Persönlichkeitsstörungen bilden eine psychische Erkrankung, bei der das Verhalten, die Charaktereigenschaften und andere Merkmale der Persönlichkeitsstruktur drastisch von der Norm abweichen. Die Betroffenen sind in bestimmten Denkmustern und Verhaltensweisen gefangen, die sie von sich aus kaum durchbrechen können. Die Störungen können sich in vielfältiger Weise manifestieren.
Inhaltsverzeichnis
Persönlichkeitsstörungen: Die wichtigsten Fakten
Das Verhalten von Personen, die unter einer Persönlichkeitsstörung leiden, wird von anderen häufig als sonderbar, exzentrisch, paranoid, dramatisch, narzisstisch, launisch, zwanghaft oder als unsicher empfunden. Hier das Wichtigste in Kürze:
- Definition: Unter einer Persönlichkeitsstörung versteht man eine Reihe verschiedener psychischer Erkrankungen, bei der die Betroffenen unter Störungen des Erlebens und Verhaltens leiden.
- Krankheitsbilder: Zu den Krankheitsbildern zählen die paranoide, schizoide, histrionische, narzisstische, emotional unstabile, dissoziale, selbstunsichere, dependente, und zwanghafte Persönlichkeitsstörung.
- Symptome: Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale sind so stark ausgeprägt, dass Betroffene ständig unter den Auswirkungen ihres Verhaltens zu leiden haben beziehungsweise stark in der Lebensqualität und dem Erreichen ihrer Ziele eingeschränkt werden.
- Ursachen: Die genauen Ursachen gelten bislang als nicht ausreichend verstanden. Die Fachwelt ist sich weitgehend einig darüber, dass als Ursache eine Kombination aus genetischer Veranlagung und psychischen Belastungen durch Umweltfaktoren wie beispielsweise frühe Kindheitsereignisse eine Rolle spielen.
- Diagnose: Die Diagnose wird in den meisten Fällen von einem Psychiater oder Psychotherapeuten anhand vorgegebener Kriterien der ICD-10 und der DSM-Klassifikation gestellt.
- Therapie: Vermehrt zur Anwendung kommen psychotherapeutische Verfahren wie die kognitive Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Analytische Psychotherapie. Gegen schwere Symptomatiken werden gelegentlich auch Psychopharmaka eingesetzt.
- Abgrenzung: Wichtig ist die Unterscheidung zwischen auffälligen Persönlichkeitsmerkmalen und einer klinischen Persönlichkeitsstörung.
Definition
Das psychiatrische Krankheitsbild der Persönlichkeitsstörungen (PS) umfasst eine breite Palette von psychischen Erkrankungen, die mit schweren Störungen des Erlebens und Verhaltens einhergehen.
Zu unterscheiden sind die krankhaften Störungen der Persönlichkeitsstruktur von auffälligen Merkmalen des persönlichen Lebensstils, die zwar vielen als nicht normal erscheinen mögen, jedoch keine Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens der Betroffenen und keine übermäßige Belastung ihres sozialen Umfelds mit sich bringen.
Diese Persönlichkeitsmerkmale sind nicht als psychische Erkrankung zu verstehen. Die Abgrenzung kann hier allerdings durchaus schwierig fallen, da der Übergang zwischen einem absonderlichen Lebensstil und einer gestörten Persönlichkeit oft fließend ist.
Ab wann spricht man von einer Persönlichkeitsstörung?
Als Ausgangspunkt gelten häufig extrem ausgeprägte Persönlichkeitszüge, die beispielsweise ein sehr unflexibles, starres oder unzweckmäßiges Verhalten nach sich ziehen.
Man spricht von einer Persönlichkeitsstörung, wenn diese Züge ein Ausmaß annehmen, bei dem Betroffene aufgrund des extremen Verhaltens über einen langen Zeitraum hinweg ständig
- subjektiv leiden,
- in häufige Konfliktsituationen geraten,
- die eigene Lebensqualität senken,
- sich selbst beim Erreichen ihrer Ziele im Weg stehen,
- Unzufriedenheit empfinden.
