Bienen summen immer seltener
Wundern Sie sich, wenn es auf ihren Blumenbeeten dieses Jahr still ist? Im Winter 2016/2017 starben viele tausend Bienenvölker – allein im kleinen Saarland bis zu 3000, das sind 20 % des Bestandes. Das Sterben hat zwei Gründe: Eine Milbe und Pestizide.
Inhaltsverzeichnis
Die Varroa-Milbe
Der Todfeind der Bienen ist derzeit die Varroa-Milbe. Ursprünglich kam sie aus Asien und hatte sich an die dortigen Bienen angepasst. Vor circa 40 Jahren schleppten importierte Bienen die Parasiten nach Europa ein. Die Milbe macht sich über die Bienenbrut her, saugt das Blut der Larven und überträgt Seuchen. Sie mag weder harte Kälte noch große Hitze. Der milde Dezember 2016 war ideal für den Plagegeist.
Der Imker wird zum Kammerjäger
Ein Schutz gegen die Milbe ist zwar möglich, erfordert aber eine professionelle Ausbildung: In der Schweiz geben die Imker zum Beispiel jedes Jahr im Spätsommer und Frühwinter Oxal – wie Bienensäure in die Bienenvölker.
Rückgang der Wildbienen
Besonders dramatisch gehen derzeit die Bestände der Wildbienen zurück. Ihnen setzt vor allem die Vergiftung der Pollen durch Pestizide zu. Außerdem verlieren sie ihren Lebensraum und ihre Nahrungspflanzen. Fast die Hälfte von mehreren hundert Wildbienenarten steht auf der Roten Liste.
Lebensraumverlust und der Schwund an Nahrungspflanzen sind indirekte Ursachen dieses Rückgangs – ein direkter Killer sind die Neonicotinoide. Diese Pestizide zerstören die Gehirnprozesse der Bienen und ihre Kommunikation, ihre Navigation und ihre Fähigkeit, Pollen zu sammeln.
Sind die Bienen durch diese Gifte geschädigt, dann unternehmen sie weniger Sammelflüge und können sich kaum noch orientieren. Sie brauchen länger bis zum Bienenstock. Schon winzige Mengen dieser Neonicotinoide, die weit unter den Grenzwerten liegen, setzen Bienen, Hummeln und andere Insekten außer Kraft, fand der Berliner Neurobiologe Randolf Menzel heraus.
Eine französische Studie unter Leitung von Mickael Henry bestätigte Menzels Ergebnis: Die Wissenschaftler setzten Raps aus, den sie mit Neonicotinoiden gebeizt hatten. Es zeigte sich, dass die Todeszahlen der Arbeitsbienen in die Höhe schossen.
Die Bienenvölker können dies allerdings kompensieren: Sie brüten dann mehr weibliche Bienen aus und weniger Drohnen, deren Aufgabe nur darin besteht, die Königin zu befruchten. Dadurch wird es aber auf Dauer zu einer genetischen Verarmung führen, weil immer weniger Männchen ihre Gene weitergeben können.
Nicht nur Bienen sterben
Langzeitstudien des britischen Zentrums für Ökologie und Hydrologie zeigten 2016 an 62 Wildbienenarten, dass die Bestände radikal schrumpften, seit 2002 Neonicotinoide zugelassen sind. Wildbienen, die sich auf Raps spezialisierten, der mit diesen Pestiziden behandelt wurde, erlitten Verluste von 20 %.
Eine kalifornische Studie zeigt, dass das gleiche für Schmetterlinge gilt. Seit die Gifte dort verwendet werden, nahm die Zahl der Schmetterlinge diverser Arten gravierend ab.
Hummeln bilden durch die Gifte weniger Königinnen aus, Solitärbienen bauen keine Nester, bei Erzwespen setzt die Paarung aus.
Suchtstoff für Bienen
Bienen meiden das Gift nicht etwa, sondern suchen es bevorzugt auf. Sie ziehen Zuckerlösungen, die mit diesen Pestiziden versehen sind, reinen Zuckerlösungen sogar vor.
Deshalb nehmen sie unverhältnismäßig viel der Schadstoffe auf. Der Grund dafür ist: Neonicotinoide wirken im Nervensystem von Bienen ähnlich wie Nikotin bei Menschen. Mit anderen Worten: Die Bienen werden süchtig.
Britische Forscher um Geraldine Wright von der Newcastle University fordern deshalb, dass der Einsatz dieser Pestizide kontrolliert werden müsse, um die Bienen vor Schaden zu bewahren.
Eine Insektenfalle
Die „Neonis“ haben eine Halbwertszeit von 1000 Tagen. Die Pflanzen nehmen nur 5 % der Gifte auf, der Rest gelangt in den Boden. Außerdem sind diese Pestizide wasserlöslich. Sie verbreiten sich deshalb mit dem Regen.
Sogar Blühstreifen an Ackerrändern, die die Insekten schützen sollen, werden so vergiftet. Teilweise sind die Pestizidwerte sogar höher als auf den Kulturpflanzen.
