Neue Behandlungsmethode gegen Hodenkrebs in der Entwicklung
Hodenkrebs ist eine der häufigsten Krebserkrankungen bei Männern im Alter zwischen 25 und 45 Jahren, allerdings in einem Großteil der Fälle erfolgreich therapierbar. Die Nebenwirkungen der Therapie bringen jedoch meist erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensqualität und nicht selten eine Unfruchtbarkeit mit sich. Mögliche Alternativen zur Chemotherapie sind daher dringend gefragt. Einen möglichen Ansatz bildet hier die immunologische Therapie.
Wissenschaftler der Universitäten Gießen und Monash (Australien) arbeiten gemeinsam an neuen immunologischen Behandlungsmöglichkeiten gegen Hodentumore, die in Zukunft eine Alternative zur Chemotherapie bilden könnten. Die ersten Ergebnisse des Forschungsprojektes sind dabei durchaus vielversprechend, so die Mitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). Schwere Nebenwirkungen könnten vielen Hodenkrebspatienten dank einer solchen immunologischen Therapie erspart bleiben.
Tumorzellspezifische und individualisierten Behandlungsmethoden
„Hodenkrebs gehört bei Männern zwischen 20 und 45 Jahren zu den häufigsten Krebserkrankungen“, berichtet die JLU. In 95 Prozent sei der Hodenkrebs bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung heilbar. Nicht selten bedarf es jedoch einer Chemotherapie, die bei rund einem Drittel der Patienten dazu führt, dass sie nach der Behandlung unfruchtbar sind. Um diese und andere Nebenwirkungen von Chemotherapien zu vermeiden, werde seit einiger Zeit verstärkt an der Entwicklung von „tumorzellspezifischen sowie individualisierten Behandlungsmethoden“ geforscht.
Immuncharakteristika der Hoden untersucht
Gemeinsam mit australischen Wissenschaftlern der Universität Monash arbeiten die Forscher der JLU an der Entwicklung neuer immunologischer Behandlungsmethode gegen Hodenkrebs. In einer ersten Förderperiode des Projektes hatte Dr. Britta Klein von der JLU bereits die Immuncharakteristika humaner Hodentumoren im Rahmen ihrer Dissertation untersucht. Die deutsch-australischen Forschungskooperation (International Research Training Group) ist nun in der zweite Förderperiode und im Fokus der Forschungsarbeiten steht weiterhin das Immunsystem. „Denn der Hoden ist im Hinblick auf sein immunologisches Milieu sehr besonders“, so die Mitteilung der JLU.
Normalerweise nur wenig Immunzellen in den Hoden
Die Hoden gehören laut Aussage der Forscher zu den sogenannten „immunpriviligierten Organen“. Durch die anatomischen Strukturen sind die Spermien, die sich im Hoden entwickeln, in besonderem Maße vor äußeren Einflüssen und auch vor dem körpereigenen Immunsystem geschützt, erläutern die Experten. Daher seien unter normalen Bedingungen nur wenige Immunzellen im Hoden zu finden – hauptsächlich in Form sogenannter Makrophagen und Mastzellen und nur in geringem Maße Lymphozyten.
Zusammenbruch des Immunprivilegs
Bei den Patienten mit Hodentumoren ist den Experten zufolge in den meisten Fällen eine prominenten Einwanderung bzw. Präsenz von verschiedensten Immunzelltypen (vornehmlich Lymphozyten) in den Hoden festzustellen, was den Zusammenbruch des Immunprivilegs verdeutliche. Bisher bleibe allerdings unklar, ob diese Lymphozyten der Tumorbekämpfung dienlich sind oder eher den Hodentumor beim Wachstum und Überleben unterstützen.
Gewebeproben von Hodentumoren verschiedener Stadien untersucht
Gemeinsam haben Dr. Britta Klein und Prof. Dr. Martin Bergmann von der JLU, Prof. Dr. Hans-Christian Schuppe, Prof. Dr. Wolfgang Weidner und Prof. Dr. Florian Wagenlehner vom Universitätsklinikum Gießen und Marburg sowie Prof. Dr. Sabine Kliesch vom Universitätsklinikum Münster die Gewebeproben von Hodentumoren verschiedener Stadien untersucht. „Dabei zeigte sich, dass bestimmte hochspezialisierte Immunzelltypen in besonderem Maße an der Infiltrierung der Tumoren beteiligt sind“, berichtet die JLU. So seien bereits in den Frühstadien von Hodentumoren sogenannte dendritische Zellen als typische „Wächterzellen“ nachzuweisen, während die antikörperproduzierenden Lymphozyten (B-Zellen) erst in manifesten Tumoren auftreten.
Hodentumore schaffen ein bestimmtes Milieu
Des Weiteren stellten die Forscher fest, dass in der Umgebung von Hodentumoren viele Signal- und Botenstoffe nachweisbar sind, „die Entzündungsreaktionen auslösen, unterstützen und aufrechterhalten können.“ Dieses entzündungsförderliche Milieu könne ein weiteres Wachstum und die Ausbreitung von bestimmten Tumoren begünstigen. Bei den gemeinsamen Folgeuntersuchungen mit den Experten in Australien (Prof. Kate Loveland, Ph.D. von der Monash University in Melbourne, Prof. Bruce Loveland, Ph.D. vom Burnet Institute in Melbourne und Prof. Mark Hedger vom Hudson Institute of Medical Research in Melbourne) konnte nachgewiesen werden, dass künstlich in Kultur wachsende Hodentumorzellen maßgeblich an der Etablierung des sie umgebenden Milieus beteiligt sind.
Entzündungsparameter Interleukin-6 in Hodentumoren sehr präsent
Die künstlichen Hodentumorzellen schufen laut Aussage der Forscher ein Milieu, dass eine ähnliche Zusammensetzung wie das Milieu von Hodentumor-Gewebeproben hatte. Daher sei es durchaus möglich, dass dieses entzündungsförderliche Milieu auch im Fall von Hodentumoren eine tumorunterstützende Eigenschaft besitzt. Darüber hinaus habe sich gezeigt, „dass ein bestimmter Entzündungsparameter, das sogenannte Interleukin-6, in Hodentumoren sehr präsent ist“, berichtet die JLU. Dieser könne ein wichtiger Faktor für das Wachstum und die Metastasierung der Hodentumoren sein – eine Eigenschaft des Interleukin-6, die laut Aussage der Forscher bereits in Verbindung mit anderen Tumorarten (darunter Prostata-, Eierstock- und Brustkrebs) festgestellt wurde.
Dr. Britta Klein zufolge deuten die „Ergebnisse darauf hin, dass auch bei Hodentumorpatienten eine immunologische Therapie als zusätzliche Behandlungsform denkbar wäre.“ Nun soll in einem nächsten Schritt untersucht werden, „ob eine Blockade des Interleukin-6 -Signalweges einen Einfluss auf Wachstum und Invasion von Hodentumorzellen hat.“ (fp)
Autoren- und Quelleninformationen
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.