Wirbelsäulenverkrümmung
Weicht die Wirbelsäule von ihrer normalen Form ab und zeigt sich eine Seitverbiegung sowie eine Rotation der Wirbelkörper, spricht man ab einem gewissen Ausmaß der Verkrümmung von einer Skoliose. Diese Deformität tritt vorwiegend im Wachstumsalter auf und kann sich manchmal auch ohne Behandlung wieder zurückbilden. In Fällen mit größerem Ausmaß und bei einem fortschreitenden Verlauf sind Physiotherapie, Korsettbehandlungen und seltener auch Operationen notwendig, um schwerwiegende Folgen, Schmerzen und Bewegungseinschränkungen zu verhindern oder zu limitieren.
Inhaltsverzeichnis
Ein kurzer Überblick
Eine Skoliose ist ein allgemein bekannter Begriff für eine schiefe Haltung und verbogene Wirbelsäule. Was genau verbirgt sich aber hinter diesem Krankheitsbild und welche Behandlung wird Betroffenen angeraten? Lesen Sie dazu die wichtigsten Fakten in der folgenden kurzen Übersicht und informieren Sie sich ausführlich im nachstehenden Artikel.
- Definition: Die Skoliose beschreibt eine seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule um mindestens zehn Grad (nach der Cobb) in Kombination mit einer Rotation der Wirbelkörper, woraus eine dreidimensionale Wirbelsäulendeformität entsteht. Vorwiegend kommt es zu diesen Erscheinungen während der Wachstumsphasen.
- Symptome: Die typischen äußeren Erkennungszeichen für diese Art der Schiefhaltung können vor allem bei Jugendlichen zu psychischen Belastungen führen. Liegt ein stärkeres Ausmaß vor, kann es auch zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen oder sogar zu Funktionseinschränkungen bestimmter Organe kommen.
- Ursachen: Die Ursachen sind noch weitestgehend ungeklärt und allen Annahmen zur Folge ist die Erkrankung multifaktoriell bedingt. Die meisten Skoliosen werden als idiopathisch klassifiziert, das heißt ohne klare Ursache. Einige Grunderkrankungen können aber Wirbelsäulenverkrümmungen hervorrufen und auch eine erbliche Komponente wird angenommen.
- Diagnose: Eine frühzeitige Diagnose ist der wichtigste Aspekt für eine gute Prognose. Insbesondere über Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen sollten entsprechende körperliche Inspektionen, spezielle Anamnesen und im Verdachtsfall auch bildgebende Verfahren eingesetzt werden, um eine Skoliose oder auch andere mögliche Erkrankungen genau bestimmen zu können.
- Behandlung: Nicht selten bedarf es vor allem im Jugendalter keiner besonderen Behandlung, denn die Verkrümmung kann sich während des Wachstums spontan zurückbilden. Das Ausmaß und das Alter aber auch das Beschwerdebild (vor allem bei Erwachsenen) sind entscheidende Kriterien für die Therapiewahl. Neben Physiotherapie und dem Tragen eines Korsetts kann seltener auch eine Operation ratsam sein.
- Naturheilkundliche Behandlung: Zur Symptomlinderung bei auftretenden Schmerzen und Muskelverspannungen können Methoden aus der Naturheilkunde eingesetzt werden. Betroffene berichten von guten Erfolgen mit Wärme- oder Elektrobehandlungen oder aber nach einer Akupunktur.
Definition
Die Wirbelsäule weist natürlicherweise eine doppelte „S“ Form auf, wobei sich die Hals- und Lendenwirbelsäule leicht nach vorn wölben (Lordose) und die Brust- und Sakralwirbelsäule (Kreuzbein) hingegen leicht nach hinten (Kyphose). Unterschiedliche Dauerhafte Abweichungen von diesem gesunden Aufbau werden unter Wirbelsäulendeformitäten zusammengefasst. Zeigt sich neben der Normalform (mit einer leichten Krümmung nach vorne und hinten) auch eine seitliche Verbiegung (um mindestens zehn Grad nach der Cobb-Winkel Methode) zusammen mit Verdrehungen der Wirbelkörper spricht man von einer dreidimensionalen Wirbelsäulenverkrümmung oder in Fachkreisen auch von einer Skoliose. Der medizinische Begriff leitet sich aus dem Griechischen „skolios“ für „krumm“ oder „verkrümmt“ ab.