Eine Persönlichkeitsstörung entsteht unabhängig
Diese Art der Störung wird nicht als Folge von Drogen oder Medikamenten ausgelöst, auch andere Erkrankungen, Verletzungen und Unfälle lösen keine Persönlichkeitsstörung aus. Bei dieser psychischen Erkrankung können die grundlegenden Persönlichkeitszüge bis in die Jugend oder ins junge Erwachsenenalter zurückverfolgt werden. Diese Züge prägen sich dann so weit aus, bis eine Störung vorliegt.
Klassifikation
In der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“ (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird für die anschließend dargestellten Beschwerdebilder die Bezeichnung „spezifische Persönlichkeitsstörung“ verwendet.
Ergänzend zu der ICD-10 wird für die Einordnung oftmals das „Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen“ (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders; DSM) der American Psychiatric Association herangezogen.
Häufigkeit
Die einzelnen Formen der PS treten unterschiedlich häufig auf, wobei viele Formen wie beispielsweise die Schizoide PS oder die ängstlich (vermeidende) PS weniger als ein Prozent der Bevölkerung betreffen. Andere Formen wie zum Beispiel die Borderline PS oder auch die zwanghafte PS sind hingegen deutlich häufiger.
„Neuere Studien haben gezeigt, dass circa zehn Prozent aller Menschen die Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllen“, berichtet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité Universitätsmedizin Berlin.
Demnach ist davon auszugehen, dass insgesamt rund acht Millionen Menschen in Deutschland an einer Störung der Persönlichkeit leiden.
Symptomatik
Eine gestörte Persönlichkeit äußert sich abhängig von dem jeweiligen Typ durch verschiedene psychische Beeinträchtigungen und auffällige Verhaltensmuster.
Allgemein lässt sich festhalten, dass es sich dabei meist um bestimmte Persönlichkeitsmerkmale handelt, die in einer extremen Ausprägung auftreten und so zu einer Belastung für die soziale Stabilität der Betroffenen, deren persönliches Wohlbefinden und ihr Umfeld werden.
Bestimmte Merkmale können zu bestimmten Störungen führen
Die Berliner Charité hat hierzu eine Zusammenstellung bereitgestellt, in der die verschiedenen Merkmale des Persönlichkeitsstils und deren übersteigerte Variante als Form einer Persönlichkeitsstörung dargestellt werden.
Demnach ist einem gewissenhaften, sorgfältigen Lebensstil die Übersteigerung in Form von Zwangshandlungen beziehungsweise zwanghaftem Verhalten zugeordnet. Ein ehrgeizig, selbstbewusstes Verhalten nimmt bei einer Persönlichkeitsstörung narzisstische Züge an.
Expressiv, emotionale Menschen werden histrionisch (theatralisch, egoistisch). Wachsame, misstrauische Menschen werden paranoid und sprunghaft, spontane Menschen zeigen eine Borderline-Persönlichkeit.
Einem anhänglich, loyalen Verhalten wird die übersteigerte Form einer dependenten Persönlichkeit zugeordnet. Zurückhaltend, einsame Personen werden bei einer Persönlichkeitsstörung schizoid, Abenteurer und risikofreudige Menschen dissozial.
Liste der Persönlichkeitsstörungen
Entsprechend diesem relativ einfachen Schema lassen sich unterschiedliche Formen bestimmen, die jeweils mit speziellen Symptomen einhergehen und anschließend im Einzelnen ausführlicher beschrieben werden.
Die Einordnung erfolgt dabei nach der „Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“. Diese nennt als verschiedene Formen der Persönlichkeitsstörungen (PS) eine
- paranoide PS,
- schizoide PS,
- dissoziale PS,
- emotional instabile PS (Borderline),
- histrionische PS,
- anankastische (zwanghafte) PS,
- ängstliche (vermeidende) PS,
- abhängige (asthenische) PS,
- sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen.
