Viele Allergiker erhalten keine ausreichende medizinische Versorgung
05.09.2013
Ob Pollen, Nüsse oder Tierhaare: Allergiker haben es oft nicht leicht, denn viele Betroffene erhalten keine ausreichende medizinische Versorgung. Experten raten eindringlich, Allergien mit ausreichendem Ernst zu betrachten, denn mittlerweile leiden rund 20 Millionen Menschen unter allergischen Reaktionen und Symptomen wie beispielsweise starkem Schnupfen, Juckender Hautausschlag oder Atemnot.
Mittlerweile rund 20 Millionen Allergiker
Heuschnupfen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Hausstaubmilben: Immer mehr Menschen sind von Allergien betroffen, allein in Deutschland gibt es mittlerweile rund 20 Millionen Allergiker. Trotz steigender Zahlen, ist die medizinische Versorgung häufig unzureichend. Zu diesem Ergebnis ist nun eine Studie der Universität Duisburg-Essen gekommen. Während beispielsweise die Zahl der Personen, die unter Heuschnupfen und Asthma leiden, von 2007 bis 2010 um 0,4 bzw. 8,7 Prozent angestiegen ist, gab es bei den Behandlungen im gleichen Zeitraum einen deutlichen Rückgang.
Aktuelle Studie auf dem 8. Deutschen Allergiekongress vorgestellt
Wie der Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA) auf dem 8. Deutschen Allergiekongress in Bochum erläuterte, sei demnach die Anzahl der Heuschnupfen-Patienten und der Asthmatiker insgesamt um 13 Prozent gesunken. Allergologische Behandlungen bei Asthma waren dabei zu rund 27 Prozent weniger berechnet worden, bei Heuschnupfen konnte sogar ein Rückgang von 31 Prozent verzeichnet werden. Für die Studie hatte der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen im Auftrag des Ärzteverbandes die Daten von 40 Millionen Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen hinsichtlich der Behandlung bei Allergien untersucht.
„Allergien sind zur Volkskrankheit geworden“
Laut Prof. Dr. Eckard Hamelmann bestehe genau hier die Gefahr, dass allergische Krankheiten nicht ernst genommen werden, denn „Allergien sind zur Volkskrankheit geworden. Obwohl jeder fünfte Mensch im Laufe seines Lebens von einer allergischen Erkrankung betroffen ist, wird das Risiko einer Allergie vielfach bagatellisiert – sowohl von den Betroffenen oder ihren Angehörigen als auch von den behandelnden Medizinern.“
Sinkende Bereitschaft unter Medizinern für Zusatzausbildung zum Allergologen
Auch für AeDa-Vizepräsident Ludger Klimek lassen die Ergebnisse der Studie tief blicken, denn diese zeige, dass "etwas grundlegend schief läuft – über alle Fachgruppen hinweg. Die Bereitschaft unter Ärzten, sich für eine Zusatzausbildung zum Allergologen zu melden, ist in den vergangen zehn Jahren um zwei Drittel zurückgegangen." Verantwortlich für die sinkende Motivation sei nach Ansicht Klimeks unter anderem das Honorarsystem – denn für die Behandlung von Allergien würden die Mediziner nicht entsprechend entlohnt. Dies hätte jedoch erhebliche Folgen, denn "was wir hier kurzfristig im Gesundheitssystem einsparen, müssen wir langfristig teuer mit einem Plus an chronischen Erkrankungen bezahlen", so Vizepräsident Ludger Klimek weiter.
Jedes dritte Kind wächst mit dem Risiko auf, krank zu werden
Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGKAI), Harald Renz, stellte auf dem Kongress klar seinen seinen Standpunkt dar und forderte ein grundsätzliches Umdenken in Hinblick auf Allergien. So würde laut Renz mittlerweile jedes dritte Kind mit dem Risiko aufwachsen, krank zu werden – dennoch würden Allergien weiterhin bagatellisiert. So würde beispielsweise bei Asthma in jedem fünften Fall die Behandlung nicht anschlagen, sodass dem Patienten auf diesem Wege nicht geholfen werden kann. Daher fordert Renz Änderungen in allen Bereichen – zum einen bereits während des Studiums der Medizin, aber auch bei der Ausstattung der Universitäten.
Verschiebung und Ausdehnung der Pollenflugzeiten verschärfen die Problematik
Doch in Hinblick auf Allergien besteht in der Mangelversorgung nicht das einzige Problem. Hinzu kommt eine Verschiebung und Ausdehnung der Pollenflugzeiten, die durch das veränderte Klima verursacht wird. Denn „wenn es wärmer wird, verschieben sich die Blütezeiten", so der Leiter der Allergologie der Universitätsmedizin Göttingen und Vorstandsmitglied des AeDA, Thomas Fuchs. Dementsprechend könne davon ausgegangen werden, dass Pollen bereits von Mitte Dezember an bis in den Oktober hinein fliegen werden. In der Folge sollten Heuschnupfen-Betroffene optimalerweise direkt einen Allergologen aufsuchen, denn einfache Anwendungen wie das Kühlen der Augen oder Waschen des Gesichts würden zumeist keinen langfristigen Effekt bringen.
Bei Verdacht auf Heuschnupfen am besten gleich zum Spezialisten
Der Besuch beim Spezialisten in der Pollenflugzeit zwischen März und Oktober könne hingegen sehr aufschlussreich sein, denn mittels eines Bluttests könnten Allergien eindeutig diagnostiziert werden. Eine weitere Möglichkeit zur Diagnose besteht in einem Hauttest, bei dem Allergene direkt auf die Haut aufgetragen werden, um zu testen, auf welche der Patient allergische reagiert. Doch einen solchen Hautest sollten Betroffene auf Anraten des Experten Fuchs besser in der pollenfreien Zeit durchführen lassen, da die Haut während der „Allergie-Saison“ ohnehin schon sehr gereizt ist.
Nach Allergie-Diagnose umgehend mit der Therapie beginnen
Sobald eine Allergie diagnostiziert ist, sollte laut Fuchs auf jeden Fall sofort mit der Behandlung begonnen werden, zum Beispiel mit Kortison-Spray für die Nase und so genannten „Antihistaminika“, Wirkstoffen, welche die Effekte der körpereigenen Substanz Histamin aufheben. Doch damit sei nach Ansicht Fuchs nicht genug, denn "die akute Therapie muss durch eine allergenspezifische Immuntherapie ergänzt werden." Diese bestehe darin, dass der Betroffene Allergene entweder per Spritze oder in Tablettenform zu sich nimmt. Wichtig sei dabei jedoch, dass diese so genannte „Immunisierung“ über drei bis fünf Jahre lang ohne Pause durchgeführt werde und zudem in der allergiefreien Zeit begonnen wird.
Allergien keinesfalls unterschätzen
Generell appelliert auch Fuchs, Allergien nicht zu unterschätzen, denn eine vermeintlich harmlose Reaktion könne schnell chronisch werden und im schlimmsten Falle sogar zur Arbeitsunfähigkeit führen. So würden dem Experten nach „bei 90 Prozent der Betroffenen [.] die Allergie bei nicht richtiger Behandlung schlimmer“ werden, zudem bestehe für Allergiker ein erhöhtes Risiko, zusätzlich von einer Nahrungsmittelallergie heimgesucht zu werden.
„Große Gefahr bei einer Allergie ist der Etagenwechsel“
Auch Dr. Kirsten Jung, Präsidentin des AeDA, warnt vor einer Bagatellisierung, denn „die große Gefahr bei einer Allergie ist der Etagenwechsel.“ So würde sich aus einem scheinbar harmlosen Heuschnupfen „bei jedem vierten Patienten im Laufe seines Lebens ein allergisches Asthma“ entwickeln – daher müsse die Versorgung der Allergiekranken sehr ernst genommen werden: „Gerade deshalb ist die frühzeitige Behandlung gegen das spezifische Allergen so wichtig, damit nicht noch weitere Fehltritte des Immunsystems gegen andere Allergene mit auftreten und am Ende der Patient Kreuzallergien gegen alle möglichen Stoffe aufweist“, so die AeDA-Vorsitzende. (ag)
Bild: S. Hofschlaeger / pixelio.de
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