Ein Großteil der Aidskranken hat sich beim ungeschütztem Sex mit HIV infiziert. Dies teilte die Deutsche Aids-Hilfe e.V. anlässlich des Welt-Aids-Tags mit. In diesem Kontext hat ein Pharmaunternehmen ein neues Medikament vorgestellt, dass vor HIV-Infektionen schützen soll. Das neue Arzneimittel steht allerdings unter heftiger Kritik.
24.11.2010
Nachdem das Robert-Koch-Institut (RKI) im Vorfeld des Welt-Aids-Tags darauf hinwies, dass sich in Deutschland jährlich immer noch rund 3.000 Menschen mit HIV infizieren und insgesamt rund 70.000 Aidskranke hierzulande leben, ist die Diskussion über die richtigen Präventionsmaßnahmen und den Umgang mit den Betroffenen in vollem Gange. So erklärte die Deutsche Aids-Hilfe, dass sich rund 90 Prozent der HIV-Infizierten beim ungeschützten Geschlechtsverkehr angesteckt haben. Die Initiatoren des Welt-Aids-Tags ergänzten, dass der Umgang der Gesellschaft mit dem Thema Aids dabei bis heute schwierig sei. Denn viele Menschen unterschätzen das Infektionsrisiko und die Reaktion der Mitmenschen auf eine Erkrankung in ihrem persönlichen Umfeld ist oft verständnislos, ablehnend oder ausgrenzend, so die Aussage der Fachleute.
Kampagne zum Welt-Aids-Tag
Zum Welt-Aids-Tag startet die Deutsche Aids-Hilfe daher die bundesweite Kampagne „Positiv zusammen leben – aber sicher“, welche einerseits dazu beitragen soll, Stigmatisierung und Diskriminierung HIV-Infizierter abzubauen und anderseits die Bevölkerung für einen effektiven Selbstschutz sensibilisieren möchte. Denn laut der Deutschen Aids-Hilfe haben sich rund 90 Prozent der Betroffenen beim ungeschützten Geschlechtsverkehr angesteckt, wobei die meisten davon männlich seien. Betroffen seien entgegen den verbreiteten Vorurteilen keineswegs nur Schwule, sondern ebenfalls heterosexuelle Männer. Allerdings bilden die homosexuellen Männer mit rund 42.000 der 70.000 Infektionen insgesamt immer noch den mit Abstand größten Anteil unter den HIV-Infizierten, so die Angaben des RKI. Kondome bieten hier einen effektiven Schutz, durch den die Infektionen beim Geschlechtsverkehr hätten vermieden werden können, erklärte die Deutsche Aids-Hilfe weiter. Dabei ist „jeder (…) selbst für sich verantwortlich und kann sich schützen", betonte Bernhard Eberhardt von der Aids-Hilfe.
30 Prozent der HIV-Infizierten wissen von ihrer Infektion noch nichts
Wie Waltraud Schwendele von der Deutschen Aids-Hilfe im Pressegespräch mitteilte, wissen „etwa 30 Prozent der Infizierten (…) noch nichts von ihrer Infizierung“. Daher appelliert die Deutsche Aids-Hilfe ebenso wie die Ärztin Cornelia Otto vom Gesundheitsamt an Menschen, die ungeschützten Sex mit flüchtigen Bekannten hatten, sich testen zu lassen. Damit würden sie einerseits das Infektionsrisiko für andere verringern, denn oft übertragen Betroffenen unwissend den Erreger und anderseits würden sie die Behandlungschancen für sich selber verbessern. Je früher die Infektion erkannt wird, desto mehr Möglichkeiten bieten sich in der Therapie. So erklärte auch Bernhard Eberhardt: „Aids ist heute vermeidbar, wenn die Behandlung früh einsetzt.“ Die Ärztin vom Gesundheitsamt, Cornelia Otto betonte, dass auch die Medikamente immer besser geworden seien, das heißt die Wirksamkeit erhöht und die Nebenwirkungen verringert wurden. Heute kommen die Patienten teilweise mit einer Tablette am Tag aus, wobei es „früher (…) zum Teil 20" waren, erläuterte die Expertin.