- Eine weitere, in der ICD-10 gesondert betrachtete Variante, bilden die schizotypischen beziehungsweise schizotypen Persönlichkeitsstörungen.
Paranoide Persönlichkeitsstörung
Paranoide Störungen äußern sich in einem durch Misstrauen geprägten Verhalten, dass nicht selten in Verschwörungstheorien gipfelt und mit einer auffälligen Streitsucht einhergeht.
Auch normale Handlungen der Mitmenschen werden vielfach als feindlich oder verachtend empfunden. In der Beziehung führt eine paranoide Persönlichkeitsstörung oftmals zu massiver, unbegründeter Eifersucht.
Enges soziales Umfeld wird einbezogen
Das Misstrauen macht auch vor Familienangehörigen und langjährigen Freunden keinen Halt. Ihre Handlungen und Treue werden von paranoiden Personen regelmäßig in Frage gestellt.
Auf Dauer sind mit der paranoiden Persönlichkeitsstörung daher erhebliche soziale und persönliche Beeinträchtigungen verbunden.
Persönlichkeitsmerkmale, die mit einer paranoiden PS verbunden sind
Gemäß der ICD-10 sind bei einer paranoiden Persönlichkeitsstörung mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen feststellbar:
- Misstrauen,
- eine feindselige oder verachtende Interpretation neutraler oder freundlicher Handlungen,
- überhöhte Empfindlichkeit gegenüber Zurückweisungen,
- häufige, ungerechtfertigte Eifersucht,
- Neigung zu Verschwörungstheorien,
- Streitsucht und das Bestehen auf die eigenen Rechte,
- eine allgemein überhöhte Selbstbezogenheit (oft in Verbindung mit Überheblichkeit),
- Unfähigkeit subjektiv erlebte Verletzungen zu vergeben.
Paranoide PS ist keine paranoide Schizophrenie
Abzugrenzen ist die paranoide Störung von der paranoiden Schizophrenie und Wahnvorstellung in Form der Paranoia, die beide nach der ICD-10 eigenständige psychische Erkrankungen bilden.
Menschen mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung zeigen oft weitere psychische Störungen, wobei hier insbesondere die schizotypische Persönlichkeitsstörung, Narzissmus, die Borderline-Störung und die passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung zu nennen sind.
Schizoide Persönlichkeitsstörung
Schizoide Störungen der Persönlichkeit sind geprägt durch eine Vernachlässigung der sozialen Kontakte, mangelndes emotionales Mitgefühl und Probleme beim Äußern der eigenen Emotionen.
Die Betroffenen neigen dazu, sich zurückzuziehen und sind oftmals Einzelgänger. Ein ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Mitmenschen kann auch hier Teil des Beschwerdebildes sein.
Persönlichkeitsmerkmale, die mit einer schizoiden PS verbunden sind
Gemäß der ICD-10 ist von einer schizoiden Störung auszugehen, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sind. Betroffene
- zeigen eine emotionale Distanziertheit,
- sind unfähig Freude zu empfinden beziehungsweise haben nur an sehr wenigen Tätigkeiten Freude,
- können ihre Gefühle nur begrenzt zum Ausdruck bringen,
- sind gegenüber Lob oder Kritik unempfänglich,
- bevorzugen Einzelbeschäftigungen,
- sind introvertiert,
- neigen zu Phantastereien,
- pflegen keine engen Freundschaften oder vertrauensvolle Beziehungen,
- zeigen kaum Interesse an sexuellen Erfahrungen,
- sind wenig vertraut mit sozialen Normen und Konventionen, was zu entsprechend auffälligem Fehlverhalten führen kann.
Trotz der Begriffsähnlichkeit sind die schizotypischen Störungen und die Schizophrenie, welche gemäß der ICD-10 jeweils eigenständige psychische Erkrankungen bilden, klar von den schizoiden Persönlichkeitsstörungen abzugrenzen.
Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Wesentliches Merkmal der Dissozialität ist ein egozentrisches, rücksichtsloses Verhalten gegenüber Mitmenschen, das von einer gewissen Gefühlskälte und mangelnder Reue begleitet wird.
Gesellschaftliche Normen und Verpflichtungen werden regelmäßig missachtet und die Betroffenen können das Verhalten auch bei drohenden Sanktionen nicht abstellen. Sie sind vermehrt aggressiv und mitunter auch gewalttätig gegen Mitmenschen.
Oftmals wird die Schuld für das eigene Fehlverhalten bei der Gesellschaft gesehen oder zumindest so argumentiert. Verantwortungsbewusstsein und Schuldgefühle sind bei den Betroffenen nicht vorhanden.
Persönlichkeitsmerkmale, die mit einer dissozialen PS verbunden sind
Von der ICD-10 vorgegebene Kriterien zur Bestimmung der dissozialen Persönlichkeitsstörung sind:
- Die Missachtung sozialer Normen,
- eine fehlende Empathie,
- Bindungsstörungen,
- eine niedrige Frustrationstoleranz,
- impulsives Verhalten,
- die Unfähigkeit zu sozialem Lernen,
- vorgeschobene Rechtfertigungen des eigenen Verhaltens,
- eine dauerhaft erhöhte Reizbarkeit.
Antisoziale Persönlichkeit
In der Klassifikation der DSM wird diese Form der Persönlichkeitsstörung als antisoziale Persönlichkeit bezeichnet.
Die antisoziale Persönlichkeitsstörung kann sich in überlegten Handlungen äußern, die zum Beispiel eine gezielte Bereicherung auf Kosten der Mitmenschen umfassen oder auch durch impulsives Handeln bestimmt werden, über das die Betroffenen keine Kontrolle haben.
Borderline Störung
Störungen des emotional instabilen Typs sind geprägt durch äußerst spontanes, impulsives Verhalten, Stimmungsschwankungen, Wutausbrüche sowie mitunter gewalttätige Aggression und Autoaggression.
Das Verhalten der Betroffenen ist für ihre Mitmenschen oftmals nicht nachvollziehbar, zumal die Konsequenzen in Augenblicken der impulsiven Steuerung vollständig ausgeblendet werden.
Entsprechend konfliktreich und instabil sind die zwischenmenschlichen Beziehungen bei Menschen mit einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung.
Obwohl sie beim Umgang mit anderen Menschen oftmals erhebliche Schwierigkeiten haben, zeigen viele Betroffene eine ausgeprägte Angst vorm Alleinsein. Begleitend leiden die Patienten oftmals unter Depressionen und sie neigen vermehrt zu einem exzessiven Suchtverhalten.
In der ICD-10 werden emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen in einen impulsiven Typ und einen Borderline-Typ unterschieden. Die DSM-Klassifikation kennt eine solche Unterscheidung jedoch nicht und verwendet hier den Begriff „Borderline-Persönlichkeitsstörung“ als alleinige Bezeichnung.
Persönlichkeitsmerkmale, die mit einer Borderline PS verbunden sind
Bei einem Borderline-Syndrom sind laut Angaben der DSM mindestens fünf der folgenden Verhaltensmerkmale zu beobachten:
- Angst vorm Verlassenwerden,
- instabile aber intensive zwischenmenschliche Beziehungen,
- gestörtes Selbstbild,
- Impulsivität,
- suizidale Handlungen,
- ein anhaltendes Gefühl der Leere,
- unkontrollierte Wut,
- paranoide Vorstellungen,
- dissoziatives Verhalten bei Belastung,
- affektive Instabilität (Reizbarkeit, Verstimmungen).
Histrionische Persönlichkeitsstörung
Prägend für das histrionische Störungsbild ist ein extrem egozentrisches Verhalten und der Hang zur Theatralik.
