalten. Chirurgische Verfahren, die dabei zum Einsatz kommen, sind direkte Rekonstruktionen der Milz etwa durch nähen, kleben oder einpacken der Milz in ein resorbierbares Netz (Splenorrhaphie). Ist dies nicht möglich, kann eine Teilresektion Erfolg versprechen, wenn noch genug intaktes Milzgewebe erhalten werden kann. Dabei kommen unter Umständen auch Verfahren zum Einsatz, die nur sehr wenig Restgewebe im Körper belassen und die Möglichkeit von nachwachsendem Gewebe und einem Erhalt noch ausreichender Organfunktion ausschöpfen.
Wie bei jeder Operation sind auch in diesem Fall Komplikationen möglich. Und auch wenn die Milz kein lebensnotwendiges Organ ist, übernimmt sie wichtige Funktionen bei der Immunabwehr. Nach der vollständigen Entfernung oder bei einer Funktionsunfähigkeit (Asplenie) besteht bei den Betroffenen eine erhöhte Infektionsgefahr.
Ein großes Risiko geht dabei von der sogenannten Postsplenektomiesepsis (Overwhelming Postsplenectomy Syndrome, kurz: OPSI) aus, die insbesondere bei Kindern auftritt. Vermehrt zeigt sich eine Infektion innerhalb der ersten drei Jahre nach dem Eingriff. Zu den wichtigsten Erregern der gefährlichen Sepsis zählen Pneumokokken und Haemophilus influenzae. Daher ist innerhalb der ersten zwei bis vier Wochen nach der Operation eine Impfung gegen Haemophilus-influenzae-B (HIB), Meningokokken sowie Pneumokokken unbedingt erforderlich. Die Aufrechterhaltung des Impfschutzes ist bei Personen ohne funktionsfähige Milz besonders wichtig. Bei Kindern wird zudem oftmals eine langfristige Antibiotikaprophylaxe empfohlen.
Da die Milz außerdem im gesunden Zustand am Abbau der Blutplättchen (Thrombozyten) beteiligt ist, kann die Zahl der Thrombozyten nach der Milzresektion zunächst ansteigen und die Thrombosegefahr erhöhen. Die Gabe von blutverdünnenden Substanzen wie Acetylsalicylsäure oder Heparin kann diesem Risiko entgegenwirken.
Die Naturheilkunde bietet im Hinblick auf die vielfältigen Funktionen und möglichen Erkrankungen der Milz verschiedene sinnvolle und effektive Ergänzungen zu herkömmlichen Therapien. Ein Milzriss erfordet aber in jedem Fall eine schnelle schulmedizinische und spezielle chirurgische Behandlung. (tf, cs)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 267., neu bearbeitete Auflage, De Gruyter, 2017
- Herold, Gerd und Mitarbeiter: Innere Medizin. Selbstverlag Gerd Herold, 2019
- Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (Hrsg.): S1-Leitlinie Traumatische Milzruptur im Kindesalter, Stand Februar 2015, AWMF-Registernr. 006/112, awmf.org
- Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (Hrsg.): Die S3-Leitlinie Polytrauma / Schwerverletztenbehandlung, Stand Juli 2016, AWMF Registernr. 012/019, traumanetzwerk-dgu.de
- Weitzel, Carolin et al.: Therapeutisches Vorgehen bei der stumpfen Milzverletzung, in: chirurgische praxis, Ausgabe 84/2 (2018), mgo-fachverlage.de - Medizinportal
- Müller, Thomas S. und Sommer, Christoph: Die traumatische Milzruptur, in: Therapeutische Umschau, Ausgabe 70/3 (2013), Hogrefe - Therapeutische Umschau
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.