Ein Thema für die EU
Das Thema Neonicotinoide ist inzwischen bei der zuständigen EU-Kommission angekommen. Da valide Studien der EU-internen Wissenschaftler vorliegen, ist ein Verbot der entsprechenden Produkte von Bayer und Syngenta möglich. Es würde sich dabei um die Mittel Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam handeln.
Bisher gelten bereits Einschränkungen, so müssen die Hersteller Belege liefern, die die Genehmigung rechtfertigen. Träten jetzt strengere Regeln in Kraft, dürften die entsprechenden Neonicotinoide nur noch in Gewächshäusern angewandt werden.
Der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling sagt: „Es ist ein Meilenstein für den Bienenschutz, wenn die EU-Kommission tatsächlich ein vollständiges Verbot der Neonikotinoide vorschlägt.“
Exakter Nachweis aus Polen
Polnische Veterinäre konnten nachweisen, welche der Pestizide und Bienenbehandlungsmittel das Bienensterben verursachen. Bienenvergiftungen entstanden vor allem durch Chlorpyifos, Dimethoat und Clothianidin.
Antibiotika mitschuldig?
Es sind aber vermutlich nicht nur die Pestizide allein, die das Bienensterben der vergangenen Jahre verursachen. Amerikanische Wissenschaftler stellten fest, dass das Antibiotikum Tetracyclin die Bienen ebenfalls dahin rafft.
Nancy Moran von der Universität Austin in Texas vermutet, dass dieses Mittel offenbar nützliche Darmbakterien abtötet, welche die Insekten vor den schädlichen Serratia-Bakterien schützen. Denn die Zahl der Serratia-Bakterien war bei den Bienen, die mit dem Antibiotikum behandelt wurden, erhöht. Imker setzen Tetracycline ein, um die Bienenlarven vor der Amerikanischen Faulbrut zu schützen.
Eine Erklärung für das Sterben der Bienen in Deutschland ist das Mittel aber nicht, denn hierzulande ist der Einsatz von Antibiotika in der Bienenhaltung verboten.
Monokulturen
Die Insekten sind zudem durch Monokulturen bedroht. Am besten ist die Situation noch in den Städten, wo Kleingärten, Balkons und Parks eine Vielfalt bieten. Mais hingegen ist für die Biene so nahrhaft wie die Oberfläche des Mondes.
Ohne Bienen keine Äpfel
1990 gab es in Deutschland noch circa 1,2 Millionen Bienenvölker – heute sind es 650.000. Bei den wilden Bienen sieht es ebenfalls düster aus: Rund die Hälfte sind bedroht oder verschwunden. Das Aussterben der Bienen hat fatale Folgen für den Menschen, denn 80 % aller Pflanzen werden von Bienen bestäubt. Ohne Biene keine Äpfel.
Pestizide und Parasiten
Eine Studie der Universität Wien erkannte Sekundärinfektionen, Viren, Bakterien und Parasiten als Verantwortliche für einen Großteil der Todesfälle, zum Beispiel einen Virus, der eine Deformation der Flügel bewirkt.
Daran sind die Pestizide aber nicht unschuldig. Das Immunsystem der Bienen ist nämlich durch die Pflanzengifte nachhaltig geschwächt. Die Erreger übertragen sich von Biene zu Biene, ohne ausreichenden Immunschutz erkranken und sterben die
Tiere.
In Österreich gehen zum Beispiel 95 % der aufgetragenen Gifte in den Boden, und vor allem diese Pestizide haben den Gesamtbestand der Insekten in zehn Jahren um 80 % reduziert. Statt ehmals 58 Wildbienenarten gibt es noch 14.
Bienenweiden
Wer einen kleinen Garten hat, kann den Bienen helfen und eine Bienenweide anlegen. Dafür eignen sich besonders Lein, Klee, Bienenfreund, Borretsch, Cosmea, Färber-Hundskamille und Buchweizen. So blüht vom Frühjahr bis Herbst immer etwas. Frühblüher wie Leberblümchen oder Taubnesseln helfen den Insekten, bevor die Obstbäume blühen.
Auch blühende Sträucher eignen sich hervorragend als Bienenweide, und sie nähren nicht nur Bienen, sondern auch andere Insekten und Vögel. Vögeln bieten sie zudem Nistplätze. Heimische Pflanzen für ein solches Bienenparadies sind zum Beispiel wilde Rosen, Holunder, Weißdorn, Schlehe, Felsenbirne, Vogelbeere, Quitte, Cornellkirsche, Sanddorn oder Gojibeere. Nach der Blüte fressen Vögel die wertvollen Früchte. (Dr. Utz Anhalt)
Polnische Studie:
Tomasz Kiljanek et al. Multi-residue method for the determination of pesticides and pesticide metabolites in honeybees by liquid and gas chromatography coupled with tandem mass spectrometry—Honeybee poisoning incidents, Journal of Chromatography A (2016). DOI: 10.1016/j.chroma.2016.
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.