Die Betroffenen neigen zur Dramatisierung, haben stets den Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen, und zeigen eine geringe Frustrationstoleranz. Die ICD-10 nennt als Merkmale für eine Histrionische Persönlichkeitsstörung:
- Theatralisches Auftreten,
- dramatische Selbstdarstellung,
- leichte Beeinflussbarkeit,
- stetiges Streben nach aufregenden Erlebnissen,
- Bedürfnis, ständig im Mittelpunkt zu stehen,
- besonderen Wert auf ein attraktives Äußeres legen,
- sich vermehrt unangemessen verführerisch oder provokant zu verhalten,
- manipulatives Verhalten.
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Auffälligstes Merkmal der zwanghaften Störung ist ein ausgeprägter Perfektionismus, der es den Betroffenen oftmals nahezu unmöglich macht, Aufgaben und Vorhaben abzuschließen, da das angestrebte Ziel nicht erreichbar ist.
Zudem verlieren sie sich häufig in Details, einer pedantischen Befolgung von Regeln und den Zweifeln an der eigenen Leistung, wodurch das eigentliche Vorhaben in den Hintergrund tritt und die Aufgabenerfüllung zusätzlich erschwert wird.
Begleitend zu der zwanghaften Störungsbildern leiden viele Patienten an weiteren psychischen Problemen wie beispielsweise Depressionen oder einer Zwangsstörung.
Persönlichkeitsmerkmale, die mit einer histrionischen PS verbunden sind
In der ICD-10 werden folgende Persönlichkeitsmerkmale als wesentlich für die Anankastischen Persönlichkeitsstörung genannt:
- Übermäßige Zweifel,
- ständige Beschäftigung mit Details und Regeln,
- Perfektionismus,
- Pedanterie,
- das Delegieren von Aufgaben fällt den Patienten äußerst schwer,
- Neigung zu intensiven Kontrollen,
- Leben der Betroffenen ist äußerst leistungsbezogen,
- zwischenmenschliche Beziehungen und persönliches Vergnügen werden tendenziell vernachlässigt,
- Kritik an den eigenen Leistungen können die Patienten nur schwer verkraften
- reagieren schnell verletzt auf Kritik.
Ängstlich (vermeidende) Persönlichkeitsstörung
Ein ausgeprägtes Gefühl der Minderwertigkeit bildet bei der ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstörung die Basis für eine anhaltende innere Anspannung, Besorgtheit, Unsicherheit und Selbstzweifel.
Die Betroffenen sind in ihren Handlungen gehemmt, sind schüchtern, fühlen sich unattraktiv und fürchten Zurückweisung genauso wie Kritik. Dies führt nicht selten zu einem Vermeidungsverhalten, dass die zwischenmenschlichen Kontakte erheblich belasten kann.
Unter Umständen resultiert so aus der Angst vor Kritik und Zurückweisung eine zunehmende soziale Isolation, die von den Betroffenen selbst ausgeht. Ihre Mitmenschen haben in der Regel keine Probleme im Umgang mit den Patienten, da diese meist bescheiden, zurückhaltend oder auch leicht unterwürfig auftreten.
Ihr fehlendes Selbstvertrauen zeigt sich zudem häufig in einer besonderen Aufopferungsbereitschaft, die von den Mitmenschen ebenfalls positiv wahrgenommen wird.
Persönlichkeitsmerkmale, die mit einer ängstlichen PS verbunden sind
Wenn vier der folgenden Verhaltensmerkmale vorliegen, ist gemäß der ICD-10 von einer ängstlich (vermeidenden) Persönlichkeitsstörung die Rede. Die Betroffenen
- leiden unter einem anhaltenden intensiven Gefühl der Anspannung und Besorgtheit,
- fühlen sich minderwertig und unattraktiv,
- haben übertriebene Sorge vor Kritik und Ablehnung,
- meiden Aktivitäten mit intensiven zwischenmenschlichen Kontakten,
- zeigen ein ausgeprägtes Bedürfnis nach körperlicher Sicherheit, das Einschränkungen des Lebensstils bedingen kann,
- pflegen persönliche Kontakte nur, wenn sie sich sicher sind, dass die Akzeptanz durch ihre Mitmenschen gewährleistet ist.