Bei optimaler Behandlung, habe ein HIV-Infizierter heutzutage so wenig Viren im Körper, dass er sie so gut wie nicht mehr weitergeben kann, ergänzte Waltraud Schwendele. Um möglichst alle Infektionen frühzeitig zu erkennen, bietet die Aids-Hilfe in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt einmal pro Monat Schnelltests an, welche relativ gut angenommen werden. Neben Personen aus den Risikogruppen, lassen sich auch häufiger Paare, die länger zusammenbleiben und auf Kondome verzichten wollen, vorsorglich untersuchen, erklärte die Deutsche Aids-Hilfe.
Neues Medikament soll vor HIV-Infektion schützen
Während die HIV-Prävention durch entsprechenden Schutz beim Geschlechtsverkehr eine effiziente Methode ist einer Erkrankung vorzubeugen, sind zahlreiche Forscher und Pharmahersteller bereits auf der Suche nach einem Medikament, das präventiv eingenommen vor einer HIV-Infektion schützt. Dabei konnten sie nun weitere Erfolge erreichen, wie Robert Grant und Kollegen von der Universität von Kalifornien in San Francisco in der aktuellen Ausgabe des „New England Journal of Medicine“ berichten. So hätten die Wissenschaftler im Rahmen einer Studie mit 2.499 gesunden Männer aus Südamerika, Südafrika, Thailand und den USA, die regelmäßig Geschlechtsverkehr mit anderen Männern hatten, nachweisen können, dass mit der präventiven Einnahme des Medikaments „Truvada“ die Anzahl der HIV-Infektionen um knapp 44 Prozent zurückgegangen ist. Bei den Probanden, die das Präparat an mindestens 90 Prozent der Tage einnahmen, habe sich das Infektionsrisiko sogar um 72,8 Prozent reduziert, berichteten die Wissenschaftler weiter. Im Gegensatz zu bisher untersuchten präventiv eingesetzten Arzneimitteln, hätten die Teilnehmer in dem Studienzeitraum von 14 Monaten nur relativ selten unter Nebenwirkungen gelitten, so die Aussage der US-Forscher. Hier wittern die Pharmahersteller bereits lukrative Geschäfte, denn mit einem Präparat, das kontinuierlich präventiv eingenommen werden muss, um sich vor einer HIV-Infektion zu schützen, ließe wahrlich eine Menge Geld verdienen.
Neues Medikament zur Aids- Prävention steht in der Kritik
Das mit Hilfe von präventiv eingenommenen Medikamenten das Risiko einer HIV-Infektion verringert werden kann, ist in der Fachwelt bereits seit langem bekannt. Doch das Vorgehen ist nicht unumstritten. So erklärte zum Beispiel der Aids-Forscher vom Universitätsklinikum Essen, Dr. Stefan Esser, dass er es „ethisch fragwürdig“ findet, wenn statt den Infizierten die Gesunden mit Medikamenten behandelt werden. Auch mit der medikamentösen Behandlung der Aidskranken, lässt sich das Infektionsrisiko für alle anderen minimieren und gleichzeitig werde den Betroffenen geholfen. Es sei sinnvoller, statt den gesunden den infizierten Personen Medikamente zu geben. So ließe sich das Leben der Aidskranken retten und gleichzeitig seien die Sexualpartner relativ gut vor einer Erkrankung geschützt, betonte der Essener Aids-Forscher.
Durch die medikamentöse Behandlung, werden die Erreger im Körper der HIV-Infizierten soweit verringert, dass das Infektionsrisiko für den Partner beim Geschlechtsverkehr um 90 Prozent reduziert werden kann. Angesichts einer Verringerung des Infektionsrisikos von maximal knapp 73 Prozent, die sich in der aktuellen Studie durch die präventive Einnahme von „Truvada“ ergab, sind 90 Prozent ein doch sehr überzeugender Wert. So mag es zwar in Einzelfällen gerechtfertigt sein, dass zum Beispiel medizinisches Personal, das mit dem Erreger in Kontakt kommt, präventiv Medikamente erhält, um einer HIV-Infektion vorzubeugen, doch generell scheint eher die medikamentöse Behandlung der Betroffenen angebracht. Einig sind sich die Experten darin, dass bis heute die Verwendung eines Kondoms den besten Infektionsschutz bietet. (fp)
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