Zumeist besteht eine Hauptkrümmung (Primärkrümmung), woraufhin sich noch weitere kompensatorische Krümmungen ausbilden (Sekundärkrümmung), um eine aufrechte Körperhaltung weiterhin zu ermöglichen. Prinzipiell wird bei verschiedenen Formen einer Skoliose unterschieden in welchem Wirbelsäulensegment sich die Verkrümmung manifestiert hat und ob eine rechtsseitige oder linksseitige Verbiegung vorliegt. Eine seitliche Verkrümmung ohne Rotationsabweichung zählt nicht zu einer Skoliose.
Neben der Einteilung entsprechend der Lokalisation und des Krümmungsmusters (Klassifikation nach Lenke oder King) werden Skoliosen meistens ursachenspezifisch und entsprechend des Lebensalters klassifiziert.
Man nimmt an, dass etwa drei bis fünf Prozent der Bevölkerung unter einer Skoliose leiden, wobei die leichten Formen deutlich häufiger auftreten. Insgesamt gesehen sind mehr Mädchen/Frauen als Jungen/Männer betroffen, wobei sich dieses Verhältnis eher in späteren Stadien beziehungsweise im höheren Lebensalter bemerkbar macht. Mit zunehmendem Alter steigt zudem auch die Zahl der Skoliose-Diagnosen insgesamt.
Symptome
Verschiedene Ausprägungen können deutlich sichtbare Anzeichen und auch beschwerdevolle Verläufe bedingen oder aber bei den Betroffenen kaum erkennbare oder spürbare Probleme verursachen. Das entsprechende Krankheitsbild ist daher individuell sehr unterschiedlich.
Typische sichtbare Anzeichen
Betrachtet man den Rumpf einer betroffenen Person von hinten, fallen bei einer stärkeren Skoliose folgende klassische Asymmetrien auf:
- Schultergürtel und Beckenkamm stehen schief,
- Taillendreieck (Dreieck zwischen Seitenkontur und gerade herabhängendem Arm) rechts- und linksseitig deutlich unterschiedlich,
- Kopf steht nicht mittig über dem Becken (schräge Kopfhaltung),
- Schulterblätter stehen schief, ein Schulterblatt steht hervor.
Auch bei dem sogenannten Adams-Test, bei dem die Betroffenen eine Rumpf-Vorbeuge machen und die Arme dabei locker herunterhängen lassen, kann eine schiefe Haltung verstärkt sichtbar werden. In der Regel zeigen sich dabei ein schräger Buckel (Rippenbuckel) und ein einseitiges Hervortreten von Lendenmuskeln (Lendenwulst) als typische Erkennungsmerkmale für eine vorliegende ausgeprägte Wirbelkörperrotation.
Mögliche Beschwerden und Einschränkungen
Zu Beginn einer Skoliose und bei leichten Ausprägungen sind Betroffene oft symptomfrei (wobei die Säuglingsskoliose ein eigenes, oft vorübergehendes, Symptombild aufweist) und es sind eher optische Faktoren, die gerade bei Jugendlichen zu psychosozialen Problemen führen können.
Die Lokalisation und der Schweregrad der Verbiegung bestimmen zu einem großen Anteil das Beschwerdebild. Besteht eine Verkrümmung bereits über einen langen Zeitraum, treten Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule durch die besondere und einseitige Belastung deutlich eher auf und es kommt zu Folgeproblemen, wie Muskelverspannungen und Schmerzen. Dies ist vermehrt ab einem Alter von dreißig Jahren der Fall.
Auch die Lungenkapazität kann sich vermindern und es können Atemnot, ein Druckgefühl auf der Brust oder Herzrasen auftreten.
Häufige Leiden, die bei einer Skoliose in unterschiedlichem Ausmaß auftreten und auch zu Bewegungseinschränkungen führen können sind unter anderem:
- Rückenschmerzen,
- Kreuzschmerzen,
- Flankenschmerzen,
- Beckenschmerzen,
- Kreuzbeinschmerzen,
- Nackenverspannungen,
- Muskelverspannungen im Rücken (vor allem BWS, LWS),
- Durchbrechgefühl,
- Steifer Rücken.
Ist die Krümmung und Rotation der Wirbelsäule stark ausgeprägt, können auch umliegende Strukturen im Brust- und Bauchraum eingeengt werden und es kann zu Funktionseinschränkungen von bestimmten Organen kommen, wie etwa Herz, Lunge, Magen und Darm oder Nieren.
Die Lungenfunktion scheint direkt abhängig zu sein vom Krümmungsgrad und Funktionseinbußen treten schon relativ früh auf, indem das Lungenvolumen abnimmt. Eine spürbare Atemnot zeigt sich wie auch Herz-Kreislauf-Beschwerden und andere Beeinträchtigungen meist aber erst in fortgeschrittenen Stadien.
