Tietze-Syndrom: Entzündete Rippenknorpel verursachen Brustschmerzen
Bei plötzlichen oder auch chronischen Brustschmerzen kann es sich in seltenen Fällen um das sogenannte Tietze-Syndrom (auch Morbus Tietze) handeln. Aufgrund von Entzündungen und Schwellungen des Rippenknorpels am Ansatz des Brustbeins kann es zu starken Schmerzen kommen, die auch häufig als Rippenschmerzen beschrieben werden. Fälschlicherweise werden die Symptome häufig Herzerkrankungen zugeordnet, wie zum Beispiel einem Herzinfarkt. Das Tietze-Syndrom ist eine harmlose Erkrankung, die zumeist nach einiger Zeit spontan ausheilt. Eine sorgfältige Differentialdiagnostik ermöglicht die Abgrenzung zu anderen schwerwiegenderen Krankheiten.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Als Tietze-Syndrom (Morbus Tietze) bezeichnet man eine seltene, meist chronisch verlaufende Entzündung des Rippenknorpels am Ansatz des Brustbeins (Sternum). Die Erkrankung verursacht Schwellungen an den Übergängen (Gelenken) zwischen dem Knorpel und den Rippenknochen beziehungsweise dem Brustbein. Dieser, von Brustschmerzen begleitete, entzündliche Prozess kann an einer oder mehreren Rippen (Costae) auftreten und wird auch Costochondritis oder Chondropathia tuberosa genannt (griechisch für Knorpel: chondros). Meistens sind die oberen Rippenknorpel betroffen, insbesondere an der zweiten und dritten echten Rippe (Costae verae).
Die genaue Ursache ist bis heute nicht bekannt. Erstmals wurde die Symptomatik 1921 vom Chirurgen Alexander Tietze beschrieben, der zugleich Namensgeber der Erkrankung ist. Am häufigsten kommt das Leiden bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen vor, in einem Lebensalter zwischen 20 und 40 Jahren.
Mit dieser Krankheit nicht zu verwechseln ist das sogenannte Tietz-Syndrom, bei dem es sich um eine seltene angeborene Erkrankung mit Albinismus und Taubheit handelt.
Symptome
Betroffene klagen hauptsächlich über Brustschmerzen, insbesondere starke Druckschmerzen am Brustbein. Meist kommt es bei einem von außen vorsichtig ausgeübten Druck auf die betroffenen Rippenansätze zu einer Schmerzattacke. Plötzliche Bewegungen des Brustkorbs (Thorax), wie ein tiefes Ein- oder Ausatmen, Husten oder Niesen führen zu kurzzeitigen Schmerzanfällen. Manchmal werden die Schmerzen von den Betroffenen auch als Rippenschmerzen, Brennen in der Brust oder Herzstechen umschrieben.
Die Schmerzen treten meist einseitig auf und können auch in weitere Bereiche wie Arme, Schulter, Nacken und Rücken ausstrahlen. Bestehen Beschwerden nur auf der linken Seite, liegt oft der Verdacht auf einen Herzinfarkt nahe, obwohl es sich hierbei nicht um kardiogene Schmerzen handelt.
Zumeist sind Schwellungen der (oberen) Rippenknorpel äußerlich sichtbar und es können dazu rote Stellen auf der Brust in Erscheinung treten.
Im Zusammenhang mit der Erkrankung können zudem auch noch folgende unspezifische Symptome auftreten:
- Herzrasen,
- beschleunigter Puls,
- Atemnot,
- Beklemmungsgefühl,
- Druckgefühl (unter anderem mit Schluckbeschwerden),
- Hitzegefühl.
Die Beschwerden können durch Bewegung ausgelöst werden und dabei ganz plötzlich und in starker Intensität auftreten. Aber auch eine eher chronische Natur der Erkrankung ist möglich. Dabei kommt es zu einer langsamen Entwicklung der Symptomatik und zu kontinuierlich bestehenden Schmerzen.
Das beschriebene Beschwerdebild lässt die Betroffenen häufig ganz andere Krankheiten vermuten, in erster Linie Herzkrankheiten. Daher kommt oft zur Aufnahme in der Notaufnahme, wobei das Herz gesund ist.
Ursachen
Die beschriebene Krankheit zählt zu den “idiopathischen Erkrankungen”, bei denen die Ursachen in aller Regel unbekannt sind. Dennoch legen Fallbeispiele die Vermutungen nahe, dass eine Entzündung am Rippenknorpel durch einige Faktoren begünstigt werden kann. Dazu zählen folgende mögliche Auslöser:
- psychisches Trauma,
- ungewöhnliche körperliche Belastungen,
- Mikrofrakturen,
- Operationen am Brustkorb.
Diagnose
Die Entzündungen am Rippenknorpel können weder im Röntgenbild noch im Blutbild nachgewiesen werden. Einzig Methoden der speziellen bildgebenden Diagnostik wie die Magnetresonanztomographie (MRT) können einen angeschwollenen Rippenknorpel sichtbar machen. Sind die Schwellungen auch außen erkennbar und entstehen starke Schmerzen bei einer Druckausübung in diesem Bereich, sind dies ebenfalls wichtige Hinweise bei der Diagnosestellung.
Da das Syndrom nur sehr selten auftritt, kommt es nach einer detaillierten Patientenbefragung (Anamnese) und der beschriebenen Symptomatik häufig zu einer gründlichen ärztlichen Untersuchung mit aufwendigen Methoden, um andere schwerwiegendere Erkrankungen auszuschließen. Insbesondere Herzerkrankungen wie eine Angina pectoris und Lungenerkrankungen sollten ausgeschlossen werden. Ebenfalls sollte abgeklärt werden, ob es sich nicht um eine rheumatische Erkrankung (Weichteilrheuma) oder ein Fibromyalgie-Syndrom (chronischer Muskel-Faser-Schmerz) handelt.
Behandlung
In der Regel verläuft die Erkrankung harmlos und heilt nach einigen Wochen oder Monaten spontan aus. Manchmal kann aber eine sichtbare Schwellung der Rippenknorpel – ohne Schmerzen – bestehen bleiben.
Einen konkreten Behandlungsansatz gibt es nicht. Die Therapiemaßnahmen konzentrieren sich auf die Symptome beziehungsweise auf die Schmerzenlinderung. Dazu werden häufig Medikamente gegen Schmerzen (Analgetika) und Entzündungen (Antiphlogistika) in Form von Tabletten oder Salben verabreicht. Auch sogenannte Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR-Präparate) helfen kurzzeitig bei starken Schmerzen und sind sowohl schmerzstillend als auch entzündungshemmend. Bei äußerst starken Schmerzen können auch Lokalanästhetika in die betroffenen Bereiche injiziert werden.
Osteopatische Behandlung
Während der anhaltenden Symptomatik können verschiedene Behandlungsmöglichkeiten die Beschwerden und vor allem die Schmerzen reduzieren.
Möglich ist beispielsweise der Einsatz von manuellen Verfahren. Insbesondere Maßnahmen aus der Physiotherapie und Osteopathie können helfen, Blockierungen und damit einhergehende Fehlbelastungen an den Übergängen zwischen den Rippenknochen und dem Brustbein aufzulösen. Auch werden diese Maßnahmen dazu eingesetzt mögliche Verspannungen zu lösen und eine Beweglichkeit des Brustkorbs und der Gelenke zu erhalten.
Zur Unterstützung des weiteren Heilungsprozesses finden auch die Homöopathie, die Akupunktur, und die Wärmetherapie individuelle Anwendungen.
Zudem wurde das alternative Verfahren der Proliferationstherapie bereits zur Schmerzlinderung bei Betroffenen eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine Neuraltherapie, bei der eine hochprozentige Zucker-Lokalanästhetikum-Lösung unter die Haut injiziert wird. Zur Wirksamkeit dieser Therapieform gibt es vorrangig aus den USA eine Reihe von Untersuchungen. Im „Journal of Back and Musculoskeletal Rehabilitation“ beschreibt eine Studie die positiven Effekte im Rahmen einer Langzeittherapie des Tietze-Syndroms. (tf, cs)
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Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- National Organization for Rare Disorders (NORD): Tietze Syndrome (Abruf: 08.07.2019), rarediseases.org
- National Health Service UK: Costochondritis (Abruf: 08.07.2019), nhs.uk
- Hutson, Michael / Ward, Adam: Oxford Textbook of Musculoskeletal Medicine, Oxford University Press, 2. Auflage, 2017
- Gijsbers, Eefje / Knaap, Simone F.C.: Clinical presentation and chiropractic treatment of Tietze syndrome: A 34-year-old female with left-sided chest pain, Journal of Chiropractic Medicine, Volume 10, Issue 1, 2011, sciencedirect.com
- Rokicki, Wojciech / Rokicki, Marek / Rydel, Mateusz: What do we know about Tietze’s syndrome? Polish Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery, 2018, termedia.pl
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.