Abhängige Persönlichkeitsstörung / asthenische PS
Auch bei der abhängigen Persönlichkeitsstörung ist ein geringes Selbstbewusstsein ein wesentliches Persönlichkeitsmerkmal der Betroffenen. Hieraus resultiert ein extrem niedriges Durchsetzungsvermögen bis hin zu unterwürfigem Verhalten.
Aufgrund übertriebener Trennungs- und Verlustängste klammern Menschen mit einer asthenischen PS sich oftmals eng an Personen, die ihnen wichtig sind. Alleine fühlen sie sich hilflos und inkompetent.
Persönlichkeitsmerkmale, die mit einer abhängigen PS verbunden sind
Der ICD-10 zufolge sind bei einer abhängigen Persönlichkeitsstörung mindestens vier der folgenden Verhaltensmerkmale gegeben: Die Betroffenen
- überlassen vorzugsweise Anderen die wichtigsten Entscheidungen für das eigene Leben,
- ordnen ihre Bedürfnisse grundsätzlich denen der für sie wichtigen Personen unter,
- können ihre Ansprüche nur unzureichend äußern,
- haben übertriebene Angst, verlassen zu werden,
- fühlen sich alleine nicht überlebensfähig,
- können kaum Entscheidungen treffen, ohne vorher zahlreiche Ratschläge einzuholen.
Sonstige Störungen
Neben den bereits genannten Störungsbildern können verschiedene weitere Formen auftreten, wobei an dieser Stelle insbesondere die passiv-aggressive PS, die narzisstische PS und kombinierten PS erwähnenswert sind.
Passiv-aggressive Störung
Die passiv-aggressive Störung ist vor allem geprägt durch einen passiven Widerstand gegenüber äußeren Leistungsanforderungen. Die Leistung wird vielfach schlichtweg verweigert, ohne dies zu begründen oder zu thematisieren.
Eine exakte Klassifikation dieser speziellen psychischen Krankheiten nach ICD-10 liegt bislang (noch) nicht vor.
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Gleiches gilt für die narzisstische Persönlichkeitsstörung, welche durch eine extrem überzogene Bewertung der eigenen Fähigkeiten und Person gekennzeichnet ist. Sie geht in der Regel auch erheblich zu Lasten der Mitmenschen, die tendenziell weniger wichtig bewertet werden, als die eigene Person.
Den Betroffenen fehlt es an Empathie und sie zeigen häufig ein arrogantes Verhalten gegenüber Anderen. Kritik können Menschen mit narzisstischer PS nur sehr schlecht verkraften, da diese ihr eigenes unrealistisches Selbstbild stört.
Kombinierte Störungsbilder
Die kombinierten Störungsbilder sind als Beschwerdebilder zu verstehen, bei denen einzelne Verhaltensmerkmale zwar derart ausgeprägt auftreten, dass von einer psychischen Störung ausgegangen werden kann, allerdings keine Zuordnung zu einer exakten PS nach ICD-10 oder DSM möglich ist.
Nicht selten treten kombinierte psychische Störungen in Kontext mit anderen psychischen Erkrankungen wie Phobien oder Affektstörungen in Erscheinung. Die Diagnose kombinierter Persönlichkeitsstörungen ist aufgrund der wenig eindeutigen Verhaltensmerkmale besonders schwierig.
Schizotypische Persönlichkeitsstörung
Eine weitere Form bildet die schizotypische PS, welche allerdings nicht den spezifischen Störungen nach der ICD-10 zugeordnet wird. Insbesondere im zwischenmenschlichen Umgang haben die Betroffenen erhebliche Probleme.
