Schlechte Herzgesundheit lässt das Hirn schneller altern
Das reale Alter einer Person lässt laut einer aktuellen Studie nicht automatisch Rückschlüsse auf das Gehirnalter zu. Wie sich herausstellte, altert das Gehirn in Abhängigkeit von der Herzgesundheit deutlich schneller oder langsamer und kann so deutlich vom realen Alter abweichen.
Forschende des University College London (UCL) in Großbritannien fanden heraus, dass eine schlechte kardiovaskuläre Gesundheit mit einer schnelleren Alterung des Gehirns verbunden ist. Das Gehirnalter kann auf diese Weise stark von dem realen Alter einer Person abweichen. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in dem Fachjournal „The Lancet Healthy Longevity“ präsentiert.
Herzgesundheit mit der Hirngesundheit verbunden
Eine Arbeitsgruppe des UCL hat mithilfe von MRT-Scans und maschinellem Lernen das Gehirnalter von Teilnehmenden ermittelt. Auf diese Weise kristallisierten sich Risikofaktoren für eine vorzeitige Alterung des Gehirns heraus.
Vor allem die Herzgesundheit der Probandinnen und Probanden war stark mit der Alterung des Gehirns verbunden. Auch das Geschlecht spielte eine Rolle. Frauen hatten im Durchschnitt ein „jüngeres“ Gehirn als gleichaltrige Männer.
Vorzeitig gealterte Gehirne erbringen weniger kognitive Leistung
Menschen mit einem vorzeitig gealtertem Gehirn erbrachten eine schlechtere Leistung in kognitiven Tests. Zudem schrumpften Gehirne, die von vorzeitiger Alterung betroffen waren, im Laufe von zwei Jahren schneller als nicht vorzeitig gealterte Gehirne.
Die Forschenden halten das Gehirnalter für einen wichtigen klinischen Marker für das Risiko des kognitiven Rückgangs sowie für neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz.
Gehirnalter kann stark vom realen Alter abweichen
„Wir haben festgestellt, dass die Menschen in dieser Studie zwar alle ein sehr ähnliches reales Alter hatten, dass aber das Alter, das das Computermodell für ihre Gehirne voraussagte, sehr stark variierte“, betont Studienhauptautor Professor Jonathan Schott.
„Wir hoffen, dass diese Technik eines Tages ein nützliches Instrument sein könnte, um Menschen zu identifizieren, bei denen das Risiko einer beschleunigten Alterung besteht, so dass ihnen frühzeitige, gezielte Präventionsstrategien zur Verbesserung ihrer Gehirngesundheit angeboten werden können“, folgert der Professor.
Teilnehmende wurden lebenslang begleitet
Die Daten der Teilnehmenden stammten aus einer großen britischen Alzheimer-Studie namens „Insight 46“. Die Probandinnen und Probanden wurden alle im Jahr 1946 geboren und nahmen lebenslang an der Studie teil.
Zum Zeitpunkt der Ermittlung des Gehirnalters waren die Teilnehmenden zwischen 69 und 72 Jahre alt. Das in der Studie ermittelte Gehirnalter variierte jedoch zwischen 46 und 93 Jahren.
Herzgesundheit am deutlichsten mit Hirnalter verbunden
Da zu der Kohorte umfassende medizinische Daten über das gesamte Leben hinweg vorlagen, konnten die Risikofaktoren, die mit einer vorzeitigen Hirnalterung verbunden waren, ermittelt werden.
Menschen mit einer schlechteren kardiovaskulären Gesundheit im Alter von 36 und/oder 69 Jahren hatten im Durchschnitt auch eine schlechtere Gehirngesundheit als Menschen mit gesundem Herz. Ebenso wiesen Personen mit zerebrovaskulären Erkrankung, die den Blutfluss im Gehirn beeinflussen, ein höheres Gehirnalter auf.
Wer beispielsweise im Alter von 36 Jahren bereits unter Bluthochdruck litt, hatte ein deutlich erhöhtes Risiko, dass das Gehirn im weiteren Lebenslauf schneller altert als bei Menschen mit gesundem Herz-Kreislauf.
Biomarker für Neurodegeneration
Darüber hinaus fanden die Forschenden im Blut von Menschen mit einem vorzeitig gealtertem Gehirn eine höhere Konzentration eines Biomarkers namens Neurofilament-Leichtketten (neurofilament light protein, kurz: NfL).
Dieser Biomarker wird in der Medizin zunehmend als Anzeichen für Neurodegeneration anerkannt. Vermutet wird, dass eine erhöhte NfL-Konzentration im Blut auf eine Schädigung der Nervenzellen zurückzuführen ist.
Herzgesundheit beeinflusst Hirngesundheit
„Die Studie Insight 46 trägt dazu bei, mehr über die komplexe Beziehung zwischen den verschiedenen Faktoren zu erfahren, die die Gesundheit des Gehirns von Menschen im Laufe ihres Lebens beeinflussen“, fügt Dr. Sara Imarisio von Alzheimer’s Research UK hinzu. Die Fachgesellschaft finanzierte die Studie zum Teil.
„Mit Hilfe des maschinellen Lernens haben die Forschenden in dieser Studie weitere Beweise dafür gefunden, dass eine schlechtere Herzgesundheit in der Lebensmitte mit einer stärkeren Schrumpfung des Gehirns im späteren Leben verbunden ist“, resümiert Dr. Imarisio. (vb)
Autoren- und Quelleninformationen
Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Medizinern und Medizinerinnen geprüft.
- Aaron Z Wagen, William Coath, Ashvini Keshavan, et al.: Life course, genetic, and neuropathological associations with brain age in the 1946 British Birth Cohort: a population-based study; in: The Lancet Healthy Longevity (2022), thelancet.com
- University College London: Poor heart health predicts premature brain ageing (veröffentlicht: 22.08.2022), eurekalert.org
Wichtiger Hinweis:
Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen.