Vegetarische Ernährung bei Kindern und Jugendlichen: Was müssen Eltern beachten
24.06.2013
Bei Kindern und Jugendlichen liegt vegetarisches Essen im Trend. Es gibt jedoch Eltern und auch Ärzte, die eine Mangelernährung befürchten. Vor allem bei Teenager-Mädchen werden Bedenken geäußert.
Mitleid mit Tieren und Ablehnung der Massentierhaltung
In einem Internetvideo, dass seit Wochen im Umlauf ist, verweigert der nur wenige Jahre alte Luiz Antonio begründet den Verzehr von Tieren. Das Video, das mittlerweile millionenfach angeklickt wurde, rückte das Thema vegetarische Ernährung erneut ins Rampenlicht. Auch Mira Rudmann aus Köln war erst acht Jahre alt, als sie beschloss, kein Fleisch mehr zu essen. Ihre Mutter Jessica erzählte: „Ihre Freundin war Vegetarierin, und irgendwann fing sie an, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“ Ihr taten die Tiere leid und sie wollte nicht an der Massentierhaltung mit schuld sein. Deshalb teilte sie ihren Eltern mit, künftig kein Fleisch mehr zu essen. „Am nächsten Morgen gab es dann noch ein ganz kurzes Zögern, als ihr klar wurde, dass sie nun auch kein Salamibrot mehr essen konnte, aber dann hat sie es durchgezogen", so ihre Mutter.
Mehr Mädchen als Jungen ernähren sich vegetarisch
Luiz und Mira sind keine Ausnahmen. Es sind immer mehr Kinder und Jugendliche, die sich dazu entschließen, auf Fleisch zu verzichten. Sebastian Zösch, stellvertretender Vorsitzender des Vegetarierbunds Deutschland (Vebu) erläutert: „Etwa 15 Prozent der Mädchen und fünf Prozent der Jungen sind Vegetarier." Acht bis neun Prozent der Gesamtbevölkerung ernähre sich vegetarisch. „Jugendliche sind noch deutlich flexibler als Erwachsener“, so Zösch. Mädchen würden sich Tieren näher fühlen als Jungen und deshalb Fleisch oft „eklig“ finden. Im Erwachsenenalter liege der weibliche Anteil unter den Vegetariern bei 70 Prozent. „Der typische Vegetarier ist weiblich, jung, gebildet und lebt in der Großstadt.“
Gesundheitsfördernder als Mischkost
In Familien, in denen sich bislang niemand vegetarisch ernährt, kann die Entscheidung eines Kindes, kein Fleisch mehr zu essen, Bedenken auslösen. „Ich finde die Beweggründe völlig nachvollziehbar", meint auch Miras Mutter, „aber das macht das Kochen natürlich komplizierter. Und man fragt sich sofort, ob das Kind auch alle Nährstoffe und Vitamine bekommt, die es braucht." Der Leiter des Instituts für alternative und nachhaltige Ernährung in Gießen, Markus Keller, meint dass grundsätzlich nichts gegen eine vegetarische Ernährung bei Jugendlichen einzuwenden sei. „Studien zeigen, dass vegetarisch ernährte Kinder im Durchschnitt die Empfehlungen für eine gesundheitsfördernde Ernährung deutlich besser umsetzen als Kinder, die Mischkost verzehren." Eltern rät er, den Wunsch ihrer Kinder ernst zu nehmen: „Das ist eine gute Gelegenheit, die vegetarische Küche selbst einmal auszuprobieren."