Sie sind anderen gegenüber extrem misstrauisch, haben Schwierigkeiten enge Bindungen einzugehen und aufrechtzuerhalten, zeigen äußerst exzentrische Wesenszüge (in Erscheinungsbild und Sprache), ungewöhnliche Denkweisen (zum Beispiel Glaube an Magie) und sind in ihrem Affekt eingeschränkt, was sie oftmals kalt und unnahbar wirken lässt.
Ursachen
Ein allgemein gültiges Erklärungsmodell für die Entstehung von Persönlichkeitsstörungen liegt bislang nicht vor. Allerdings besteht in der Fachwelt weitgehende Einigkeit darüber, dass als Ursache bei den meisten Patienten eine Kombination aus genetischer Veranlagung und psychischen Belastungen durch Umweltfaktoren die Entwicklung der PS verursacht.
Insbesondere Ereignissen in der frühen Kindheit, wie einer starken emotionalen Vernachlässigung, elterlicher Gewalt oder sexuellem Missbrauch, wird hier eine besondere Bedeutung zugeschrieben.
Schwierige soziale Verhältnisse gelten als Risikofaktor
Chaotisch-instabile soziale Verhältnisse gelten als generelle Risikofaktoren für die Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung. Leiden die Eltern an einer psychischen Störung, ist die Wahrscheinlichkeit der Kinder, eine PS zu entwickeln, ebenfalls erhöht.
Die biologischen und sozialen Faktoren können bei der individuellen Entstehungsgeschichten der PS in äußerst unterschiedlicher Ausprägung auftreten, wodurch eine direkte Zuordnung bestimmter Persönlichkeitsstörungen zu einzelnen Kombinationen von Umweltfaktoren und genetischen Veranlagungen nicht möglich ist.
Diagnose
Die Diagnose erfolgt anhand der vorgegebenen Kriterien der ICD-10 und der DSM-Klassifikation. Allerdings bedarf es zur Feststellung der Kriterien oftmals mehrerer Sitzungen bei einem Psychiater oder Psychotherapeuten, da sich zum Beispiel kombinierte Persönlichkeitsstörungen oftmals nur schwer diagnostizieren lassen.
Vorsicht vor Selbsttests
Im Internet kursieren zahlreiche verschiedene Tests, mit denen eine Störung der Persönlichkeit beziehungsweise die Neigung zu einer PS ermittelt werden soll. In den Tests werden die Teilnehmer unter anderem zu ihrer Reaktion auf bestimmte Alltagsprobleme wie beispielsweise das morgendliche Verschlafen oder Ärger mit dem Chef befragt.
Anhand der Antworten wird auf eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur geschlossen. Allerdings ist die Aussagekraft dieser Tests oftmals eher zweifelhaft und ohne fachärztliche Unterstützung lassen sich hieraus ohnehin keine Behandlungsoptionen ableiten.
Behandlung
Grundsätzlich bieten sich zur Behandlung in erster Linie psychotherapeutische Verfahren an, wobei allerdings eine gezielte Heilung oftmals kaum möglich ist, sondern lediglich eine Reduzierung der Verhaltensauffälligkeiten erreicht werden kann.
Vermehrt zur Anwendung kommt die kognitive Verhaltenstherapie, aber auch die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Analytische Psychotherapie können gegen die Persönlichkeitsstörungen eingesetzt werden.
Einige Persönlichkeitsmerkmale erschweren die Therapie
Erschwert wird die Therapie oftmals durch die speziellen Verhaltensmerkmale der verschiedenen Persönlichkeitsstörungen. So habe zum Beispiel Patienten mit einer schizoiden PS Schwierigkeiten, die erforderliche Bindung beziehungsweise das Vertrauen zu den Therapeuten aufzubauen.
Patienten mit Histrionischer Persönlichkeitsstörung versuchen oftmals die Therapeuten beziehungsweise den Therapieverlauf zu manipulieren und Borderline-Patienten neigen zu Therapieabbrüchen.