Ursachen
Die Ursachen sind bis heute nicht eindeutig geklärt und es wird angenommen, dass mehrere Faktoren eine Rolle für die Krankheitsentstehung spielen. Am häufigsten, mit etwa achzig bis neunzig Prozent, tritt daher auch die idiopathische Skoliose auf. Eine Klassifikation die eine Wirbelsäulenverkrümmung ohne bekannte Ursache definiert. Je nach Lebensalter in dem die Erkrankung auftritt wird hierbei noch zwischen den infantilen, juvenilen, adoleszenten oder adulten (ab achtzehn Jahren) idiopathischen Skoliosen unterschieden.
Die Skoliose zählt zu den Wirbelsäulendeformitäten die primär im Wachstumsalter entstehen, und sich ohne Behandlung, vor allem während der Wachstumsphasen und in der Pubertät, verschlimmern können. Bei Erwachsenen ist es oft schwierig herauszufinden, ob die Verkrümmung tatsächlich neu entstanden ist („De-novo“-Skoliose) oder ein Fortschreiten von einer bereits im Kindes- und Jungendalter begonnen Verkrümmung besteht.
Seltener tritt die Wirbelsäulenverkrümmung aufgrund anderer (feststellbarer) Ursachen auf. Dies können beispielsweise angeborene Fehlbildungen, degenerative Prozesse (bei Erwachsenen), Traumata oder andere Grunderkrankungen sein, etwa der Muskeln und Nerven oder aber des Bindegewebes und Stoffwechsels. Auch wird eine gewisse erbliche Komponente als auslösender Faktor angenommen.
Diagnose
Einer frühzeitigen Diagnose und entsprechenden Früherkennungsuntersuchungen im Kindes- und Jugendalter kommt eine große Bedeutung zu. Denn je eher eine Skoliose auftritt, desto schwerwiegender sind die Verläufe, denen vor allem mit einer rechtzeitig angesetzten Behandlung bestmöglich entgegengewirkt werden kann.
Durch fachärztliche, orthopädische Untersuchungen können erste Auffälligkeiten und mögliche Beschwerden mittels einer Anamnese und körperlichen Betrachtung entsprechend überprüft und eingeordnet werden. Dazu zählen neben der Begutachtung typischer Erkennungszeichen auch weitere Analysen der Wirbelsäule im Stand und im Sitzen. So können auch anderweitige (zusätzliche) Deformitäten erkannt werden (zum Beispiel eine Kyphose oder Spondylolisthesis) oder Beinlängendifferenzen auffallen, die auch für die jeweilige Behandlungsform entscheidend sind.
Sind Kinder oder Jugendliche betroffen werden bei einer speziellen Anamnese Zeitpunkte von Wachstumsschüben und der ersten Regelblutung (Menarche) erfragt und es wird möglichst auch die Dauer der Wachstumsphasen ermittelt.
Bei der ärztlichen Untersuchung sollte außerdem auf sogenannte Café-au-Lait-Flecken geachtet werden, da diese Hinweise auf das Vorliegen einer Neurofibromatose liefern können, eine mögliche Ursache für die Entstehung einer Skoliose.
Bei einem Verdacht auf Skoliose werden in den allermeisten Fällen eine Röntgenuntersuchung oder andere bildgebende Verfahren herangezogen. Die Bilder geben möglicherweise zusätzliche Hinweise auf die zugrunde liegenden Ursachen und ermöglichen eine genaue Bestimmung des Schweregrads über die Krümmungswinkel (Cobb-Winkel) und über die Skelettreife (Risser-Zeichen). All diese Faktoren beeinflussen die Prognose und anschließenden Therapieoptionen. So geht man davon aus, dass bei einer idiopathischen Adoleszentenskoliose das Risiko für ein Fortschreiten der Erkrankung mit dem Ausmaß der Krümmung zunimmt, aber mit zunehmender skelettalen Reife abnimmt.
Bei weiteren Besonderheiten oder bei einem schweren Ausmaß, etwa mit bereits vorhandenen Organfunktionsstörungen, sind weitere Untersuchungen erforderlich.