Eisenmangel durch Ernährung beheben
Jörg Dötsch, Direktor der Kinderklinik am Kölner Uniklinikum, gibt dagegen zu Bedenken, dass im Gegensatz zu Erwachsenen eine vegetarische Ernährung in der Wachstumsphase deutlich kritischer einzustufen sei. „Gerade bei Vitamin B12 und bei Eisen kann es schnell zu Mangelerscheinungen kommen." Vitamin B12 sei essenziell bei der Entwicklung des Nervensystems und komme vor allem in Fleisch vor. Es gibt jedoch auch Theorien, die besagen, dass ein Bitamin-B12-Mangel aufgrund einer gestörten Darmflora entstehe und laut Dr. Vivian V. Vetrano, Doctor of Science in Natural Hygiene, City University of L.A., im menschlichen Körper Bakterien leben, die das sogenannte CoenzymB12, eine aktive Form des Vitamins B12, produzieren. Diese Bakterien seien nicht nur im Darm, sondern auch in der Mundhöhle, der Speiseröhre, den Bronchien und rund um die Mandeln gefunden worden. Der Kölner Arzt sieht die vegetarische Ernährung bei jungen Mädchen als ein Problem an, da es bei ihnen aufgrund ihrer Periode zu einer mangelnden Versorgung mit Eisen kommen könne. „Typische Symptome für Mangelerscheinungen sind etwa Blässe, offene Hautstellen, Müdigkeit und Leistungsabbau." Deshalb rät er, vegetarische Ernährung vom Kinderarzt begleiten zu lassen: „Jedes halbe Jahr sollte ein Blutbild erstellt werden, bei dem der Eisen- und der B12-Wert kontrolliert wird. Und auch eine Gewichtskontrolle sollte stattfinden." Ob dies wirklich nötig ist, müssen die Beteiligten selbst entscheiden, aber ein Eisenmangel lässt sich in der Regel durch eine konsequente Umstellung der Ernährung auf Nahrungsmittel mit hohem Eisenanteil, zu denen auch pflanzliche Lebensmittel wie bestimmte Gewürze (schwarzer Pfeffer, getrockneter Koriander oder Petersilie), Feldsalat, Erbsen, Bohnen, Broccoli oder Roggen- und Weizenvollkorn gehören, beheben.
Vermutungen von Wissenschaftlern ungeklärt
Zum Teil werden auch skurrile Thesen erstellt, um angebliche Gegenargumente zu vegetarischer Kost zu verbreiten. So gebe es angeblich eine Häufung von Essstörungen wie Magersucht oder Bulimie unter jugendlichen Vegetarierinnen. In der Fachzeitschrift „Journal of the American Dietetic Association" wurde veröffentlicht, dass einer Studie zufolge 25 Prozent der jungen Vegetarier ungesunde Verhaltensweisen zeigen würden, wie übertriebene Diäten oder erzwungenes Erbrechen, um ihr Körpergewicht zu kontrollieren. Es wurden jedoch keinerlei Zusammenhänge geklärt und so stellten Wissenschaftler nur Vermutungen an. Kinderarzt Dötsch empfiehlt Eltern, sich mit ihren Kindern verantwortungsvoll über deren Beweggründe auseinanderzusetzen: „Wenn es dem Kind tatsächlich um ein ethisches Problem in Bezug auf Tiere geht, dann sollte man sich mit ihm zusammensetzen und ihm klarmachen: Ich unterstütze dich, aber wir müssen es gemeinsam schaffen, dass du dich so ernährst, dass du dabei nicht krank wirst."
Ausgewogene Ernährung wichtig
Menschen, die kein Fleisch essen, sollten darauf achten, dass genug Vollkornprodukte auf dem Speiseplan stehen, um so auch genügend Eisen zu sich zu nehmen. Nach Angaben des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund ist auch die Kombination von Lebensmitteln wichtig: Pflanzliches Eisen aus Getreide könne der Körper am besten mit Vitamin C verwerten, Milchprodukte hemmten die Aufnahme. Die kleine Mira aus Köln konnte sich wohl noch nicht ganz als Vegetarierin durchsetzen. Ihre Mutter meinte: „Ich habe sie davon überzeugt, einmal in der Woche ein Stück rotes Fleisch zu essen. Und dafür garantiere ich ihr, nur 100-prozentiges Biofleisch von ganz, ganz glücklichen Kühen zu kaufen." Es scheint aber einen zunehmenden Trend zu fleischloser Ernährung zu geben. Auch den vegetarisch ernährten Kindern drohen „keine Nachteile, wenn die Eltern auf eine ausgewogene Ernährung achten und nicht einfach nur das Fleisch weglassen“, zitiert die Nachrichtenagentur „dapd“ die Ernährungswissenschaftlerin Kerstin Bernhardt. (ad)
Bild: Melling liudmila / pixelio.de
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