Extremes Übergewicht muss multimodal behandelt werden
23.10.2014
Immer mehr Menschen leiden unter starkem Übergewicht, bei etwa einem Fünftel der Bevölkerung besteht laut Body-Mass-Index (BMI) sogar eine Fettleibigkeit. Wer von Adipositas betroffen ist, hat meist schon einen langen Weg mit vielen erfolglosen Diätversuchen hinter sich. Um die Erkrankung langfristig bewältigen zu können, ist daher ein Klinikaufenthalt in vielen Fällen die einzige Chance – denn hier werden Betroffene auch psychologisch und ernährungsmedizinisch begleitet.
Mehr als 20 Prozent der Menschen deutlich zu dick
Starkes Adipositas betrifft immer mehr Menschen in den westlichen Nationen, allein hierzulande gelten mittlerweile mehr als 20 Prozent der Menschen als deutlich zu dick. Dabei wirkt sich die Fettleibigkeit auf viele Lebensbereiche nachteilig aus und wird durch diverse Nebenerkrankungen, wie Diabetes mellitus und Gelenkverschleiß sowie steigende Immobilität und Arbeitsunfähigkeit gesellschaftlich zu einem immer größeren Problem.
Adipositas ab einem BMI von 30
Zur Abschätzung des Körpergewichts in Relation zur Körpergröße dient der so genannte „Body-Mass-Index“ (BMI), welcher mit einer einfachen Formel (Körpergewicht /durch Körpergröße2) berechnet werden kann. Ab einem Wert von über 30 wird dabei normalerweise von einer „Adipositas“ gesprochen, wobei drei Schweregrade unterschieden werden. Um die starken Gewichtsprobleme langfristig in den Griff zu bekommen, reicht jedoch meist eine Ernährungsumstellung nicht aus. Stattdessen müssen Betroffene lernen, Bewegung fest in ihren Alltag zu integrieren und alternative Strategien für das so genannte „Frustessen“ bei Kummer oder Stress zu entwickeln.
Multimodale Behandlung mit Sport, Ernährungsumstellung und Psychotherapie
Hier setzt auch die Ärztin Christine Graf an, deren Schwerpunkt in der Therapie von adipösen Kindern und Jugendlichen liegt. Ihr Konzept umfasse dabei die drei Bereiche Sport, Ernährungsumstellung und Psychotherapie, in denen die jungen Patienten zwei Mal wöchentlich über elf Monate hinweg multimodal behandelt würden, so die Professorin der Deutschen Sporthochschule Köln gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. Bei ihrem Programm gehe es jedoch nicht vorrangig um eine schnelle Gewichtsabnahme – stattdessen sei es das Ziel, dass die Kinder und Jugendlichen lernen und erfahren, welche Auswirkungen Sport und Aktivität auf den eigenen Körper haben. Ein zentraler Schritt, denn statt eines sinkenden BMI sei vielmehr eine verbesserte Fitness „wichtig für den Kampf gegen die Fettleibigkeit“, erläutert die Expertin weiter.
Ernährungsumstellung oft eine große Herausforderung für die Betroffenen
Dieser Kampf ist für viele Betroffene eine echte Qual. Die jungen Patienten seien angesichts des Überangebots bei der Umstellung ihrer Ernährung massiv gefordert, erklärt Christine Graf weiter, denn „es ist unendlich schwer, nichts zu essen zu bekommen. Man wird ja mit Essen vollgeschmissen." Für viele Betroffene ist daher ein Klinikaufenthalt die einzige Chance, um das Übergewicht in den Griff zu bekommen, denn gerade bei schwerer Adipositas sei eine ambulante Behandlung oft gar nicht möglich, so Dr. Manuel Enzenhofer vom Stuttgarter Bürgerhospital gegenüber der „dpa“. Der Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie arbeite stattdessen "bei seinen erwachsenen Patienten häufig psychodynamisch, um tieferliegenden Gründe für die Fettleibigkeit erkennen zu können". Ein wichtiger Ansatz, denn "massives Übergewicht hat häufig psychische Ursachen, in vielen Fällen reichen die Wurzeln bis in die Kindheit zurück, indem beispielsweise Missbrauch oder Vernachlässigung zu seelischen Verletzungen geführt haben". In der Folge werden negative Gefühle, Einsamkeit und fehlende Zuwendung mit Essen kompensiert – ein Teufelskreis, denn die Betroffenen werden immer dicker, was die Psyche weiter belastet.
Eine Psychotherapie hilft, neue Strategien für den Umgang mit Stress zu erlernen
Dementsprechend sei neben einer ernährungsmedizinischen Begleitung auch die psychologische Betreuung bei der Behandlung von Adipositas von hoher Bedeutung, denn in der Therapie könnten jene Konflikte aufgedeckt werden, die für die Gewichtszunahme verantwortlich seien. Lässt sich das Übergewicht auf psychische Gründe zurückführen, bestehen verschiedene Möglichkeiten, um die Seele zu „behandeln“. Ein wichtiger Bereich stellt hier die Verhaltenstherapie dar, in welcher die Patienten im Rahmen von Einzel- und/oder Gruppengesprächen lernen können, negative Emotionen wie Einsamkeit oder Frust nicht mehr durch Essen zu kompensieren. Stattdessen werden hier neue Strategien zum Stressabbau erarbeitet, zu denen neben körperlicher Bewegung auch Entspannungsverfahren wie z.B. Meditation oder autogenes Training zählen. (nr)
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