Behandlung
Die genaue Diagnose (zur Ausprägung und Ursache), das Alter und das individuelle Beschwerdebild der Betroffenen entscheiden über die Notwendigkeit und die Form der jeweils besten Therapieform. Es gibt keine einheitliche Behandlungsstrategie und es ist auch möglich, dass aufgrund der genannten Faktoren keine Behandlung angesetzt wird. So wird davon ausgegangen, dass sich die allermeisten Skoliosen während des Wachstums spontan korrigieren. In diesem Zusammenhang spielen allerdings engmaschige Verlaufskontrollen eine wichtige Rolle. Kommt es (auch unerwartet) zu einem Fortschreiten der Erkrankung, ist eine Behandlung unabdingbar.
Ziel einer jeden Therapie im Wachstumsalter sollte es sein, die Krümmung zu vermindern oder zumindest langfristig und stabil zu verhindern, dass eine vorhandene Skoliose fortschreitet. Im Erwachsenenalter hingegen behandelt man die adulten Skoliosen eher entsprechend der Symptomatik.
In den meisten Fällen und bei eher leichten Ausprägungen kommen zunächst konservative Therapiemethoden in Betracht. Dies sind regelmäßige Krankengymnastik mit speziellen Anwendungen und Übungen und bei schwereren Schiefhaltungen das Tragen eines Korsetts (Orthese).
Bei der Korsettbehandlung soll eine Wachstumslenkung entgegen der vorliegenden Deformität in Richtung des Normalzustandes erreicht werden. Diese Maßnahme kommt häufiger bei Kindern und Jugendlichen zur Anwendung, da bei Erwachsenen kein Wirbelsäulenwachstum mehr stattfindet. In einigen Fällen kann ein Korsett aber auch noch bei älteren Betroffenen zur Stabilisierung der Wirbelsäule beitragen.
In besonders gravierenden Ausprägungen kommen unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile auch verschiedene operative Eingriffe zum Einsatz, die gegebenenfalls mehrfach durchgeführt werden müssen. Postoperativ sind zur Rehabilitation die Physiotherapie und möglicherweise auch ein Korsett ebenso wichtiger Therapiebestandteil.
Sollten als Ursache für eine vorliegende Skoliose bestimmte Grunderkrankungen festgestellt worden sein, spielen auch diesbezügliche Behandlungskonzepte eine Rolle.
Therapieformen nach Bestimmung des Cobb-Winkels
Schon bei der Diagnose spielt der Cobb-Winkel (Grad der seitlichen Wirbelsäulenverbiegung) eine ausschlaggebende Rolle, denn erst ab zehn Grad spricht man bei Kindern namentlich von einer Skoliose. In der Fragestellung zur Behandlung kann zusammenfassend festgehalten werden, dass grundsätzlich erst ab zwanzig Grad eine Behandlung stattfinden muss, um einem voraussichtlichen Fortschreiten während des Wachstums entgegenzuwirken.
Während die Krankengymnastik auch bei geringeren Krümmungswinkeln angeraten ist, wird eine Orthese in der Regel erst ab fünfundzwanzig Grad empfohlen. Beträgt der Cobb-Winkel, insbesondere zum Zeitpunkt des Wachstumsabschluss, vierzig Grad oder sogar darüber, kann eine Operation notwendig werden.
Naturheilkundliche Behandlung
Für eine symptomatische Behandlung, vorwiegend gegen die auftretenden Schmerzen am Rücken, stehen aus dem Bereich der Naturheilkunde einige Mittel und Methoden zur Verfügung, die die Einnahme von Schmerzmitteln ergänzen oder sogar ersetzen können. Dazu zählen Wärme- und Elektrotherapien (zum Beispiel die Transkutane elektrische Nervenstimulation) oder aber auch die Akupunktur. (tf, cs)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Seifert, Jens Thielemann, Falk, Bernstein, Peter: Adoleszente idiopathische Skoliose, Leitfaden für die praktische Anwendung. in: Der Orthopäde, Ausgabe 6/2016
- Bernstein, Peter und Seifert, Jens: Die Skoliose im Wachstumsalter, in: Orthopädie und Unfallchirurgie up2date Ausgabe10/04 (2015), S. 259-276, thieme.de
- Trobisch, Per et al.: Die idiopathische Skoliose. in: Deutsches Ärzteblatt Int. Ausgabe 107/49 (2010), S. 875-884, aerzteblatt.de
- Stücker, Rlaf: Die idiopathische Skoliose, in Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 5/1 (2010), S. 39-56
- Internetauftritt Deutsches Skoliose Netzwerk (DSN): http://www.deutsches-skoliose-netzwerk.de (Abruf: 18.06.2019)
- Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC): Leitlinie Spezielles Rehabilitationskonzept Wirbelsäulendeformitäten, Stand 03/2012 (in Überarbeitung), publiziert bei AWMF online, awmf.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.