Ärzte empört über den Vorwurf der Bestechlichkeit
24.05.2012
Nach einer aktuellen Studie im Auftrag des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen kassieren viele Ärzte sogenannte „Fangprämien“ dafür, dass sie Patienten an bestimmte Kliniken oder Kollegen überweisen. Die Ärzteschaft weißt diesen Vorwurf jedoch vehement zurück. Einen ähnlichen Vorwurf hatte es bereits 2009 gegeben.
Ärzte und Kliniken unter Generalverdacht
Wie das Nachrichtenportal „InFranken.de“ berichtet, wehren sich die Coburger Haus- und Fachärzte vehement gegen den Vorwurf der Bestechlichkeit. Sie hätten es satt, unter Generalverdacht zu stehen. Hausarzt Thomas Scheller fühlt sich wie viele andere Ärzte verdächtigt, „Fangprämien“ dafür zu kassieren, dass er seine Patienten an bestimmte Kliniken, Kollegen und Einrichtungen überweist. Zu den Beschuldigungen kam es aufgrund einer aktuellen Studie im Auftrag des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen. „Die kassieren selbst Gehälter im sechsstelligen Bereich und leisten dafür nur Lobbyarbeit", kritisiert Scheller. Bereits im Jahr 2009 gab es einen ähnlichen Vorwurf gegen die Ärzte. Daraufhin reagierten viele Coburger Mediziner mit einer öffentlich ausgehängten eidesstattlichen Erklärung, in der sie alle Bestechungsvorwürfe zurückwiesen. Zum Teil hängen die Erklärungen noch heute in den Arztpraxen. „Wir fühlen uns nur unseren Patienten verpflichtet und überweisen sie, wenn nötig, dorthin, wo sie die beste Behandlung bekommen", betont Scheller
Sind freiberufliche Ärzte bald Geschichte?
Eine derartige Bestechung wäre ein Fall für den Staatsanwalt, erklärt der Internist Helmut Keller. „Das verbietet allein schon unsere Berufsordnung. Wir entscheiden bei Überweisungen nach fachlich-medizinischen und nicht nach finanziellen Gesichtspunkten", erklärt er. Auch der Hausarzt Oliver Gregor sieht die Vorwürfe sehr kritisch und stellt einen Zusammenhang zum derzeit stattfindenden Ärztetag her. Es sei sehr wahrscheinlich, dass dort wieder finanzielle Forderungen für die Ausbildung zukünftiger Ärzte gestellt würden. „Da wird schon einmal vorgebeugt, indem die Ärzte kriminalisiert werden."
Der Hausarzt hat wie viele seiner Kollegen den Verdacht, dass es zukünftig keine freiberuflichen Ärzte mehr geben soll. Die Patienten würden dann von aktienorientierte Konzerne übernommen werden. „Und die Krankenkassen hätten uns gern als ihre Dienstboten", fügt Gregor noch hinzu. Thomas Scheller ist ähnlicher Meinung: „Wir Freiberufler stören nur das System." Es bestehe eine enge Verknüpfung der Interessen von Politik und Krankenkassen.
Abgesehen von den Ärzten besteht der Vorwurf der Korruption auch gegen die Kliniken, denn diese sollen die „Fangprämien“ für die Überweisung von Patienten zahlen. Mario Bahmann, Geschäftsführer des Coburger Klinikums erklärt dazu laut „InFranken.de“: „Dieser Vorwurf ist nicht neu. Und gerade, weil wir diese Haltung kennen, gehen wir mit diesen Dingen sehr sensibel um. Den Ärzten Geld zu bieten, kommt für uns nicht in Frage." Er räumt jedoch ein, dass dies möglicherweise in Ballungsgebieten aufgrund der Konkurrenz vorkommen könnte.
Eine enge Bindung von Klinikum zu niedergelassenen Ärzten besteht jedoch bei der Ausbildung zukünftiger Ärzte. Junge Mediziner, die ihre Ausbildung am Klinikum Coburg absolvieren, können den praktischen Teil in Praxen von niedergelassenen Ärzten durchführen. „Und dabei fließen keine Gelder", betont der Allgemeinmediziner Bernhard Hillenbrand. Dabei gebe es separate Arbeitsverträge. Die ausbildenden Ärzte würden sich zudem den erhöhten Zeitaufwand nicht einmal honorieren lassen.
Laut Studie sind Fangprämien keine Seltenheit
Studienleiter Professor Kai Bussmann vom Economy & Crime Research Center der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat gemeinsam mit seinem Team die Prämienzahlungen an Mediziner im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes untersucht. Der GKV-Spitzenverband berichtet in der Pressemitteilung, dass die Studie „auf einer Selbst- und Brancheneinschätzung medizinischer Leistungserbringer zur Kenntnis und Anwendung von Rechtsnormen sowie zur Praxis gezielter Zuweisungen“ basiere. Demnach seien Zuweisungen gegen Prämienzahlung keine Einzelfälle.
Für die Untersuchung wurden deutschlandweit 180 Angestellte in leitender Position von stationären Einrichtungen wie Krankenhäuser, Pflegeheime, Reha- und Kureinrichtungen, 600 niedergelassene Fachärzte sowie 361 Leistungserbringer aus dem nicht-ärztlichen Bereich befragt, zu denen unter anderem Apotheker, Orthopädischumacher und Sanitätshäuser gehörten. Bei der Auswertung stellte sich heraus, dass 14 Prozent der befragten Mediziner angaben, dass Zuweisungen gegen wirtschaftliche Vorteile üblich seien. 35 Prozent gaben an, dass Prämien zumindest teilweise üblich seien. 20 Prozent teilten mit, dass ein derartiges Vorgehen gegenüber anderen Ärzten oder Leistungserbringen häufig der Fall sei. In stationären Einrichtungen sind die „Fangprämien“ scheinbar an der Tagesordnung. 24 Prozent der Befragten aus diesem Bereich gaben an, dass Zuweisungen die gängige Praxis seien. (ag)
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