Zyste am Zahn
Oftmals wird eine Zahnzyste (medizinisch: Odontogene Zyste) eher zufällig im Rahmen einer zahnärztlichen Untersuchung festgestellt, da sie bist dato keine Beschwerden verursacht hat. Allerdings kann die Zyste zur Verdrängung gesunden Gewebes führen und langfristig zum Beispiel erhebliche Zahnfehlstellungen mit sich bringen. Im Spätstadium entwickelt sich oft eine massive Schwellung, die unter Umständen auch auf die Nervenbahnen drückt und so Schmerzen hervorruft. Siedeln sich Bakterien innerhalb der Zyste an, entsteht eine Entzündung, die ebenfalls mit massiven Schmerzen verbunden ist. Auch wenn die Zahnzyste keine Beschwerden verursacht, ist eine zeitnahe therapeutische Versorgung geboten, um langfristige Folgen zu vermeiden.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Zahnzysten sind mit Flüssigkeit gefüllte, abgekapselte Gewebehohlräume (umgeben vom sogenannten Zystenbalg) im Bereich des Kiefers, die in ihrer Entstehung auf die Zähne beziehungsweise eine fehlerhafte Zahnbildung zurückgehen. Der medizinische Fachbegriff lautet „odontogene Zysten“, wobei diese je nach ihrer Entstehung und Lage wiederum in verschiedene Formen wie zum Beispiel die radikulären Zysten, follikuläre Zysten, parodontale Zysten oder Dentitionzysten untergliedert werden. Die Zahnzysten sind im weiteren Sinne den Kieferzysten zuzuordnen.
Symptome
Allgemein verlaufen die meisten Zahnzysten zunächst längere Zeit ohne Symptome und erst wenn sie eine derartige Größe erreichen, dass Schwellungen oder Zahnfehlstellungen sichtbar werden, bemerken die Betroffenen ihre Erkrankung. Typische Symptome in einem solchen Stadium sind Schwellungen der Wange beziehungsweise Gesichtsasymmetrien, mitunter begleitet von einseitigen Schmerzen und Verschiebungen oder Lockerungen der Zähne. Nicht selten dringen Bakterien in die Zyste ein und beginnen sich hier zu vermehren, was mit typischen Entzündungserscheinungen wie heftigen Schmerzen, Rötungen und Schwellungen einhergehen kann. Die Entwicklung eines Abszesses droht als weitere Komplikation. Bei extrem großen Zysten kann der Druck auf umliegende Knochen derart groß werden, dass unter Umständen Frakturen (Knochenbrüche) auftreten. Je nachdem, um welche Form der Zahnzyste es sich handelt und wo diese lokalisiert ist, sind weitere Beschwerden denkbar, wie zum Beispiel Kompressionen bestimmter Nerven, welche zu Taubheitsgefühlen oder gar zur Blindheit führen können (wenn der Sinus maxillaris in Mitleidenschaft gezogen wird).
Verschiedene Formen der Zahnzysten
Wie bereits erwähnt, können Zahnzysten in verschiedenen Formen auftreten, die sich in ihren Ursachen deutlich unterscheiden. Auch sind die Beschwerden bei den gleichen Formen der Zahnzyste keineswegs immer identisch, da sich die Zysten an unterschiedlichen Stellen des Kiefers manifestieren können.
Zahnwurzelzysten
Zahnwurzelzysten entstehen infolge einer Entzündung der Wurzelspitze an einem toten Zahn. Ist die sogenannte Zahnpulpa abgestorben, können Bakterien im Wurzelkanal aufsteigen und eine Zahnwurzelspitzenentzündung bedingen, in deren Folge sich um die Wurzelspitze herum ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum als Zahnzyste bildet. Der medizinische Fachbegriff lautet „radikuläre Zyste.“ Diese verlaufen in der Regel schmerzlos, solange sich keine bakterielle Infektion entwickelt und/oder die Zyste verstärkt auf das umliegende Gewebe drückt.
Follikuläre Zyste
Bei einer follikuläre Zyste bildet sich das Epithel, welches den Hohlraum umschließt, aus den Zellen des sogenannten Zahnsäckchens. Im Kronenbereich eines am Durchbruch gehinderten (retinierten) Zahns weitet sich das Zahnsäckchen und es sammelt sich eine gelbliche Flüssigkeit im Inneren. Follikuläre Zysten sind vermehrt an den unteren Weisheitszähnen, aber auch an verlagerten überzähligen Zähnen, zu beobachten. Der Verlauf ist in den meisten Fällen lange beschwerdefrei, bevor die Betroffenen eine Schwellung und/oder Schmerzen bemerken. Zahnfehlstellungen können auch hier als langfristige Folge auftreten.
Dentitionszysten / Eruptionszyste
Im unmittelbaren Zusammenhang mit der Zahnbildung stehen die sogenannten Dentitionszysten (auch Eruptionszysten genannt), welche sich oberhalb nicht durchgebrochener Zähne bilden. Zwischen dem Zahnfleisch und der Zahnspitze bildet sich ein mit Flüssigkeit gefüllter Hohlraum, der beim weiteren Wachstum des Zahns in der Regel durchbrochen wird und damit normalerweise von alleine wieder verschwindet. Bis dahin kann die Zyste als Schwellung spürbar werden, die im Falle einer bakteriellen Infektion oder Entzündung unter Umständen auch mit Schmerzen einhergeht.
