Ein Leben in Autobahnnähe macht Kinder schneller krank
Autoabgase können der Gesundheit schaden – so viel ist schon lange bekannt. Doch gerade für Kinder sind diese offenbar besonders gefährlich. Denn wachsen diese in der Nähe von Autobahnen oder Autostraßen auf, besteht laut einer aktuellen Schweizer Studie ein bis zu 100 Prozent höheres Risiko für eine Leukämieerkrankung. Wie die Forscher berichten, sind vor allem Kleinkinder betroffen.
Mehr als 200 Kinder und Jugendliche erkranken jedes Jahr an Krebs
Kinder erkranken normalerweise relativ selten an Krebs. Doch wie die Universität Bern berichtet, sind in der Schweiz dennoch jedes Jahr mehr als 200 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren betroffen. Krebserkrankungen stellen damit nach Unfällen die wichtigste Todesursache bei Kindern dar, dabei seien Leukämien und Hirntumore am häufigsten. Warum so viele junge Menschen in der Schweiz von Krebs betroffen sind, konnte bislang nicht genau geklärt werden. Vermutet wird jedoch schon länger, dass neben einer genetischen Veranlagung auch verschiedene Umweltfaktoren wie z.B. die Luftverschmutzung eine zentrale Rolle spielen könnten.
Forscher gleichen Volkszählungsdaten mit Kinderkrebsregister ab
Diese Annahme konnten Forscher vom Institut für Sozial-und Präventivmedizin der Universität Bern (ISPM) nun offenbar bestätigen. Demnach habe ein Team um Ben Spycher und Claudia Kuehni vom ISPM zeigen können, dass Abgase das Risiko für eine Leukämie bei Kindern erhöhen, berichtet die Uni. Die Wissenschaftler hatten für ihre im “European Journal of Epidemiology” publizierte Studie die Daten des Schweizer Kinderkrebsregisters (SKKR) und der Schweizerischen National Kohorte (SNC) verwendet, in der mehr als zwei Millionen per Volkszählung (1990 und 2000) erfassten Kinder verzeichnet sind. Aus dem Kinderkrebsregister filterten die Wissenschaftler zudem alle registrierten Krebsdiagnosen bei Kindern unter 16 Jahren im Zeitraum 1985 bis 2008. Schließlich glichen sie die anonymen Daten aus dem SKKR und der SNC miteinander ab und konnten so erkennen, welche Kinder genau betroffen waren.
Es folgte die Untersuchung, ob Kinder, die in der Nähe von Autobahnen oder Autostraßen lebten, ein höheres Risiko für eine Krebserkrankung haben als andere Gleichaltrige. Hierfür teilten sie die Wohnorte der Kinder zum Zeitpunkt der Volkszählung in verschiedene Distanzgruppen ein (weniger als 100 Meter, 100 bis 250 Meter, 250 bis 500 Meter und über 500 Meter von der nächsten Autobahn oder Autostraße entfernt) und glichen diese mit der Anzahl der Leukämie-Fälle in den jeweiligen Gebieten ab. In einem weiteren Untersuchungsschritt schätzten die Wissenschaftler anhand der Volkzählungsdaten ab, wie viele „Personenjahre“ bzw. Kalenderjahre von allen in der Schweiz wohnhaften Kindern in den verschiedenen Wohngebieten zwischen 1985 und 2008 durchlebt wurden. Anschließend vergleichen sie auch hier die registrierten Fälle von Leukämie pro Personenjahre zwischen den Distanzgruppen.
Knapp 50 Prozent erhöhtes Risiko durch Leben in Autobahnnähe
Beide Untersuchungsmethoden brachten sehr ähnliche Resultate, so Ben Spycher und Claudia Kuehni. Demnach hatte sich bei Kindern in der Distanzkategorie unter 100 Meter durch die erste Methode ein um 47 Prozent erhöhtes Leukämie-Risiko im Vergleich zu Gleichaltrigen, die mehr als 500m entfernt von der nächsten Autobahn oder Autostraße lebten, gezeigt. Die zweite Methode erbrachte sogar ein um 57 Prozent erhöhtes Risiko für die Kinder der ersten Gruppe.
„Zwar erkrankten in dieser Distanzkategorie im Beobachtungszeitraum ‹nur› 30 Kinder an Leukämien“, erläutert die Kinderärztin und Leiterin des Schweizer Kinderkrebsregisters, Claudia Kuehni. „Bezogen auf die Personenjahre entspricht dies jedoch einer Leukämierate von 7,2 Fällen pro 100‘000 Personenjahre im Vergleich zu 4,5 Fällen pro 100‘000 Personenjahren bei Kindern, die weiter als 500 Meter von einer Autobahn oder Autostrasse entfernt lebten“, so die Medizinerin weiter. Dementsprechend sei der Unterschied trotz der tiefen Fallzahlen laut der Universitätsmitteilung statistisch signifikant.
0- bis 4-jährige besonders gefährdet
Die Auswertung nach Altersklassen zeigte jedoch, dass sich die Risikoerhöhung auf 0- bis 4-jährige Babys bzw. Kleinkinder beschränkt. „In dieser Altersgruppe war das Leukämierisiko bei einem Wohnort innerhalb 100 Meter neben einer Autobahn etwa doppelt so hoch wie bei einem Abstand der Wohnung von 500 Metern oder mehr”, sagt Ben Spycher. In den anderen Distanzkategorien sowie bei anderen Krebsarten wie z.B. Hirntumoren und Lymphomen konnten die Forscher hingegen keine erhöhte Gefahr nachweisen.
Da sich diese nur für Leukämien herauskristallisierte, käme möglicherweise Benzol als Ursache in Betracht, so die Vermutung der Forscher. Denn es sei bereits bekannt, dass eine erhöhte Belastung durch den Stoff am Arbeitsplatz bei Erwachsenen eine Leukämie hervorrufen könne. „Mehrere Studien aus anderen Ländern fanden ebenfalls Hinweise für ein erhöhtes Leukämierisiko bei Kindern, die nahe an stark befahrenen Strassen aufwuchsen“, erläutert Kuehni. (nr)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.