Nach Jahren erstmals weniger ADHS-Medikamente verordnet
01.04.2014
Bei immer mehr Kindern und Jugendlichen wird eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) diagnostiziert. Therapiert wird diese meist mit Stimulanzien, wobei der bekannteste und gleichzeitig am meisten diskutierte Wirkstoff hier das sogenannte Methylphenidat (MPH) bzw. „Ritalin“ ist. Nach dem die Verschreibungszahlen in den letzten Jahren immer weiter gestiegen waren, ist der Konsum dieser Medikamente nun offenbar erstmals zurückgegangen.
Ritalin sorgt immer wieder für kontroverse Diskussionen
Das verschreibungspflichtige Medikament Ritalin, welches häufig in der Behandlung von AD(H)S-Patienten zum Einsatz kommt, wird in der Öffentlichkeit immer wieder sehr kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite stehen die Gegner, die auf zahlreiche Nebenwirkungen aufmerksam machen und das Mittel klar als Droge definieren, da durch eine Überdosis des Inhaltsstoffs Metylphenidat offenbar ähnliche Wirkungen erreicht werden können wie mit Kokain. Auf der anderen Seite finden sich die Befürworter, die argumentieren, dass der Wirkstoff den gestörten Dopamin-Haushalt im Gehirn korrigiere, wodurch betroffene Kindern konzentrierter, aufmerksamer und ruhiger werden könnten.
Konsum von Methylphenidat geht 2013 um 36 Kilogramm zurück
In den letzten Jahren war bei immer mehr Kindern das so genannte „Zappelphilipp-Syndrom“ bzw. eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) diagnostiziert worden und dementsprechend auch die Zahl der Ritalin-Verschreibungen immer mehr nach oben gegangen. Doch hier scheint nun offenbar eine Kehrtwende stattzufinden, denn wie das Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn berichtet, sei der der Konsum des Wirkstoffs Methylphenidat im letzten Jahr erstmals seit 20 Jahren zurückgegangen. Demnach waren im Jahr 2013 „nur“ 1803 Kilogramm des Arzneimittels eingenommen worden – während es 2012 noch 1839 Kilogramm gewesen waren.
Verschreibungs-Boom in den letzten 20 Jahren
Doch trotz sinkender Zahlen könne laut BfArM-Präsident Walter Schwerdtfeger noch nicht von einer „echten“ Abwärtstendenz gesprochen werden – Anlass zur Hoffnung gäbe es aber dennoch: „Gleichwohl werten wir diesen ersten leichten Rückgang nach dem massiven Anstieg der vergangenen 20 Jahre als ein positives Signal, das möglicherweise auf einen kritischeren Umgang mit Methylphenidat hindeutet.“ In den Jahren zuvor hatte es hingegen einen regelrechten „Verschreibungs-Boom“ gegeben, wobei der Anstieg gegenüber dem Vorjahr dem BfArM zufolge am größten im Jahr 2000 war, als der Verbrauch plötzlich um 91 % nach oben schnellte. Bis zum Jahr 2008 stieg der Konsum dann Jahr für Jahr um durchschnittlich 17 % weiter, ab 2009 dann im Schnitt nur noch um knapp 3 %. Der um rund 2% geringere Verbrauch im letzten Jahr sei daher der erste Rückgang seit 20 Jahren, so das BfArM weiter.
Fehl- und Übertherapie sind als Ursache für steigenden Verbrauch nicht auszuschließen
Die Ursachen für den steigenden Konsum von Methylphenidat seien dabei dem Bundesinstitut nach vielschichtig und würden zugleich von Experten kontrovers diskutiert. So könnten auf der einen Seite verbesserte Diagnosemöglichkeiten bei ADHS und eine früher beginnende Behandlung Grund für die steigenden Zahlen in den letzten Jahren sein, ebenso kämen aber auch Fehl- und Übertherapie als Hintergrund in Betracht. Doch gerade hier könnte der leichte Rückgang der Zahlen im letzten Jahr möglicherweise auf eine neue Form der Achtsamkeit hindeuten: „Offenbar ist die Vorsicht bei einer medikamentösen Behandlung von ADHS gewachsen”, so die Techniker-Krankenkasse-Apothekerin Dr. Edda Würdemann gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Auch die TK hatte aufgezeigt, dass die Zahl der medikamentös behandelten Kinder und Jugendlichen allein von 2006 bis 2009 um 32% angestiegen, von 2009 bis 2012 aber nahezu in allen Bundesländern um knapp 3,4 Prozent gesunken war. Eine Ausnahme bildete hier lediglich Nordrhein-Westfalen – hier war die Zahl der jungen Menschen, denen ein entsprechendes Medikament verschrieben worden war, zwischen 2009 und 2012 um 4,6 Prozent angestiegen.
Etwa 5 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren von ADHS betroffen
Bei ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) handelt es sich um die häufigste psychiatrische Erkrankung des Kindes- und Jugendalters, von der nach Angaben des Bundesverbands ADHS Deutschland e.V. in Deutschland ca. 5 % der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren betroffen sind. Bei Jungen wird die Erkrankung etwa viermal häufiger diagnostiziert als bei Mädchen, bei etwa 60% der Betroffenen bleiben wesentliche Symptome der ADHS wie Unaufmerksamkeit und Überaktivität bzw. Impulsivität auch im Erwachsenenalter bestehen. Der Wirkstoff Methylphenidat werde dabei laut BfArM nur im Rahmen einer therapeutischen Gesamtstrategie eingesetzt und auch nur in solchen Fällen, in denen sich alternative Behandlungsmaßnahmen allein als unzureichend herausgestellt haben. Zudem müsse die Einnahme in jedem Fall unter Aufsicht eines Spezialisten für Verhaltensstörungen stattfinden, um schädliche Nebenwirkungen oder Fehldosierungen zu vermeiden. (nr)
Bild: Sara Hegewald / pixelio.de
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