Angstgefühle, Stress und Alltagssorgen: Jeder fünfte leidet an Zähneknirschen
19.09.2012
Aktuelle Untersuchungen zeigten, dass in Deutschland jeder fünfte Mensch an dauerhaften Zähneknirschen leidet. Dabei werden Zahnschmelz, Kiefermuskeln- und gelenke zum Teil stark beschädigt. Nicht selten leiden die Betroffenen in Folge an Ohrensausen, Sehstörungen oder Rückenschmerzen. Mediziner gehen davon aus, dass Stress und psychische Belastungen bei der Entstehung von Zähneknirschen eine tragende Rolle spielen.
Hierzulande leidet jeder Fünfte an chronischem Zähneknirschen. Die Folgen sind meistens eine Schädigung von Kiefergelenken und Zähnen. Die meisten Patienten knirschen mit Zähnen in der Nacht oder in profanen oder stressigen Alltagssituationen. Jeder zweite Deutsche hat mindestens ein bis mehrmals im Leben diese Angewohnheit schon einmal durchlebt, wie die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in Berlin berichtet. In den meisten Fällen hört das Knirschen nach einer gewissen Zeit wieder von allein auf. „Bei einem Fünftel kommt es allerdings zu einem dauerhaften Aufeinanderpressen oder Reiben der Ober- und Unterkieferzähne mit problematischen Folgen“, sagt BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich. In der medizinischen Fachwelt wird das Phänomen auch Bruxismus genannt.
Knirschen der Zähne verursacht schwere Zahnbeschwerden und Rückenbeschwerden
Das Zähneknirschen ist nicht nur für die hörende Umwelt unangenehm. Da die Beißkraft eines Menschen sehr stark ist, werden beim Knirschen der Zähne massive Kräfte im Mund freigesetzt. Dabei wird häufig der Zahnschmelz stark beschädigt, obwohl der Schmelz die widerstandsfähigste Substanz des menschlichen Körpers ist. Zahnmediziner erkennen das Knirschen an Veränderungen der Zähne. Diese weisen beispielsweise glatt polierte Flächen und Absplitterungen oder Risse auf. In schlimmen Fällen können sich die Zähne lockern, stark abgerieben sein und der Zahnnerv ist dann nur noch von einer sehr dünnen Schicht bedeckt. „Durch das Pressen und Knirschen wird zudem die Kaumuskulatur stark angespannt, überlastet und kann punktuelle oder diffuse Schmerzen verursachen“, erklärt Dr. Oliver Ahlers von der Deutschen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und -therapie. Patienten verspüren oftmals Schmerzen in den Kiefergelenken. Nicht selten kommt es auch zu Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Schulterschmerzen, Rückenbeschwerden und Schmerzen an der Beckenmuskulatur. In einigen Fällen konnten Ärzte auch zusätzliche Ohrengeräusche und Störungen der Sehkraft beobachten.
Stress und Psyche sind oft belastet
Die Ursachen für Zähneknirschen sind sehr unterschiedlich. In vielen Fällen leiden die Patienten unter Stress, deshalb sprechen Mediziner auch von einer psychosomatischen Krankheit, erläutert der Zahnarzt Oesterreich. Psychotherapeuten vermuten, dass ursächlich unterdrückte Emotionen, Angst, Alltagssorgen oder schlimme Ereignisse wie der Tod einer nahestehenden Person sind. „Stress und Sorgen lassen Menschen Zähneknirschen“, berichtet Tobias Weinmann, Verhaltenstherapeut aus Hannover. „Das Knirschen ist eine Art Ablassventil für bewusste oder unbewusste Gefühle“.
Auch organische Ursachen sind möglich
Neben den psychischen oder emotional belastenden Auslösern können auch organische Probleme eine Ursache sein. Falsch stehende Zähne, nicht passende Kronen, Füllungen und andere orthopädische Gründe können zu Bruxismus führen. Viele wissen jedoch nichts davon, weil das Knirschen oft unbewusst stattfindet. Daher sei eine frühe Diagnose schwierig. „Nachts bekommt das Knirschen häufig nur der Bettnachbar mit“, sagt Hans-Jürgen Korn von der Deutschen Gesellschaft für Biofeedback.
Zahnschiene kann nur symptomatisch helfen
Meistens diagnostizieren Zahnärzte das Leiden. Als Standarttherapie gilt eine Zahnschiene, die die Betroffenen meist in der Nacht tragen müssen. Allerdings zielt diese Therapie lediglich darauf ab, „den Verlust weiterer Zahnhartsubstanz zu stoppen“, sagt Ahlers. Eine „Aufbissbehelfe ohne adjustierte Zahnkontakte“ soll Patienten dabei helfen, beim Zähneknirschen auf ein unerwartetes Hindernis zustoßen. Dadurch werden Ober- und Unterkiefer auseinander gebracht. Eine sogenannte Okklusionsschiene kann zusätzlich eine Kieferposition einstellen. Dabei soll der Unterkiefer stabilisiert und die Kaumuskeln entlastet werden.
Neben der mechanischem Therapie ist es wichtig, den Auslöser zu finden. Das kann jedoch nicht der Zahnarzt tun. Die Zahnmediziner können lediglich die akuten Beschwerden lindern. „Aber den Stress nimmt der Zahnarzt den Patienten nicht“, betont Oesterreich. „Helfen können Entspannungsübungen wie Autogenes Training, Yoga oder Tai Chi“ sagt Weinmann. In einigen Fällen kann auch eine Psychotherapie helfen, um Angsterkrankungen zu behandeln.
Mit Biofeedback Knirschen bewusst machen
Eine weitere Therapieform ist das Biofeedback. Dabei machen sich die Patienten das Knirschen und Pressen bewusst. Ein Sensor misst die Muskelanspannungen, der auf den Kaumuskeln angebracht wird. „Wenn es sich nicht lediglich um kurze Schluckbewegungen handelt, werden sie dem Betroffenen durch einen Warnton rückgemeldet“, erläutert Korn. Hierdurch kann „die eigene Körperwahrnehmung gestärkt werden, um besser zu merken, in welchen Situationen man auf Stress mit einer Anspannung reagiert.“ Auch Korn plädiert für Entspannungsübungen, damit Geplagte lernen, den Kiefer locker zu lassen. Eine Übung: Die Backenzähne dürfen sich nicht berühren. Dabei ist der Mund geschlossen und die Zungenspitze bleibt hinter den oberen Zähnen. Wichtig ist, im Alltag immer wieder kurz zu überprüfen, ob die beschriebene Haltung des Kiefers eingelegt ist. (sb)
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