Parodontale Zysten
Aus entzündeten Zahntaschen können ebenfalls Zahnzysten entstehen. Diese sogenannten parodontalen Zysten bilden sich seitlich des Zahnhalses. Auch sie verursachen normalerweise erst im späteren Stadium Beschwerden.
Weitere Formen der Zahnzysten
Als weitere Formen der Zahnzysten sind sogenannte primordiale Zysten, welche durch eine fehlerhafte Entwicklung der Zahnbildungsorgane bedingt werden, bekannt. Aus dem Epithel der sogenannten Zahnknospe entsteht ein Hohlraum der sich mit Flüssigkeit füllt. Primordiale Zysten sind relativ selten. Gleiches gilt für die gingivalen Zysten, welche aus Resten der Zahnleiste als Zysten im Bereich der Gingiva (Zahnfleisch) entstehen. Sogenannte glanduläre odontogene Zysten sind ebenfalls äußerst selten und enthalten Drüsengewebe im Hohlraum-bildenden Epithel. Erstmals wurde die glanduläre odontogene Zyste vor rund 25 Jahren als eigenständige Form der Zahnzysten beschrieben. Sie erreichen oftmals eine beachtliche Größe und neigen nach erfolgter operativer Beseitigung zu einem erneuten Auftreten. Sogenannte Residualzysten bilden sich meist aus radikulären Zysten, die eigenständig weiter im Kiefer wachsen, nachdem der Zahn, an dem sie ursprünglich anhafteten, gezogen wurde.
Diagnose
Zeigen sich keine auffälligen Symptome wie Gesichtsasymmetrien, Zahnfehlstellungen, Schmerzen oder andere Beschwerden, ist die Diagnose der Zahnzysten oftmals ein Zufallsbefund bei zahnärztlichen radiologischen Routineuntersuchungen. Sie sind auf den Röntgenbildern als scharf begrenzte Aufhellungen erkennbar. Allerdings gilt dies nicht für alle Formen der odontogenen Zysten. So lassen sich beispielsweise gingivale Zysten bei einer Röntgenuntersuchung meist nicht erkennen. Hier spielen die klinischen Merkmale bei der Diagnose daher eine besondere Rolle. Gingivale Zysten werden zum Beispiel als kleine lokale Schwellungen an der Außenseite des Zahnfleischs im Bereich der unteren Eckzähne und Prämolaren (Vormahlzähne) sichtbar. Mitunter erscheinen sie leicht bläulich. Auch eine glanduläre odontogene Zyste ist auf den Röntgenbildern oft nicht zu erkennen, allerdings werden mögliche Dislokationen von Zähnen und Wurzelresorptionen, welche auf die Zyste zurückgehen, bei der radiologischen Untersuchung deutlich sichtbar.
Therapie
In den meisten Fällen bedarf eine Zyste der operativen Beseitigung im Rahmen einer sogenannten Zystektomie, auch wenn die Patienten bislang keine Beschwerden zeigen. Dabei wird die komplette Zyste mitsamt Zystenbalg chirurgisch entfernt. Die geschädigten Knochen regenerieren nach der Zystektomie normalerweise von alleine und bereits nach relativ kurzer Zeit sind keine Defekte mehr auf den Röntgenbildern erkennbar. Mitunter kann bei besonders großen Zysten jedoch ein Knochenersatzmaterial erforderlich werden, um die vorhandenen Schäden auszugleichen. Hat sich eine Zyste um die Wurzelspitze eines devitalen Zahnes gebildet, so wird dieser im Rahmen der Zystektomie bei Bedarf ebenfalls entfernt oder es erfolgt eine Wurzelspitzenresektion. Auch eine follikuläre Zyste um einen am Durchbruch gehinderten Zahn wird in der Regel mit einer Zystektomie behandelt, bei der eine Entfernung des retinierten Zahns erfolgt. Allerdings besteht hier unter Umständen auch die Möglichkeit den verlagerten Zahn kieferorthopädisch wieder in die richtige Position zu bringen, so dass lediglich die Zyste beseitigt werden muss und der Zahn erhalten bleiben kann. Sehr große Zysten können im Rahmen einer sogenannten Zystostomie, zunächst chirurgisch geöffnet und offengehalten werden, um den Druck zu verringern und eine Verringerung des Zystenvolumens zu erreichen. Anschließend erfolgt nach einiger Zeit ein weiterer Eingriff zur Entfernung des Zystenbalgs. Eine Zystostomie kommt erst nach einer durchgeführten Biopsie mit anschließender Laboruntersuchung des entnommenen Gewebes in Betracht, da es sich unter Umständen um einen bösartigen Tumor handeln kann. Aus dem gleichen Grund erfolgt auch nach einer erfolgreichen Zystektomie gegebenenfalls eine Untersuchung des entnommenen Zystengewebes. (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Thomas Weber: Memorix Zahnmedizin, Thieme, 5. Auflage, 2017
- Paco Weiss, Andreas Filippi, J. Thomas Lambrecht: Entwicklungsbedingte odontogene Zysten, Quintessenz, 2011, ukm.de
- Deutsche Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG), Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK): S3-Leitline Odontogene Infektionen, Stand: September 2016, Leitlinien-Detailansicht
- Westcoast International Dental Clinic: Dental Cysts: What Are They and How They Can Be Prevented (Abruf: 30.08.2019), westcoastinternational.com
- Cambridge University Hospitals: Frequently asked questions about dental cysts (Abruf: 30.08.2019), cuh.nhs.uk
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.