Ärzte klagen über zu lange Arbeitszeiten in Deutschlands Kliniken
17.02.2011
Teilweise müssen Ärzte in Kliniken bis zu 55 Stunden in der Woche arbeiten, weil rund 12.000 Arbeitsplätze in deutschen Krankenhäusern nicht besetzt sind. Der Marburger Bund warnt angesichts dieser Zahlen vor Diagnose- und Behandlungsfehlern. 41 Prozent der Mediziner gaben an, unzufrieden oder sogar sehr unzufrieden zu sein.
12 Tausend Ärztestellen unbesetzt
Immer wieder wurden in den letzten Jahren die Löhne von Ärzten in Kliniken kräftig erhöht. Dennoch scheint das Arbeitsfeld in Krankenhäusern für Mediziner unattraktiv zu sein. Nach Angaben der Ärztevereinigung „Marburger Bund“ sind rund 12.000 Arbeitsstellen in Deutschlands Kliniken durch Ärzte nicht besetzt. Angesichts des Ärztemangels warnen Ärztevertreter vor Fehldiagnosen und Behandlungsfehler. Durch den Mangel an Ärzten müssen die Klinikärzte weite Teile von Aufgabenfeldern übernehmen. Daraus resultieren massive Überstunden, teilweise klagen Mediziner über eine Wochenarbeitszeit von maximal 55 Stunden.
Bislang größte Ärztebefragung
Die Erhebung der Zahlen resultiert aus einer Mitgliederumfrage des Marburger Bundes. Der Vorsitzende des Ärztebundes machte deutlich, dass doppelt so viele Stellen unbesetzt sind, als offiziell bestätigt wird. Durch die zu hohen Arbeitszeiten sind wahrscheinlich viele Klinikärzte unkonzentriert, die Gefahr von Behandlungsfehler könne nicht mehr ausgeschlossen werden. "Wenn sich weniger Menschen um einen kümmern, als eigentlich vorgesehen, dann ist das ein Problem“ warnte der Vorsitzende des Bundes, Dr. Rudolf Henke. Um die Patienten zu schützen, müssen mehr Klinikärzte eingestellt werden, so die Forderung von Henke.
Bundesweit hatte die Vereinigung rund 12 Tausend Klinikärzte befragt. Mit dieser hohen Anzahl von Umfrageteilnehmern handelt es sich um die bislang größte Ärztebefragung dieser Art. Bei der Auswertung der Mitgliederbefragung kam zutage, dass durchschnittlich in jeder Klinikabteilung rund 1,5 Arbeitsplätze unbesetzt sind. Bei den rund 8500 Abteilungen fehlen demnach 12.000 Ärzte. Nach Angaben des Deutschen Krankenhausinstituts fehlen jedoch nur rund 6000 Ärzte. Henke betonte, der Ärztemangel in Deutschlands Kliniken wurde bislang „numerisch unterschätzt“.
120 Millionen Überstunden
Durch die Unterbesetzung müssen Deutschlands Krankenhausärzte massiv Überstunden leisten. Rund 140.000 Klinikärzte sind in Deutschland beschäftigt. Viele müssen bei einer Vollzeitstelle rund 55 Stunden pro Woche arbeiten. Der Marburger Bund errechnete aus den Umfragewerten eine Überstundenanzahl von 120 Millionen. „Die Krankenhausärzte arbeiten nach wie vor am Limit. Die Arbeitsbelastung ist teilweise unerträglich hoch“ konstatiert Henke. Die Wochenarbeitszeiten von 60 Stunden und mehr haben zwar im Vergleich zu 2007 um fünf Prozent abgenommen, insgesamt arbeiten aber immer noch 76 Prozent der Vollzeitbeschäftigten 50 Stunden und mehr pro Woche. Daher beurteilten auch 41 Prozent der Befragten ihre Arbeitsbedingungen als schlecht oder sehr schlecht.
Stress und Überbelastung führen zu Diagnosefehlern
Die Bundesärztekammer in Berlin stellte unlängst die aktuelle Statistik der Behandlungsfehler vor. Dabei fiel auf, dass es immer wieder zu Falschdiagnosen und Behandlungsfehlern kommt, weil Ärzte unter Stress und Dauerbelastung stehen. Viele Ärzte sind im Berufsalltag 24 Stunden im Dauereinsatz, weil sie den Ärztemangel kompensieren müssen. Eine Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler in Düsseldorf kam zu dem Ergebnis, dass die Mediziner in Kliniken kaum Kapazitäten haben, erste Anamnese Gespräche in angemessener Zeit durchzuführen. Für ausreichende Patientengespräche bliebe kaum Zeit. Die Kommission sieht hierbei den Hauptgrund für falsch Falschdiagnosen.
Hoher bürokratischer Aufwand
Der Marburger Bund kritisierte zudem, dass Krankenhausärzte zusätzlich einem enormen Bürokratismus ausgesetzt sind. Für das Bearbeiten von Berichten müssen die Mediziner jeden Tag rund zwei Stunden aufbringen. Diese Zeit fehle dann wieder zur Behandlung von Patienten. Damit der Fachkräftemangel in Deutschlands Kliniken wieder bereinigt wird, fordert der Marburger Bund mehr finanzielle Mittel für Kliniken. „Ohne die Wirkung unserer arztspezifischen Tarifverträge wäre der Abwanderungsdruck noch erheblich größer, erklärte Henke. Die ausgehandelten Tariferhöhungen stellen demnach einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit in den Kliniken dar. Nun muss die Politik diskutieren, wie dem Ärztemangel wirksam begegnet wird, fügte der Ärztevertreter hinzu.
Kliniklandschaft muss modernisiert werden
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) hält dagegen und machte darauf aufmerksam, dass die Kliniken noch nie so hohe finanzielle Mittel zugeteilt bekamen, wie es in jetzt der Fall ist. 2011 erhalten die Krankenhäuser Zuweisungen von über 60 Milliarden Euro. Die Kliniken selbst müssten Modernisierungsmaßnahmen umsetzen, so die Forderung des GKV Verbandes. (sb)
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Bild: Michael Bührke / pixelio.de
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