Bei Volkskrankheiten denken die meisten an Rückenschmerzen, Bluthochdruck, Arthrose oder Diabetes. Doch auch Erkrankungen der Augen sind Volkskrankheiten. So haben in Deutschland 63 Prozent der Erwachsenen eine Fehlsichtigkeit. Ein Grauen Star macht sich bei jedem zweiten zwischen 52 und 64 Jahren bemerkbar, ab Mitte 60 sind sogar 90 Prozent betroffen. Mit etwa 4,5 Millionen Menschen gehört auch die altersbedingte Netzhauterkrankung Makuladegeneration zu den häufigsten Augenerkrankungen. Zudem leiden eine Millionen Menschen an einem grünen Star und etwa 600.000 Diabetiker an diabetischer Retinopathie. Dr. Kaweh Schayan-Araghi, Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Augenärzte und medizinischer Leiter der Artemis Augenklinik in Frankfurt, klärt über die augenheilkundlichen Volkskrankheiten auf.
Fehlsichtigkeiten – Alterssichtigkeit dominiert ab 50
Kurzsichtigkeit ist unter den Fehlsichtigkeiten am häufigsten vertreten. Betroffenen fällt das Sehen ab einer Distanz von einigen Metern schwer. In den augenärztlichen Werten spiegelt sich Kurzsichtigkeit in einem Minuszeichen vor der Dioptrienzahl wieder. Früher war es selbstverständlich, Brille zu tragen. Für viele ist dies heute aus praktischen und ästhetischen Gründen keine Option mehr. Dann helfen Kontaktlinsen, Laseroperation oder Linsenimplantation. „Implantierte Linsen eignen sich insbesondere für extreme Kurzsichtigkeiten“, weiß Dr. Schayan-Araghi. Ab dem 5.Lebensjahrzehnt ist die Alterssichtigkeit mit 95 Prozent die häufigste Fehlsichtigkeit. Neben Lese- oder Gleitsichtbrille, hilft auch das operative Einsetzen von sogenannten Multifokallinsen.
Grauer Star – Verschleißerscheinung, die fast jeden trifft
Wie Alterssichtigkeit, gehört auch der graue Star zu den natürlichen Alterserscheinungen des Körpers und damit zum Älterwerden dazu. Ab Mitte 60 leiden 90 Prozent an der Krankheit, die aber gut therapierbar ist. Bei der Augenerkrankung trübt sich die Linse im Auge, wodurch im fortgeschrittenen Stadium die Pupille grau schimmert. Durch eine Operation ersetzen Augenchirurgen die getrübte Linse durch eine künstliche. Jedes Jahr führen Mediziner allein in Deutschland rund 600.000 dieser Operationen durch. Dank einer minimalinvasiven Kleinstschnitt-Technik ist dieses Vorgehen schonend und präzise.
Makuladegeneration zerstört Punkt des scharfen Sehens
Makuladegeneration ist die Hauptursache für Erblinden im Alter. Im Zentrum der Netzhaut liegt der sogenannte gelbe Fleck, der Punkt des scharfen Sehens. Erkrankt dieses Areal, schwindet die Sehkraft. „Betroffene können sich zwar auch im fortgeschrittenen Stadium noch orientieren – lesen, sich selbst im Spiegel oder jemanden anderen erkennen, funktioniert jedoch nicht mehr“, erklärt Dr. Schayan-Araghi. Die sogenannte trockene Makuladegeneration ist die häufigste Form, schreitet jedoch sehr langsam voran. Mit 15 Prozent betrifft die feuchte Form zwar weniger Menschen, sie verläuft aber deutlich schneller und aggressiver. Während gegen die trockene Form kein Mittel existiert, helfen gegen die feuchte Form Injektionen bestimmter Medikamente in das Auge. Aber Therapien halten nur den fortschreitenden Sehverlust auf, daher sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen wichtig.
Grüner Star – Vorsorgeuntersuchungen verhindern Folgeschäden
Vom grünen Star sind etwa 800.000 Deutsche betroffen, aber nur die Hälfte weiß davon. Mit zunehmendem Alter nimmt die Durchlässigkeit eines winzigen Kanals im Auge ab, der dem Kammerwasser als Abfluss dient. In der Folge staut sich das Wasser, der Augeninnendruck steigt und der Sehnerv wird dadurch kontinuierlich zerstört. Bei rechtzeitiger Diagnose stehen Medizinern verschiedene Behandlungen zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf unterbrechen und die Sehkraft des Patienten erhalten. Je nach Schweregrad der Erkrankung kommen Medikamente, Laserbehandlung oder Operationen zum Einsatz. Auch hier ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie das frühzeitige Erkennen der Krankheit. Darum empfehlen Experten, ab dem 40. Lebensjahr alle zwei bis drei Jahre Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch zu nehmen. Patienten mit erhöhtem Risiko raten sie zu jährlicher Kontrolle.
Diabetische Retinopathie oft zu spät erkannt
Die Folgeerkrankung des Diabetes, die diabetische Retinopathie, betrifft Menschen, die über viele Jahre an der Stoffwechselerkrankung leiden. Nach zwanzig Jahren erleben etwa 95 Prozent der Patienten mit einem Typ-1-Diabetes eine Schädigung der Netzhaut, unter den Typ-2-Diabetikern beträgt diese Rate etwa 60 Prozent. „Dabei ist das Tückische, dass es in den Anfangstadien so gut wie keine Symptome gibt“, erklärt Dr. Schayan-Araghi. Dem Diabetiker bleiben die sein Sehvermögen zerstörenden Veränderungen lange Zeit verborgen. Da Fachärzte jedoch weitaus früher die Erkrankung erkennen, sollte jeder Diabetiker einen Augenarzt aufsuchen und eine jährliche Kontrolle wahrnehmen. (pm)
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Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.