Gesundheitsrisiko bei Alkohol wird vielfach unterschätzt
04.04.2013
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hat das „Jahrbuch Sucht 2013“ veröffentlicht. Darin weisen die Experten explizit auf die gefährlichen Tendenzen bei dem oftmals verharmlosten und unterschätzten Alkoholkonsum hin. Alkohol sei einer der häufigsten Auslöser für Krankenhauseinlieferungen und bereits kleine Mengen können langfristig eine schwerwiegende Wirkung auf die Gesundheit haben, warnt die DHS in einer aktuellen Pressemitteilung. Auch die Risiken des deutlich gestiegen Konsums der Modedroge Crystal Meth werden in dem Jahrbuch thematisiert.
„Die Diagnose Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol ist die dritthäufigste in der Krankenhausstatistik, bei Männern sogar die häufigste Diagnose der vollstationär behandelten Patienten“, berichtet die DHS. Hinzu kommen laut Angaben der Experten typische alkoholbedingte Erkrankungen, wie eine „Leberzirrhose, alkoholbedingte Bauchspeicheldrüsenentzündung, alkoholbedingte Krebserkrankungen sowie Unfälle und Verletzungen unter Alkoholeinfluss.“ Bei anderen Drogen, wie beispielsweise Crystal Meth, mögen die Gesundheitsschäden zwar noch dramatischer sein, doch angesichts des hohen Konsums bleiben Alkohol und Tabak weiterhin die Drogen mit den weitreichendsten Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung.
Modedroge Crystal Meth in Deutschland auf dem Vormarsch?
Doch Alkohol ist keineswegs die einzige Droge mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, die sich einer wachsenden Beliebtheit erfreut. In einem gesonderten Beitrag widmet sich die DHS auch dem steigenden Konsum der Modedroge Crystal Meth. Diese führt zu einem extremen körperlichen und psychischen Verfall und hat zudem ein äußerst hohes Suchtpotenzial. Zu den zerstörerischen Folgen zählen laut Angaben der DHS auch eine erhöhte Aggressivität, Gewalttätigkeit, Verfolgungswahn und vermehrte Suizide. „Darüber hinaus führt der Konsum meist zu deutlichen und teils irreversiblen Defiziten der kognitiven Funktionen“, berichten die Suchtexperten.
Risiken des Alkoholkonsums unterschätzt
Bei dem Alkoholkonsum ist laut Angaben der DHS das größte Problem, dass die meisten Menschen sich den Gesundheitsrisiken des Alkoholkonsums nicht bewusst sind. Denn nicht allein die Vieltrinker setzen ihre Gesundheit aufs Spiel. „Schon Alkoholmengen, die von den meisten als gering betrachtet werden, können – regelmäßig konsumiert – die Organe schädigen, das Krebsrisiko steigern und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt verursachen“, erläutern die Experten für Suchtfragen. Angesichts der angegebenen durchschnittlichen Konsummengen in dem „Jahrbuch Sucht 2013“ ist jedoch ohnehin davon auszugehen, dass zahlreiche Menschen in Deutschland extrem viel Alkohol pro Jahr konsumieren.
Eine Badewanne voll Alkohol pro Jahr
Inklusive Nichttrinkern liegt die durchschnittliche Menge des konsumierten reinen Alkohols in Deutschland laut Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen bei 9,6 Litern pro Kopf. „Das sind für jede/n circa 325 Flaschen Bier (107,2 Liter), 27 Flaschen Wein (20,2 Liter), 5,5 Flaschen Schaumwein (4,1 Liter) und über 7 Flaschen Spirituosen (5,4 Liter)“, berichtet die gemeinnützige Organisation. „Die Menge entspricht dem Inhalt einer haushaltsüblichen Badewanne, randvoll gefüllt“, so die Mitteilung der DHS. Den Ausführungen der Experten zufolge sterben „an den Folgen des Alkoholkonsums allein oder in Kombination mit dem Rauchen in Deutschland jährlich 74.000 Menschen.“ Als relativ risikoarm sei der Alkoholkonsum lediglich zu bezeichnen, solange nicht mehr als 12 Gramm reiner Alkohol pro Tag von Frauen und 24 Gramm Alkohol pro Tag von Männern aufgenommen werden. Allerdings enthält bereits ein kleines Bier (0,3 Liter) laut Angaben der Experten rund 13 Gramm reinen Alkohol. Bei einem Glas Wein (0,2 Liter) werden rund 16 Gramm erreicht.
