Wissenschaftler forschen nach Alternativen zu Tierversuchen
04.02.2014
Alles, was in irgendeiner Form mit Menschen in Berührung kommt, wird vorher in Tierversuchen auf eine mögliche schädigende Wirkung getestet. Überprüft werden dabei Medikamente, Chemikalien, Wasch – und Putzmittel, Cremes, Lebensmittel, Gase und vieles mehr. Im Mittelpunkt der Versuche stehen vor allem die Giftigkeit (Toxizität), mögliche Schädigungen für Föten im Mutterleib (Teratogenität), Erbgutschädigungen (Mutagenität) und ob die Produkte eine krebserzeugende Eigenschaft haben (Kanzerogenität). Damit die Produkte auf breiter Ebene kommerziell eingesetzt werden dürfen, konzentrieren sich die Versuche auch auf mögliche schädigende Einflüsse auf die Umwelt.
Doch nicht alle Menschen sehen in den Tierversuchen einen wirklichen Nutzen und die Frage nach den ethischen Gesichtspunkten bietet schon länger Stoff für Diskussionen.
Die USA sind Vorreiter bei Alternativen zu Tierversuchen
Dies ist auch mit ein Grund, warum die USA schon seit längerem nach Alternativen zu Tests an Tieren forschen. Allein im letzten Jahr wurden dafür etwa 150 Millionen Euro bereitgestellt. In Europa stecken die Bemühungen im Vergleich dazu noch in den Kinderschuhen. Hier wurde in den vergangenen 15 Jahren gerade einmal diese Summe von der EU für Forschungen ausgegeben.
So hatten US- Wissenschaftler an der Universität Harvard zum Beispiel eine Art Mini-Lunge entwickelt, die in der Lage ist zu atmen. Das Ziel dabei ist, mehrere Organe wie etwa Herz, Nieren, Lunge und Leber herzustellen, um einen „Menschen auf dem Chip“ zu erhalten, erklärt der Toxikologe Marcel Leist von der Universität Konstanz gegenüber der Nachrichtenagentur „dpa“. In Deutschland ist er der einzige, der einen Lehrstuhl für Alternativen zu Tierversuchen innehat. Tag für Tag sucht er mit seinem Team nach Möglichkeiten, wie sich Tierversuche vermeiden lassen oder wie man sie möglichst schmerz- und stressfrei für die Tiere durchführen kann. "Wir wollen die Gesamtmenge Leiden verringern", erläutert der Toxikologe.
Leist, der das 2010 gegründete Zentrum für Alternativen zum Tierversuch in Europa (CAAT-Europe) leitet, erzählt aber auch von dem in Europa praktizierten In-Vitro-Verfahren, bei denen Substanzen in der Petrischale an menschlichen oder tierischen Zellen getestet werden. Doch das Verfahren alleine reicht nicht aus, um eine Ungefährlichkeit gegenüber Menschen zu belegen. Tierversuche bleiben leider weiterhin Bestandteil von Zulassungsverfahren. "Was in 100 oder 200 Jahren ist, weiß man nicht. Aber in den nächsten 20 Jahren sind sie noch absolut unverzichtbar“, erläutert er.
2012 wurden fast 3,1 Millionen Tiere in Tierversuchen deutschlandweit getötet
Schaut man sich die Angaben des Landesagrarministeriums genauer an, erkennt man wie weit wir noch von einem Verzicht auf Tierexperimente entfernt sind. Allein im Südwesten Deutschlands wurden im Jahr 2012 mehr als 544 000 Wirbeltiere in Tierversuchen eingesetzt oder für wissenschaftliche Zwecke getötet. Im gesamten Bundesgebiet waren es knapp 3,1 Millionen Tiere, wie aus der Statistik hervorgeht. Mehr als 2,2 Millionen Mäuse, außerdem 418 000 Ratten, 166 000 Fische und 97 000 Kaninchen haben im Zuge der Wissenschaft ihr Leben gegeben. Die offiziellen Statistiken sagen aber bei weitem nichts über das Leid der einzelnen Tiere in den Versuchen aus. Tierschützer und auch einige Wissenschaftler, fordern aus ethischen Gründen ein Ende der Tierversuche. "Das Quälen und leidvolle Töten von Tieren ist moralisch verwerflich", heißt es beim Verein "Ärzte gegen Tierversuche". Denn auch Tiere haben ein Recht auf ein artgemäßes Leben und vor allem auf Unversehrtheit. Das die Tiere nach Belieben zu Messinstrumenten umfunktioniert und nach Gebrauch weggeworfen werden, spiegelt den ethischen und moralischen Zustand unserer Gesellschaft wider.
Tierversuche allein reichen nicht aus
Das Paradoxe an den Versuchen ist auch, dass diese allein nicht immer ausreichen, um ein Produkt als ungefährlich einstufen zu können. Bei Medikamenten zum Beispiel müssen weitere Tests an Menschen durchgeführt werden, da die Ergebnisse aus den Tierversuchen nicht mit Sicherheit auf den Menschen übertragen werden können. "In jedem Fall muss der gleiche Versuch mit einem unkalkulierbaren Risiko am Menschen wiederholt werden. Vorher ist jede übertragende Aussage Spekulation", so der Verein "Ärzte gegen Tierversuche“. Eine Maus zum Beispiel hat einen ganz anderen Umgang mit ihrer Umwelt und ihr Stoffwechsel reagiert auch anders, als der eines Menschen. Ein weiteres Beispiel für die Nichtübertragbarkeit der Risiken auf Menschen ist das Medikament Aspirin, das für Ratten giftig ist, für Menschen aber eben nicht.
Das ist auch ein Argument für Leist, wenn er mit den Verantwortlichen in der Industrie spricht: "Auf der ethischen Schiene erreichen wir da nicht viel", sagt er. "Wir sagen klar: Es geht um Geld. Um billigere, schnellere und vor allem aussagekräftigere Daten." Er selbst sei zwar nicht grundsätzlich gegen Tierversuche. "Mich stört aber die rein materialistische Betrachtung."
Die Auffassung, Menschen haben in moralischer Hinsicht einen Sonerstatus, beziehungsweise die Ansicht Menschen sind ie einzigen Lebewesen mit einem sittlich verpflichtenen Eigenwert, müsste eigentlich zu dem Gedanken führen, anderen, egal ob Mensch oder Tier, so wenig wie möglich zu schaden. „Die Größe und den moralischer Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt, „ sagte einst schon der Friedensaktivist Mahatma Gandhi. (fr)
Bild: Stephanie Hofschlaeger / pixelio
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.