Warum Übergewichtige häufiger Erkrankungen bekommen
Es ist schon länger bekannt, dass Menschen, die stark übergewichtig sind, ein erhöhtes Risiko für verschiedene chronische Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes, Arthrose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Forschende berichten nun, warum Personen mit Adipositas öfter Krankheiten bekommen.
Wenn Menschen an Gewicht zunehmen, wachsen auch die Fettzellen mit. Bei starkem Übergewicht (Fettleibigkeit beziehungsweise Adipositas) sind die Zellen meist stark vergrößert. In einer Studie wurde nun gezeigt, wie vergrößerte Fettzellen Stoffwechselerkrankungen verursachen können. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „eBioMedicine“ veröffentlicht.
Höheres Risiko für Folgeerkrankungen
Wie in einer Mitteilung der Technischen Universität München (TUM) erklärt wird, können eine genetische Veranlagung, ein ungesundes Essverhalten, Bewegungsmangel, ein langsamer Stoffwechsel, psychische Erkrankungen oder die Einnahme von bestimmten Medikamenten Ursachen für starkes Übergewicht sein.
Menschen mit Adipositas leiden häufig nicht nur unter Stigmatisierung durch die Gesellschaft, sondern auch unter eingeschränkter Lebensqualität und einem höheren Risiko für Folgeerkrankungen. So steigt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit für Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verschiedene Krebsleiden.
Aber warum bekommen Menschen, wenn sie zunehmen, häufiger Erkrankungen? Dieser Frage gingen Dr. Julius Honecker und Prof. Hans Hauner vom Lehrstuhl für Ernährungsmedizin der TUM nach.
Unterstützt wurden sie durch die Body Magnetic Resonance Group um Prof. Dimitrios Karampinos von der Diagnostischen und Interventionellen Radiologie am Klinikum rechts der Isar sowie durch die Gruppe von Prof. Melina Claussnitzer, Mitglied am Broad Institute of MIT and Harvard und Professorin am Massachusetts General Hospital und an der Harvard Medical School.
Bedeutung der Fettzellgröße
Der Zusammenhang zwischen Übergewicht und vielen Erkrankungen ist zwar bereits lange bekannt, doch wissen wir wenig, welche Bedeutung dabei die Fettzellgröße spielt. Das Team konnte nun zeigen, dass die Genexpression – also wie stark welche genetische Information zum Tragen kommt – im Fettgewebe mit der Fettzellgröße assoziiert ist.
Veränderungen in der Genexpression bei vergrößerten Fettzellen dürften demnach für das Entstehen von metabolischen Erkrankungen mitverantwortlich sein.
„Große Fettzellen haben einen deutlich veränderten Stoffwechsel und begünstigen unter anderem das Entstehen von Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, erläutert Prof. Hans Hauner. „Das ist ein wichtiger Beleg, dass sich die Fettzellen in Abhängigkeit von ihrer Größe erheblich in ihrer Funktion unterscheiden.“
Eindeutiges Ergebnis
Um herauszufinden, wie die gesamte Genexpression von der Größe der Fettzellen abhängt, teilten die Forschenden die Adipozyten – große, rundliche Fettzellen – nach ihrer Größe ein und sequenzierte ihre RNA.
Das Ergebnis war eindeutig: „Die Adipozytenhypertrophie äußert sich in der veränderten Expression von Genen, die an der mitochondrialen Funktion und dem Fettsäurestoffwechsel beteiligt sind“, sagt Dr. Julius Honecker.
Detaillierte Analysen zeigen, dass sich das Transkriptom – also die Summe aller RNA-Moleküle in einer Zelle – von energieverbrauchend zu energiespeichernd sowie zu entzündungsfördernd gewandelt hatte. Die Zellen von stark Übergewichtigen speichern bevorzugt Energie und fördern Entzündungen, was die genannten Erkrankungen begünstigt.
Verbesserte Untersuchungsmethoden
Um die Fettzellgröße von Patientinnen und Patienten in Zukunft besser und ohne Biopsie untersuchen zu können, entwickelten und verfeinerten Dr. Stefan Ruschke und Prof. Karampinos eine nicht-invasive Magnetresonanz-Spektroskopie-Methode.
Den Angaben zufolge gelang damit auch eine robuste Analyse der Fettsäurezusammensetzung im Fettgewebe und es wurde erstmals ein Konzept einer virtuellen Fettgewebsbiopsie etabliert, ohne dass Fettgewebe durch einen kleinen Eingriff entnommen werden muss.
Durch diese verbesserten Untersuchungsmethoden, mit denen die Morphologie und Komposition des Fettgewebes bestimmt werden kann, könnten in Zukunft metabolische Erkrankungen besser und früher diagnostiziert werden. Und das ganz ohne Gewebeentnahme, sondern nur virtuell.
„In der aktuellen Studie war es uns wichtig, bessere Methoden zu etablieren, um gleichzeitig die Fettzellgröße und die Fettsäurezusammensetzung im Körper zu messen“, so Prof. Karampinos. “Damit bieten sich völlig neue Perspektiven, um in Zukunft die Risiken, die im Fettgewebe schlummern, schnell und risikolos erfassen zu können.“ (ad)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Technische Universität München: Warum bekommen übergewichtige Menschen häufiger Erkrankungen?, (Abruf: 29.11.2022), Technische Universität München
- Julius Honecker, Stefan Ruschke, Claudine Seeliger, Samantha Laber, Sophie Strobel, Priska Proll, Christoffer Nellaker, Cecilia M. Lindgren, Ulrich Kulozik, Josef Ecker, Dimitrios C. Karampinos, Melina Claussnitzer & Hans Hauner: Transcriptome and fatty-acid signatures of adipocyte hypertrophy and its non-invasive MR-based characterization in human adipose tissue; in: eBioMedicine, (veröffentlicht: 28.04.2022), eBioMedicine
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.