Einsatz von Medikamenten
Zur Vermeidung besonders schwerwiegender Symptome der verschiedenen PS ist gegebenenfalls auch eine Anwendung von Psychopharmaka möglich, wobei hier aufgrund der drohenden Nebenwirkungen ein zurückhaltender Einsatz angeraten wird.
Bei begleitenden psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen oder Angststörungen kommen oftmals entsprechende Arzneien für deren Behandlung zur Anwendung.
Wissenschaftlich Belege für eine mögliche Heilung der PS mit Hilfe von Psychopharmaka liegen bislang allerdings nicht vor. Sie dienen hier daher lediglich einer Linderung besonders gravierender Symptome.
Einbindung der Familie und engen Vertrauten
Da die Interaktion mit dem engen sozialen Umfeld durch die PS oftmals erheblich belastet wird, kann unter Umständen eine Einbeziehung der Familie beziehungsweise einzelner Familienmitglieder in die psychotherapeutische Behandlung angebracht sein.
Gegebenenfalls bietet sich auch eine zusätzliche Familientherapie an. Des Weiteren stehen für einige Formen der PS spezialisierte psychotherapeutische Behandlungsansätze zur Verfügung (zum Beispiel Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) bei Emotional instabiler PS), die an dem individuellen Beschwerdebild der Betroffenen ausgerichtet werden.
Naturheilkunde
Die klassische Naturheilkunde kann bei der Behandlung der beschriebenen psychischen Störungen zwar nur begrenzt einen Beitrag leisten, doch wird insbesondere der Homöopathie vielfach eine durchaus überzeugende Wirkung gegen die besonders ausgeprägten Symptome der PS zugeschrieben.
Folgende Mittel haben sich bewährt:
- Ignatia: Bei extremen Gefühlsschwankungen
- Lycopodium: Bei ausgeprägter Unsicherheit gegenüber Mitmenschen
- Aurum metallicum: Bei Wut und Gewaltausbrüchen
- Argentum nitricum: Bei impulsivem Verhalten
Die Auswahl des geeigneten Mittel ist in Abhängigkeit von dem individuellen Beschwerdebild der Betroffenen zu treffen und sollte erfahrenen Therapeuten vorbehalten bleiben. Die homöopathischen Mittel dienen in erster Linie der Symptomlinderung und können keine Heilung der Persönlichkeitsstörung erreichen.
Hypnose
Als weitere Methode aus dem Bereich der Naturheilkunde kommt insbesondere bei Patienten mit histrionischer PS gelegentlich Hypnose zur Anwendung. Ihr Einsatz bei der Behandlung ist jedoch bis heute eher umstritten, obwohl aus der Praxis vermehrt von Erfolgen berichtet wird.
Zeigen die herkömmlichen psychotherapeutischen Methoden nicht den gewünschten Erfolg, kann daher in Absprache mit dem Therapeuten eine Hypnotherapie durchaus in Betracht gezogen werden.
(fp, vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Berufsverbände und Fachgesellschaften für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland und der Schweiz: Was sind Persönlichkeitsstörungen? (Abruf: 17.07.2019), neurologen-und-psychiater-im-netz.org
- Merck & Co., Inc.: Persönlichkeitsstörungen im Überblick (Abruf: 17.07.2019), msdmanuals.com
- Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs: Persönlichkeitsstörungen im Überblick (Abruf: 17.07.2019), gesundheit.gv.at
- Amboss GmbH: Persönlichkeitsstörungen (Abruf: 17.07.2019), amboss.com
- Sachse, Rainer: Persönlichkeitsstörungen: Leitfaden für die Psychologische Psychotherapie, Hogrefe Verlag; 3. Auflage, 2018
- Mayo Clinic: Personality disorders (Abruf: 17.07.2019), mayoclinic.org
- American Psychiatric Association: Help With Personality Disorders (Abruf: 17.07.2019), psychiatry.org
- Royal College of Psychiatrists: Personality disorder (Abruf: 17.07.2019), rcpsych.ac.uk
- National Health Service UK: Personality disorder (Abruf: 17.07.2019), nhs.uk
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.