Volkswirtschaftliche Schaden in Milliardenhöhe durch Alkohol
Der Gesellschaft entsteht den Zahlen der DHS zufolge durch den Alkoholkonsum auch ein erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden. Denn in Deutschland belaufen sich die geschätzten volkswirtschaftliche Kosten laut DHS auf rund 26,7 Milliarden Euro. Für ganz Europa werde der Schaden auf rund 270 Milliarden Euro geschätzt. Dabei seien „nicht nur die unmittelbaren Behandlungskosten der alkoholbedingten Erkrankungen, sondern auch die wirtschaftlichen Verluste durch Fehlzeiten am Arbeitsplatz, Frühberentung und Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit“ mit berücksichtigt.
Verbesserung der Alkoholprävention gefordert
Die negativen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Alkoholkonsums ließen sich nach Auffassung der Suchtexperten durch eine verbesserte Alkoholprävention deutlich reduzieren. Mit Förderung der Europäische Kommission wurden daher mögliche effiziente Präventionsmaßnahmen in 22 europäische Länder getestet und bewertet, wobei die Wissenschaftler zu dem Ergebnis kamen, dass „Preisanhebungen durch Steuererhöhungen, zeitliche Begrenzung des Verkaufs, Promillekontrollen im Straßenverkehr und eine effektive gesetzliche Regulierung der Werbung“ die am besten geeigneten Präventionsmaßnahmen sind.
Anstieg des Crystal-Konsums lokal begrenzt?
Die DHS widmet sich in dem „Jahrbuch Sucht 2013“ auch dem zunehmenden Konsum von Crystal Meth (N-Methylamphetamin), der vor allem in Bayern und Sachsen verzeichnet wurde. Diese relativ einfach herzustellende Droge werde den Amphetaminen zugerechnet und zeige zunächst „eine stimulierende Wirkung auf das Zentrale Nervensystem, erhöht Herztätigkeit und Blutdruck, erzeugt Gefühle von Euphorie und verstärkter Wachheit.“ Aus den Angaben der Polizei gehe hervor, dass die Verbreitung der Droge im Jahr 2011 gegenüber den Vorjahren deutlich gestiegen ist. Hier wurde ein Anstieg um 48,8 Prozent bei der Sicherstellungsmenge und von 163,7 Prozent bei den erstauffälligen Drogenkonsumenten/-innen registriert. Allerdings bleibe die Problematik bislang auf wenige Gebiete in Deutschland, wie Sachsen und das bayerisch-tschechische Grenzgebiet, beschränkt.
Repräsentative Studien zur Verbreitung von Crystal Meth gefordert
Im Zusammenhang mit dem Suchtbericht der Bundesregierung wurde vergangenes Jahr davor gewarnt, dass derzeit Crystal die gefährlichste Droge auf dem Markt sei. Doch bevor hier Panik ausgelöst werde, sollte laut Angaben der DHS zunächst untersucht werden, wie verbreitet Crystal Meth in Deutschland tatsächlich ist. Bisher bleibe der massive Anstieg des Crystal-Konsums offenbar regional begrenzt. Hier seien repräsentative Studien zur Verbreitung des Crystal Meths erforderlich, um eine Aussage über die Entwicklung des Crystal-Konsums treffen zu können, so das Fazit der DHS. Auch müsse „die Kommunikation über Crystal Meth auf eine aufklärende, zielgruppenspezifische Weise geschehen.“ Denn – wie die meisten psychoaktiv wirkende Substanzen – werde Crystal konsumiert, weil sich die Konsumenten/-innen davon bestimmte Wirkungen versprechen. „Dies gilt sowohl für die legalen Substanzen Alkohol und Tabak als auch für die illegalen Substanzen“, so die Mitteilung der DHS. Crystal wirke hier möglicherweise besonders verlockend, da das Wirkspektrum ideal zu den Anforderungen der heutigen Zeit passe: „Immer schneller, immer länger. Und dabei immer besser drauf sein!“ Wenn sich hier das Konsumverhalten junger Menschen ändern soll, dann müsse „sich auch die gesellschaftliche Bewertung und Darstellung von Erfolg und Misserfolg, von Arbeit und Freizeit, von Leistung und Leistungsgerechtigkeit wandeln“, betont die DHS. (fp)
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