Höheres Risiko für Herzkrankheiten bei Autoimmunerkrankungen
Personen, die von einer Autoimmunerkrankung betroffen sind, haben laut einer großen epidemiologischen Studie auch ein wesentlich höheres Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.
Forschende der KU Leuven in Belgien haben gezeigt, dass Menschen, die unter einer Autoimmunerkrankung wie beispielsweise rheumatoider Arthritis, Schuppenflechte oder systemischer Sklerose leiden auch ein deutlich höheres Risiko haben, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Die Ergebnisse wurden kürzlich in dem renommierten Fachjournal „The Lancet“ vorgestellt.
Kardiovaskuläre Risiken durch Autoimmunerkrankungen
Die Forschungsergebnisse zeigen erstmals eine deutliche Verbindung zwischen kardiovaskulären Risiken und Autoimmunerkrankungen. Vor allem bei jungen Betroffenen mit Autoimmunerkrankungen ist das Risiko, zusätzlich eine Herzkrankheit zu entwickeln, laut der Studie besonders hoch.
Rund jede zehnte Person hat eine Autoimmunerkrankung
In Europa und den USA wird bei rund jeder zehnten Person eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert, darunter beispielsweise
- rheumatoide Arthritis,
- Psoriasis (Schuppenflechte),
- systemische Sklerose,
- Lupus erythematodes,
- Typ-I-Diabetes.
Frühere Studien haben bereits eine Verbindung zwischen Autoimmunerkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen angedeutet, waren jedoch zu klein, um als schlüssige Beweise zu reichen, die eine Veränderung in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen herbeiführen könnten.
Die nun vorliegende Forschungsarbeit, die auf dem Jahreskongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in Barcelona vorgestellt wurde, könnte dies ändern.
Deutliche Verbindung aufgezeigt
Die Ergebnisse zeigen eine deutliche Verbindung zwischen neunzehn der am häufigsten vorkommenden Autoimmunerkrankungen und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Risiko gegenüber Menschen ohne Autoimmunerkrankungen ist demnach je nach Krankheit um den Faktor 1,4 bis 3,6 erhöht.
Außerdem belegte das Team, dass rund sechs Prozent aller Herzkrankheiten auf Autoimmunerkrankungen zurückzuführen sind. Da das erhöhte Risiko für das gesamte Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählt, deuten die Ergebnisse zudem darauf hin, dass sich Autoimmunerkrankungen stärker auf die kardiovaskuläre Gesundheit auswirken, als bislang angenommen.
Ergebnisse basieren auf Daten von 22 Millionen Personen
Für die Studie wurden elektronische Datensätze aus dem sogenannten Clinical Practice Research Datalink (CPRD) analysiert. Diese Datenbank umfasst 22 Millionen Gesundheitsakten von Patientinnen und Patienten in Großbritannien.
Die Auswertung der Daten zeigt, dass Personen, bei denen eine Autoimmunerkrankung diagnostiziert wurde, gegenüber Personen, bei denen keine Autoimmunerkrankung diagnostiziert wurde, im Durchschnitt ein 1,56-fach erhöhtes Risiko haben, im weiteren Verlauf des Lebens eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.
Bei den Autoimmunerkrankungen systemische Sklerose, Morbus Addison, Lupus und Typ-I-Diabetes wurde das höchste Risiko für das Auftreten einer Herz-Kreislauf-Erkrankung ermittelt.
Bedarf an gezielten Präventionsmaßnahmen
Studienhauptautorin Nathalie Conrad verdeutlicht, dass die Forschungsergebnisse einen deutlichen Handlungsbedarf anzeigen. „Wir sehen, dass das erhöhte Risiko für Herzkrankheiten mit dem von Typ-2-Diabetes vergleichbar ist“, betont Conrad.
Derzeit werden Autoimmunerkrankungen jedoch nicht mal als Risikofaktor in gängigen Leitlinien für kardiovaskuläre Erkrankungen erwähnt. Demnach gibt es derzeit auch keine spezifischen Empfehlungen oder Präventionsmaßnahmen für Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen.
Ergebnisse könnten das Bewusstsein schärfen
Die Arbeitsgruppe hofft daher, dass die vorliegende Studie das Bewusstsein sowohl bei Betroffenen als auch bei Medizinerinnen und Medizinern schärft. „Wir müssen gezielte Präventionsmaßnahmen für diese Patienten entwickeln“, unterstreicht Conrad.
Zudem muss ihr zufolge besser verstanden werden, warum diese Verbindung zwischen Autoimmunerkrankung und dem häufigeren Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen besteht. Nur so können Maßnahmen entwickelt werden, die das Zusatzrisiko effektiv senken können.
Warum sind Herz- und Autoimmunerkrankungen verbunden?
„Die allgemeine Hypothese ist, dass chronische und systemische Entzündungen, die ein gemeinsamer Nenner bei Autoimmunerkrankungen sind, alle Arten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen können“, erklärt Conrad.
„Die Auswirkungen von Autoimmunerkrankungen auf das Bindegewebe, die kleinen Gefäße und die Kardiomyozyten und möglicherweise auch einige der üblicherweise zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzten Therapien tragen wahrscheinlich ebenfalls zum kardiovaskulären Risiko der Patienten bei“, resümiert die Studienautorin. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Nathalie Conrad, Geert Verbeke, Geert Molenbergh, et al.: Autoimmune diseases and cardiovascular risk: a population-based study on 19 autoimmune diseases and 12 cardiovascular diseases in 22 million individuals in the UK; in: The Lancet (2022), thelancet.com
- KU Leuven: Autoimmune disorders increase risk of cardiovascular disease (veröffentlicht: 27.08.2022), nieuws.kuleuven.be
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.